Hann Klüth. Georg Engel
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Und der alte Klüth ruhte jetzt doch bereits die siebente Stunde.
IV
An einem der nächsten Tage — noch wußten die Kinder nicht, was im Kuhstall beschlossen war — wurde Hann ins bürgerliche Leben eingeführt.
Er lag gerade mit Line auf einer der schönen grünen Wiesen, auf denen Moorluke gebaut ist, und die sich bis zum Meer hinunterziehen. Die letzten Gräser biegen und wiegen sich über den sanften Wassern und flüstern mit den Stichlingen. Manchmal schießt auch ein rotkäppiger Barsch heran, beißt vor Lebenswonne in die schwanken Halme und saust wieder in die schillernde Weite zurück. Hann wußte das alles.
Er fühlte es, wenn er es auch nicht sah. Seine Umgebung war das einzige, was er gelernt hatte, und was ihm vertraut war.
Da, wo das Gras am höchsten und üppigsten grünt, da liegen die beiden Kinder.
Line ruht auf dem Rücken. Um sie herum wehen wunderbar feine, seidig-graue Gespinste. Es sind die zarten Heringsnetze, die aus meerblauer Seide geknüpft sind, damit sie mit der Seefarbe übereinstimmen und den scheuen Silberflößler nicht erschrecken. Jetzt sind sie zum Trocknen aufgehängt. Wenn der leichte Seewind zuweilen an sie rührt, dann zittern sie so seltsam um das Dirnchen, wie ungeheure, phantastische Spinnenwebe, in denen sich ein Nixenkind gefangen.
Es ist Vormittag.
Ringsherum Sonnenschein.
Das Meer funkelt wie ein weißgedeckter Tisch, auf dem eine Million in Goldstücken aufgezählt liegt.
»Line,« sagt Hann, der in seinem abgetragenen, blauen Drillichanzug in einiger Entfernung von ihr liegt und, den plumpen Kopf in beide Hände gestützt, aufmerksam einen wimmelnden Ameisenhaufen betrachtet: »Hast du wohl acht gegeben — — —«
»Still,« unterbricht Line unwillig.
»Ich mein', daß Dietrich Siebenbrod nun ümmer bei uns zu Tisch ißt?«
Wieder eine heftige Bewegung der kleinen Hand: »Sei ruhig.«
»Je, warum?«
»Weil ich da oben raufkuck.«
»Lining, siehst du was?«
»Nein — aber es is so häßlich, wenn du sprichst.«
»Oh, Lining, warum is das so?«
»Das weiß ich auch nich. Es is häßlich.«
»Je, dann kann ich ja auch ruhig sein.«
»Das tu. Dann kommt es wieder.«
»Was kommt?«
»Das Schöne.«
»Welches Schöne?«
»Dummer Jung. — Als wenn mich einer streichelt.«
»Oh, Lining — —«
»Sei still.«
Und nun liegen sie beide wieder wie vorher. Die feinen blauen Maschen zittern und beben, und die fleißigen Ameisen rennen auf ihrem Hügel im Kreise.
Allmählich vergißt Hann, wie die kleine Pflegeschwester ihn schlechter als Pluto, den Hofhund, behandelt. Aber das ist ja schließlich auch so natürlich. Sie ist so viel vornehmer als er. Auf einer untergehenden schwedischen Bark ist sie gefunden worden. Vielleicht stellt sie wirklich was sehr Hohes vor. Am Ende gar eine Prinzessin. Ja, ja, und solch eine, die muß wohl so kurz angebunden sein. Das hat er ja immer gehört.
»Na, denn is es ja ganz in Richtigkeit,« meint Hann vor sich hin.
Damit wendet er sich wieder seinem Ameisenhaufen zu und beugt sich tiefer und tiefer darüber.
Wie die Tierchen alle beladen herumrennen. Ganze Züge in einer Richtung. Das ist sehr wunderbar. Der Junge denkt zum erstenmal darüber nach.
Da fällt unvermutet ein langer Schatten über den grünen Plan. Er gleitet langsam näher.
Line erhebt sich halb, blinzelt nach vorn und sagt wegwerfend: »Da kommt Dietrich Siebenbrod.«
»Ja, Lining,« antwortet Hann, »leiden kann ich ihn auch nicht recht.«
»Du auch nicht?«
»Ne, er spuckt ümmer in die Stuben.«
»Ja, ja — wollen ihn heute mal recht ärgern,« regt Line an.
Und Hann ist gänzlich damit einverstanden. Ganz selbstverständlich. Er ist immer nur der Gefolgsmann seiner Dame.
Der Bootsmann steht nun in seinen großen Wasserstiefeln vor ihnen.
Er hat ein gutmütiges, hageres, dunkelbraungebranntes Gesicht, glanzlose, schwarze Augen, eine große Menge schwarzer, schweißnasser Haare und eine glühende Adlernase.
Als er so vor ihnen steht, sieht er mit Vergnügen auf die schlanken, nackten Beinchen von Line herab, die in der Sonne seidig glänzen.
Die kleine Dirn findet er niedlich. Auch Hann mag er leiden. Nur hält er es an der Zeit, daß aus dem Jungen etwas wird. Überhaupt, seit aus dem Kuhstall die Zukunft ihn, wenn auch nur mit einem alten, unbeweglichen Weibsantlitz angelächelt, ist er von väterlichen Gefühlen beseelt.
Verwundert blickt er auf die beiden Kinder hinab, die so stumm daliegen, als wäre er gar nicht vorhanden. Nur Line schlenkert ein wenig mit dem rechten Bein hin und her, als schlüge sie damit den Takt zu einem Liedchen. Hann dagegen starrt unbeweglich in seinen Ameisenhaufen.
»Morgen,« beginnt Siebenbrod gemütlich, denn der Sonnenschein, die Kinder und das Gesumm der Käfer wecken Wohlgefallen in ihm.
»Aber ja nicht antworten,« »Man jo nich« — Auf keinen Fall; das ärgert den Säufer sicherlich.
Die kleinen Boshaften verhalten sich mäuschenstill.
Siebenbrod wundert sich, sperrt den Mund auf und faßt sich an die Nase.
Die Stille, das Schweigen, das seltsame Benehmen verwirren ihn sichtlich.
Wozu tun das die Jören?
»Was gibt's denn?« räuspert er sich endlich, indem er sich zusammennimmt. »Was is hier?«
Stille.
Nur Line summt mit den Käfern um die Wette und dirigiert das Konzert immer geschickter mit dem Fuß.
»Na,