Gesammelte Erzählungen von Klabund. Klabund

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Gesammelte Erzählungen von Klabund - Klabund

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Tage geschätzt.«

      Stammtisch

       Inhaltsverzeichnis

      Eines Abends erschien am Stammtisch »Hindenburg« ein junger magerer Mann, den niemand kannte, und machte sichs bequem. Er stellte seine Röllchen untern Stuhl und trug dem in devoter Erschrockenheit herbeieilenden Kellner auf, einen Würfelbecher zu beschaffen. Der klapperte nun bald in der knochigen Hand des jungen Mannes, welcher die Bank hielt. Es galt lustige Sieben. »Einsatz,« sagte der junge Mann, »nicht unter zehn Mark. Ich nehme auch immobile Werte in Zahlung: hohle Köpfe, rote Herzen, Bauterrains zu Friedhöfen geeignet, eiserne Kreuze und so weiter. Nur keine weiblichen Brüste. Sie widerstehen mir ...« – Es ging wie mit dem Teufel zu. Jeder verlor. Der wabblige Amtsgerichtsrat seine (unbeträchtlichen) juristischen Kenntnisse. Der Apotheker seinen Giftschrank. Der Oberlehrer wollte seinen Verstand verlieren und in Zahlung geben. Aber der junge Mann wies ihn als unbrauchbar und defekt zurück. – Der junge Dichter verlor sein Herz. Als er es nun auszahlen wollte, stellte es sich heraus, daß er gar keines hatte, sondern daß er dasselbe besaß wie der junge Mann. Er konnte es also überhaupt nicht verlieren. Da erkannten sie sich und tranken Duzbrüderschaft. Nachher pokerten sie noch zu zweien, und siehe: der Dichter hielt alle Damen in der Hand, der junge magere Mann nur das Pique-Aß. So übertrumpfte der Dichter den Tod.

      Bartholomäus und der junge Mann

       Inhaltsverzeichnis

      (Einem Freunde)

      Bartholomäus hatte ihn im Odeoncafé kennen gelernt. Das Café war ziemlich gefüllt und er mußte sich an einen Tisch setzen, an dem bereits ein junger Mann saß.

      Er lüftete den in London gekauften Zylinder und fragte mit seiner leisen gepflegten Stimme:

      »Ist hier ein Platz frei?«

      Der junge Mann lächelte höflich, aber doch ein wenig verächtlich zu ihm und seinem Zylinder empor und sagte: »Bitte.«

      Bartholomäus hörte aus dem Klang des einen Wortes sofort den eingeborenen Münchner heraus.

      Er bestellte ein Erdbeereis mit Schlagrahm und prüfte unauffällig den jungen Mann, der ihn – er wußte nicht warum – stark zu beschäftigen begann.

      Der junge Mann trug einen einfachen blauen, und dem Stoff nach zu urteilen, sehr wohlfeilen zweireihigen Jackettanzug, der ihm mit einer ungewollten Eleganz zu Leibe stand.

      In seinem rotbraunen kantigen Indianergesicht steckte eine Virginia zu zwölf Pfennig.

      Zwei harte blaue Augen musterten mit einer heiteren und bestimmten Sachlichkeit bald den, bald die aus dem Publikum.

      Die Kapelle spielte den Walzer aus dem Rosenkavalier.

      »Eine nette Musik,« sagte der junge Mann und sprach das letzte Wort zu Bartholomäus herüber.

      »Gewiß.« Bartholomäus pflichtete dem jungen Mann zuvorkommend bei.

      »Es ist ein Walzer,« sagte der junge Mann. »Von wem wohl?«

      »Von Strauß,« beeilte sich Bartholomäus Auskunft zu geben.

      »Der Strauß hat noch mehr nette Walzer gemacht, zum Beispiel die Donauwellen,« setzte der junge Mann das Gespräch fort.

      »Das ist ein anderer Strauß,« meinte Bartholomäus, »es gibt sehr viele Komponisten, welche Strauß heißen.«

      »Eigentlich ist es ja auch gleichgültig wie die Leute heißen, welche Musik machen,« gab der junge Mann zu bedenken, »es ist nur gut, daß überhaupt Musik auf der Welt ist. Was hätten wohl die Menschen, wenn sie sterben müßten, ohne einen Walzer gehört oder getanzt zu haben.«

      »Sie tanzen gern?«

      »So gern wie eine Frau.«

      »Und Sie scheinen mir doch einer der männlichsten Männer, die mir je begegnet sind.«–

      »Frauen tanzen immer für andere, ich tanze für mich selbst.«

      »Wann haben Sie zuletzt getanzt?«

      »Vor fünf Wochen.«

      »Wo? Hier in München? Wo tanzt man hier?«

      »In Buenos-Ayres.«

      »Sie waren in Buenos-Ayres?«

      »Ich komme direkt daher.«

      »Direkt aus Buenos-Ayres in dies Café?«

      »Direkt aus Buenos-Ayres in dies Café! Mein Gepäck – wenn ich mein Bündel Gepäck nennen darf – liegt noch auf dem Bahnhof.«

      »Aber Sie sind doch Münchner ...«

      »Gewiß ...«

      »Verzeihen Sie die Neugierde: wo haben Sie in Buenos-Ayres getanzt? In einem Varieté?«

      »Nein, im Spital.«

      »Sie sind kein Berufstänzer?«

      Der junge Mann lachte laut und ernsthaft.

      »Ich war Krankenpfleger. Ich habe den Sterbenden im Spital, ehe sie starben, noch einmal das Leben vorgetanzt.«

      Bartholomäus klopfte sich mit den grauen Glacéhandschuhen nervös und nachdenklich auf die Schenkel.

      »Verzeihen Sie,« sagte er endlich und betonte zögernd und wie ergriffen jedes Wort, »verzeihen Sie, wenn ich noch eine weitere Frage an Sie richte. Ich beginne, Sie als mein Schicksal zu ahnen. (Nicht zufällig trat ich an diesen Tisch ...) Alles, was ich je gedacht habe, das haben Sie getan. Sie sind recht eigentlich der, der mein Leben lebt. Ich denke es nur.– Wie alt sind Sie?«

      »Siebzehn Jahr!« sagte der junge Mann und lächelte. Denn er verstand nicht viel von dem, was Bartholomäus sagte.

      »Siebzehn Jahr!« echote Bartholomäus und versuchte, sich zu verwundern, »siebzehn Jahr! Mit wie viel Jahren sind Sie denn von Hause fort?«

      »Mit vierzehn.«

      »Ausgerückt?«

      »Natürlich!«

      »Und jetzt –?«

      »Bin ich wieder hier!«

      »Sie haben Recht: Sie sind wieder hier. Sie sind überall, wo Sie sind. Aber ich bin zum Beispiel nicht da, wo ich bin. Ich sitze gar nicht hier auf meinem Stuhl.«

      »Wo sind Sie dann, wenn ich fragen darf?« fragte der junge Mann belustigt und ließ seine silbernen Zähne glänzen.

      »Mein Wille sitzt auf Ihrem Stuhl und nur mein Gedanke aß dieses Erdbeereis ... Aber das begreifen

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