Gesammelte Erzählungen von Klabund. Klabund

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Gesammelte Erzählungen von Klabund - Klabund

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braune Geräte, darauf der Wein in goldenen Karaffen steht, und Stühle, darauf zu sitzen und ferner Schiffe zu gedenken in Dämmerung und Seeflut. Wo seid ihr, Schwärme der Schwalben? Und kehrt ihr zurück mit klingenden Fittichen bald, da April den Besen ergriff und warme Winde die Straßen fegen? Schon reiten die Herren Studenten die wandernden Alleen entlang, die Hufe klappern, und höflich schwingen Bauern ihre Hüte.

      Begegnet mir Professor Conz und sagt: Guten Tag, Herr Magister. Daß sie mich nie bei rechtem Namen nennen! Bin ich Magister? Bin ich nicht, bei allen Engeln, Diotima, Engelschönste, bin ich nicht fürstlicher Bibliothekarius? Nie gibt man doch bedeutenden Naturen, was ihnen ziemt und frommt. Professor Conz trug den Homer in der Tasche. Er ließ den weißen Vogel aus seinem Käfig fliegen und rief: Sehen Sie, unser alter Freund! Ich griff nach den Blättern und fing ihn und schlug jene Stelle auf, wo Nausikaa am Torpfosten des Saales steht und elfenbeinern zu Odysseus niederlächelt. Träne auf Träne tropft in die blaue Grotte ihres Herzens. Wir können nichts besseres machen, als was Homer gemacht. Und sind doch 1300 Jahre älter als er. O, sagte Professor Conz, Sie sind bescheiden, und er zitierte einiges aus meiner Elegie an die Natur. Die Menschheit, sagte ich, hat das Reißen bekommen und die Gicht. Und Gicht und Reißen machen unklare Gedanken. Eine Elegie ist nichts weiter als eine Kette unklarer Gedanken, bunt wie Lampions in die verworrenen Nebel einer Frühlingsnacht gehängt.

      Das Wams und die drei paar Strümpfe und die Handschuh, die mir meine Frau Mutter schickte, hab ich erhalten. Oft bringt der Mai noch feuchte Dünste und späten Frost. Ich schriebe gern meiner verehrungswürdigen Frau Mutter, wenn ich wüßte, was ich ihr schreiben sollte. Sie versteht mich leicht nicht mehr. Hat sie mich je verstanden? Sie ist von einer unsicheren und allzuzarten Beweglichkeit, schwankend wie eine silberne Möwe auf stürmischer Rhede. Ich aber wünsche mir eine feste Natur. Ich gehe aus allen Fugen. Musik nur schweißt mich noch zusammen. Dann bin ich ein Akkord und der Herr Kantor spielt mich auf der Orgel, in der Kapelle von Maulbronn. In der Sommerfrühe um sechs schlich er durch Tau und Morgen auf hellen grünen Wegen zu mir und spielte einen Choral, damit er bei Gott in Gnaden stünde.

      Ich esse täglich Trauben. Herr Zimmer bringt sie auf einem Teller, darauf Ranken und erdbeerrote Herzen gemalt sind. Ich denke: wenn jemand dein Herz auf einem solchen Teller malte, von einem schwarzen befiederten Pfeil durchbohrt und einem lateinischen Spruch dazu: per aspera ad astra. Dann müßte man Trauben über mich schütten in italischen Weinbergen oder an den Ufern der Dordogne gepflückt von tanzenden Frauen.

      Herr Zimmer zeigte mir gestern eine Zeichnung von einem dorischen Tempel. Ich glaube nicht, daß Herr Zimmer sie entworfen hat: aber der Zug der Linien und der gleichsam in Stein gemeißelte Traum der Vollendung entlockten mir Tränen.

      Herr Zimmer, sagte ich, möchten Sie statt der Tische, auf denen goldener Wein in Karaffen steht, und statt der Stühle, auf denen man, das Haupt in die Hände gestützt, der gleitenden Schiffe gedenkt, nicht einmal einen Tempel erbauen aus Holz, so klein wie Sie wollen? Damit ich wieder beten darf.

      Beten Sie zu Gott, Herr Hölderlin, sagte Zimmer.

      Aber Gott wohnt in kleinen dorischen Tempeln aus Holz. Herr Zimmer meint, er habe leider keine Zeit für Spielzeuge, er müsse um Brot arbeiten, und wer bezahle ihm einen solchen dorischen Tempel und die nutzlos vertane Zeit? Ich wußte nicht weiter, denn ich habe kein Geld und habe wohl nie welches gehabt.

      Ich suchte nach der Zeichnung mit dem Tempel, betrachtete sie und schrieb mit Blaustift auf ein Brett, das in der Werkstatt herumlag, diese Verse:

      Die Linien des Lebens sind verschieden,

       Wie Wege sind und wie der Berge Grenzen,

       Was hier wir sind, kann dort ein Gott ergänzen

       Mit Harmonien und ewigem Lohn und Frieden.

      *

      Täglich muß ich die verschwundene Gottheit wieder rufen. Wenn ich an große Männer denke in großen Zeiten, wie sie, ein heilig Feuer um sich griffen und alles Tote, Hölzerne, das Stroh der Welt in Flamme verwandelten, die mit ihnen aufflog zum Himmel – ahne ich mich, wie ich oft, ein glimmend Lämpchen, umhergehe und betteln möchte um einen Tropfen Öl, um eine Weile noch die Nacht hindurch zu scheinen ...

      Die Schlachtreihe

       Inhaltsverzeichnis

      Unser Lateinlehrer, der alte Professor Hiltmann, war wie Fontane ein geschworner Feind aller feierlichen und hochtrabenden Phrasen. So konnte er es in den Tod nicht leiden, wenn man nach dem Lexikon acies mit »die Schlachtreihe« statt einfach und simpel mit »das Heer« übersetzte.

      Der Ultimus unserer KIasse war einer derer von Falkenstein, ein herzensguter, aber dummer Junge.

      Jahre gingen ins Land.

      Der Weltkrieg brach aus.

      Hiltmann, als geschworner Feind aller feierlichen und hochtrabenden Phrasen, konnte sich mit ihm nicht befreunden.

      Es tobten die männermordenden Kämpfe vor Verdun. Da erhielt Hiltmann eines Tages eine Feldpostkarte von Falkenstein, der vor Verdun lag. Auf der stand nichts als:

      »Sehr geehrter Herr Professor!

       Acies heißt doch die Schlachtreihe…

       Ergebenster Gruß

       Ihres Falkenstein.«

      Da stützte der alte Hiltmann den weißen Kopf auf sein Stehpult und die Tränen rannen über seine runzeligen Wangen und tropften auf die Korrekturen des lateinischen Extemporale.

      Falkenstein fiel vor Verdun.

      Der Feldherr

       Inhaltsverzeichnis

      »Die menschliche Seele«, sagte der junge bulgarische Offizier, der neben mir bei Tisch saß, »ist um vieles dunkler, doppeldeutiger, unvernünftiger, als uns die Psychologen beweisen und weismachen wollen. Besonders im Kriege, wo jahrtausendalte Hemmungen und Traditionen wie verrostete Riegel von morschen Türen springen, der Weg in unerklärlich helle Höhen und unergründlich grauenvolle Tiefen offen wird, offenbart sie die ganze Unerfaßlichkeit ihrer Gefühls-und Willenskomplexe. Da meinen die Psychologen, weil etwas so ist, muß ein zweites so sein. A folgt aus B und B aus C. Man konstruiert einen Parallelismus der (geistigen) Bewegungen aller Menschen und macht die Psychologie zu einer mechanischen Motivenlehre, die in der Literarhistorik und besonders in der Kriminalistik schon manches Unheil gestiftet hat. Man folgert (ein holperiges Wort im Deutschen: es klingt wie ›stolpern‹) aus Stoff-oder Stilähnlichkeiten zweier Dichtwerke, daß das eine von dem andern beeinflußt sei. Wenn ein Verbrechen verübt und jemand ermordet worden ist: muß das aus dem und dem Grund geschehen sein. Sehr richtig. Aber die Zahl der polizeilich genehmigten und registrierten Motive ist gering: Mord aus Rache, Eifersucht, Erbschleicherei, Raubmord, Lustmord. Man ist bald am Ende. Wie: wenn es bei einzelnen von uns Motive für unsere Handlungen gäbe, die –- unbürgerlich, verwegen und merkwürdig – außerhalb jeder Berechnung stehen? Müßte ein solches Verbrechen bei einigermaßen geschickter Anlage nicht unentdeckt bleiben, da der Dietrich der üblichen Motivenlehre versagt? Diese Erkenntnis (aus der ein Reformversuch unserer Kriminalwissenschaft und unseres Strafrechtes herzuleiten wäre) dämmert gewiß nicht mir zum ersten Male und ist, irre ich nicht, auch

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