Hann Klüth. Georg Engel
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»Jung, bist du dumm? — Was kuckst du so in den Haufen? Steh gleich auf!«
Line wendet das Köpfchen und schielt zu ihrem Begleiter hinüber. Aber der bleibt fest. Er ist stolz, sich vor seiner Dame einmal zeigen zu können.
Er rührt sich nicht.
»Hann!« brüllt Dietrich plötzlich kirschrot, denn er begreift, und die Nase beginnt so merkwürdig zu zittern und zu funkeln, daß beide Kinder in ein befriedigtes, höhnisches Gelächter ausbrechen.
Siebenbrod reißt den Jungen in die Höhe: »Verfluchtiger Lümmel, willst du woll?«
»Laß los,« schreit Hann wütend dagegen. Aber die Habichtkrallen des andern geben ihn nicht frei. Sie wirbeln ihn vielmehr im Kreise umher, wie ein altes Kleidungsstück, das von dem Trödler von allen Seiten betrachtet werden soll.
Entsetzt springt jetzt auch Line in die Höhe.
Das bedeutet keinen Spaß mehr. Dietrich ist gewiß wieder betrunken.
»Laß ihn los,« will auch das kleine Kind rufen, aber der Laut bleibt ihr in der Kehle stecken.
Starr, gebannt, mit weiten, erschreckten Augen muß sie das Begebnis mit ansehen.
Das wickelt sich jedoch unheimlich schnell ab.
Siebenbrod wirbelt den Haufen Kleider noch zwei-, dreimal mit wütender Kraft herum, dann wirft er ihn ins Gras.
»Da lieg.«
»Was? — Was?« — heult Hann, halb vor Wut, halb vor Schmerz. »Was hast du mir zu sagen? — du oll Säufer? — Nichts — du büst ja man bloß unser Bootsmann, unser Knecht.«
»So,« lacht Siebenbrod höhnisch, »dann komm noch eins her, mein Hühning.«
Wieder streckt er die Klaue aus. Hann, rasend mit weißem Schaum vor dem Mund, entgeistert von der Scham, vor seiner Dame mißhandelt zu werden, hebt einen großen Feldstein in die Höhe — und dann — der arme Junge. — Er ist kein David, der den Goliath zerschmettert.
Mit wilden, funkelnden Blicken verfolgt Line nun das sich aufrollende Bild.
Hinten auf den blauen Hosen hat Hann einen grauen Flicken eingenäht. Der glänzt jetzt in der Sonne, als er über dem Knie von Siebenbrod liegt, und gerade auf diesen Fleck prasseln die flachen Hiebe des Bootsmannes hageldicht nieder.
Immer mehr — immer mehr — bis der Schall selbst das Schlucken und Schluchzen übertönt.
»Wart, mein Hühning, wirst du das wieder tun?«
»Nein — nein,« wimmert es.
»Na, dann verbitt' dich.«
»Oh — oh — ich verbitt' — mich.«
»Na, denn 's gut — Und nu gib mich die Hand, mein Söhning.«
Hann schleicht heran und gibt tiefgesenkten Hauptes die Finger.
»Na, dann 's gut — Nu is alles in Ordnung.«
»Oh — und oh — und oh — Line — Line — hat es gesehen.«
Da steht er im Sonnenschein, mitten auf dem zertretenen Ameisenhaufen, und schluckt und zittert am ganzen Leibe. Und ihm gegenüber verharrt noch immer das kleine Mädchen und sieht auf ihn hin.
Aber merkwürdig.
Ein seltsames, irrendes Lächeln schwebt dabei um die roten Lippen.
Der graue Fleck und die hohe Rundung, wie das aussah!
Wieder möchte sie lachen. Aber dort drüben weint der Gespiele so jammervoll, daß sie unbeweglich steht und zu ihm herübernickt.
Was sie jedoch beide nicht wissen, das ist das Merkwürdige, daß dieser Eindruck unverwischlich in dem Gedächtnis des Mädchens fortleben wird, daß er andere Gefühle auszulösen berufen ist, die Hann eines Tages mehr schmerzen müssen, als die schwielige Hand des neuen Stiefvaters Siebenbrod, und daß diese Zeit nicht mehr gar so fern liegt.
* * *
Er stand und weinte.
Line lächelte.
Und Siebenbrod meinte endlich befriedigt: »Nu komm.«
Dann nahm er ihn mit.
V
Nachmittags kehrte Hann pudelnaß zurück.
Der blaue Drillichanzug klebte an seinen ungelenken Gliedern, unaufhörlich leckte das Wasser von ihm herab; seine Mütze hatte er verloren.
Das waren die nächsten Folgen seines ersten Unterrichts. Zuvörderst hatte ihn Siebenbrod hinten an dem Steuer des weißen Lotsenbootes Platz nehmen lassen. Er hatte ihm gezeigt, wann man rasch, wann man langsam drehen müsse; er hatte ihm die Stellung der Segel erklärt und ihn zum Schluß in das schwierige Geschäft des Windabfangens eingeführt. Sodann wurde von Siebenbrod ein förmliches Examen über das eben Erläuterte angestellt, und bei jeder vergessenen Position tat ein gelinder Puff, zuweilen auch eine Ohrfeige das übrige.
Zuletzt aber kam der Höhepunkt des heutigen Tages. Ein Exerzitium, das Hann gewiß nicht so bald vergessen wird.
Sie segelten gerade im offenen Bodden.
Glatt, wie poliert, lag die glänzende Scheibe da. Nur fern und verschwommen, wie hinter zarten, blauen Nebeln, ragte das Dörfchen. Man vernahm von dort kaum das monotone Schlagen der Dorfuhr und zuweilen das Kläffen eines Hundes.
Am lichterfüllten, tiefen Himmel zeigte sich bereits das bleiche Viertel des Mondes.
Eben hatte Siebenbrod eine kleine Pause in seinem Unterricht eintreten lassen.
Mit aufgestütztem Kopf hockte er auf der zweiten Ruderbank und glotzte während des Hingleitens melancholisch auf den Vorratskasten des Bootes, in dem eine wohlgefüllte Kirschschnapsflasche stehen mußte, ein Genuß, dem er nun ein für allemal abgeschworen.
Wer würde jetzt wohl den feinen Tropfen trinken? Schade — schade — aber wenn man selbständig werden und in die vornehme Gilde der Zesnerfischer zugelassen werden wollte?
Kein Spaß, wahrhaftig!
Schwermütig nickte er mit dem Kopf, dann sah er zu Hann hinüber.
Der Junge hatte längst den Wind aus den Segeln verloren und träumte bekümmert zu der blassen Silberscheibe empor.
»Verfluchter Bengel!«
»Jesus!«
Der