Mami Staffel 6 – Familienroman. Claudia Torwegge

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Mami Staffel 6 – Familienroman - Claudia Torwegge Mami Staffel

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den er ihr schenkte, glich dem sanften Streicheln eines Schmetterlingsflügels.

      Nathalie hielt die Luft an. Mit geschlossenen Augen stand sie da, am ganzen Leibe zitternd vor Sehnsucht nach Clemens’ Zärtlichkeiten.

      »Hallo, Mama.« Dennis’ Stimme schreckte sie aus ihrer Versunkenheit. Erschrocken riß Nathalie die Augen auf und blickte verwirrt um sich.

      »Oh, hallo…« Sie war noch völlig benommen. Es dauerte einen Moment, ehe sie begriff, daß Clemens sie verlassen hatte. »Komm, laß uns noch einen Moment miteinander reden«, forderte sie ihren Sohn auf, mühsam die Gefühle unterdrückend, die Clemens in ihr wachgerufen hatte. »Magst du ein Glas Wein?«

      Dennis betrachtete sie einen Moment erstaunt. Normalerweise erlaubte seine Mutter nicht, daß er Alkohol trank.

      »Nun komm schon, man kann ja mal eine Ausnahme machen«, forderte ihn Nathalie lächelnd auf, als sie sein Zögern bemerkte. »Schließlich bist du ja kein Baby mehr.«

      Dennis lächelte verlegen.

      »In Ordnung«, er setzte sich. »Ein Glas Wein wäre toll.«

      Sie nahm ein frisches Glas und schenkte für sie beide ein. Dann setzte sie sich Dennis gegenüber an den Tisch und lehnte sich entspannt in ihren Stuhl zurück.

      »Wie lange kennt ihr euch schon?«

      Sofort kehrte das Mißtrauen in Dennis’ Augen zurück.

      »Bist du sauer, weil ich…?«

      »Nein, nein«, unterbrach Nathalie ihn eilig. »Du bist sechzehn, beinahe siebzehn Jahre alt.« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Ich war dreizehn, als ich mich das erste Mal so richtig, mit allem Drum und Dran, verliebt habe.«

      Dennis Blick wurde schwärmerisch.

      »Bille ist das erste Mädchen, das mir wirklich gefällt«, berichtete er, zutraulich geworden. »Sie ist erst vor einem halben Jahr in unsere Stadt gezogen. Als sie in unsere Klasse kam, ich in ihre schönen blauen Augen sah, da hat es dann drin irgendwo…« Er tippte sich auf die Brust. »Einfach klick gemacht. Ich konnte an nichts anderes mehr denken.«

      Dann war diese Bille doch älter, als sie aussah! Nathalie beugte sich vor und legte behutsam ihre Hand auf Dennis Schulter.

      »Genieße diese Liebe«, rief sie zärtlich. »Es gibt nichts Schöneres auf der Welt als dieses Gefühl. Und wenn es erwidert wird, dann ist das wie ein Blick ins Paradies.«

      Dennis schwieg. Als er, nach einer geraumen Zeit intensiven Nachdenkens, wieder sprach, klang seine Stimme wie die eines verunsicherten Kindes.

      »War es bei Papa und dir auch so?«

      Für einen Moment war Nathalie schockiert, doch dann riß sie sich zusammen. Dennis war kein kleiner Junge mehr. Er hatte das Recht auf ehrliche Antworten, selbst wenn sie die eine oder andere Illusion zerstörten.

      »Ja.« Sie griff nach ihrem Glas, trank aber nicht. »Ich konnte mir jahrelang nicht vorstellen, daß ich mal ohne deinen Vater sein könnte. Wir waren sehr, sehr glücklich miteinander. Aber dann haben sich unsere Gefühle gewandelt. Das kommt vor, Dennis. Und wenn es soweit ist, sollte man ehrlich zueinander sein.«

      »Papa war nicht ehrlich zu dir?«

      »Nein.« Nathalie seufzte. »Und das konnte ich ihm nicht verzeihen.«

      Dennis schwieg einen Moment, dann hob er den Kopf und sah Nathalie eindringlich an.

      »Er wird nicht mehr zu uns zurückkommen, nicht wahr?« Als Nathalie nickte, fuhr er fort. »Und Clemens? Liebst du ihn?«

      Für eine Sekunde bereute Nathalie ihren Entschluß, ehrlich zu sein. Kinder konnten ganz schön hartnäckig sein.

      »Ja, ich glaube, daß ich ihn liebe«, entschloß sie sich dann, bei der Wahrheit zu bleiben. »Aber frage mich bitte nicht nach der Zukunft. Ich kann dir im Moment noch keine Antwort darauf geben.« Sie seufzte. »Ich muß erst einmal die eine Sache richtig beenden, bevor ich an einen Neuanfang denke.«

      Dennis lächelte. Er beugte sich vor, seine Finger strichen sanft über Nathalies Wange.

      »Wie immer diese Entscheidung aussehen mag, wir stehen zu dir«, raunte er zärtlich, und plötzlich war er nicht mehr der kleine Junge, sondern ein Mann, der sehr genau wußte, was er wollte. »Ich hab’ dich lieb, Mutti.«

      Sie schmiegte ihr Gesicht in seine Hand. Ein warmes Gefühl tiefer Zärtlichkeit erfüllte Nathalie, während sie einfach nur dasaß und den Worten ihres Sohnes lauschte.

      Sie hatte tolle Kinder. Kinder, auf die sie stolz sein konnte, die sie von Herzen liebte und die ihre Liebe mit derselben Intensität erwiderten.

      Das Leben war schön.

      *

      Die Ankündigung des Klassenlehrers, daß die beiden letzten Stunden wegen Krankheit des Chemielehrers ausfielen, löste bei den Schülern laute Begeisterung aus. Herr Jähne hatte gerade noch Zeit, der Bande zu sagen, daß sie morgen alle an ihr Referat denken sollten, dann stürmte die Mannschaft wie eine Herde aufgescheuchter Wildbüffel aus dem Klassenzimmer.

      Kopfschüttelnd sah er den Davoneilenden nach, dann ergriff er seine Aktentasche und begab sich auf den Weg ins Lehrerzimmer, während sich seine »Kids« zusammen mit anderen Schülern aus dem Schulgebäude drängelten.

      »He, warte mal!« Maggy bekam Sandra am Ärmel ihres Sweatshirts zu fassen und zwang sie stehenzubleiben. »Wie ist das denn jetzt mit Mike? Er braucht endlich ein paar Fotos von dir, damit er dich casten kann.«

      Sandra hob ratlos die Schultern. Irgendwie scheute sie sich plötzlich davor, zu diesem Fotografen zu gehen. Klar, sie war nach wie vor wild darauf, Karriere als Fotomodell zu machen, aber die Begeisterung, die sie beim ersten Treffen mit diesem Agenten empfunden hatte, war einem leisen Mißtrauen gewichen.

      »Hey!« rief Maggy sie in die Gegenwart zurück. »Heute wäre genau der richtige Tag dafür. Wir könnten die beiden Freistunden nutzen, um diese Fotos zu machen.«

      Sandy tippte an ihre Brille, die sie seit einigen Wochen trug.

      »Ich weiß nicht…«

      »Die setzt du ab«, entschied Maggy resolut. »Das ist gar keine Sache. Los, komm, wir ziehen das jetzt durch.«

      Sandra wollte noch etwas sagen, aber Maggy ließ ihr keine Zeit mehr dazu. Sie packte Sandy einfach am Ärmel ihres Shirts und zerrte sie hinter sich her, aus dem Schulgebäude und die Straße hinunter, bis zur nächsten Haltestelle.

      Bevor Sandra richtig wußte, wie ihr geschah, saß sie im Bus nach Wiesbaden-Dotzheim.

      *

      Das Haus war eine Enttäuschung. Angewidert betrachtete Sandra die häßliche Backsteinfassade, aus deren Ritzen der Mörtel herausrieselte. Die Fenster wirkten wie hohle Augen darin, und die windschiefe Haustür sah aus, als wäre sie schon seit langem nicht mehr geöffnet worden.

      Maggy schien das nicht zu stören. Sie schob Sandra einfach in den düsteren Flur, der von der trüben Funzel, die gleich darauf aufflammte, auch nicht

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