Die Herrin und ihr Knecht. Georg Engel
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Читать онлайн книгу Die Herrin und ihr Knecht - Georg Engel страница 6
»Na, na, Hans,« schob hier der Konsul lächelnd ein.
Er dachte daran, daß diese Achtundzwanzigjährige in ihrer kalten, abweisenden Schönheit ein Weib sei, das alle Ansprüche aufgegeben habe zu reizen, zu gefallen und zu bestricken, ein Geschöpf, das in klarer Erkenntnis seiner harten Fron allmählich sich selbst vergessen hatte. Und doch – der schlanke Mann in dem eleganten Promenadenanzug warf unbemerkt einen spähenden Blick auf seine Besucherin – ob wirklich alle Wünsche in diesem stolzen Leib erstorben und verlöscht waren? Und in der vorüberhastenden Minute, während seine Augen, die Frauenschönheit so sehr aufzuspüren verstanden, über den gebeugten Mädchennacken glitten, da gestand sich der reife Mann, daß gerade die starke Neugierde, jenes tief verschlossene Geheimnis zu lösen, ihn so dauernd an das frostige, marmorharte Geschöpf da vor ihm fesselte. Und mit einem gewissen Unwillen empfand er auch, wie schwer und unbequem es sei, sich selbst immer in so respektvoller Entfernung zu halten. Ja, es war sehr schwer, denn er erkannte ganz klar, eine einzige unvorsichtige Andeutung, das Verlassen der unverfänglichen und korrekten Beziehungen mußte die Ahnungslose dort sofort empört und enttäuscht von dannen treiben. Und vor diesen Enthüllungen scheute sich der Frauenkenner. Nein, nein, die großen scharfen Augen der Heroine von Maritzken wollte er nicht im Zorn auf sich gerichtet fühlen. Ohne sich darüber Rechenschaft abzulegen, hegte er eine heimliche und ihn doch quälende Abneigung davor, das Unverdorbene, das Heilig-Jungfräuliche dieses abgeschlossenen Lebens zu stören. So nahm er auch jetzt nur in verborgener Bewunderung die köstliche Weiße ihres Nackens wahr, laut aber sprach er sehr ruhig und überlegt zu der in sich Versunkenen herunter:
»Also, lieber Hans, mir scheint, Sie sehen da wieder etwas zu dunkel. Wenn Sie auf mein Urteil irgendein Gewicht legen, so meine ich, was sich da in der lauschigen Dämmerung des Haselnußhaines abspielte, das waren eben die landläufigen Vorboten einer regelrechten Verlobung. Oder glauben Sie berechtigt zu sein, es anders aufzufassen?«
Auf diese Frage richtete sich Johanna unvermittelt auf und strich sich die spröde Seide über ihrer Brust zurecht. Zum erstenmal lief über ihre immer so schneeigen Wangen ein leichtes Rot.
»Ich weiß nicht,« versetzte sie ungewiß, mit sich selbst kämpfend, »ich will es hoffen, obwohl meine Schwester Marianne – ich spreche zu Ihnen ganz rückhaltslos, lieber Konsul – für meinen Geschmack etwas viel zu Nachgiebiges und Entgegenkommendes besitzt. Aber selbst wenn sich Ihre Ansicht bewahrheitete,« fuhr sie überlegend fort, »dann halte ich es für schicklich, daß sich der junge Offizier zuerst an mich gewendet hätte.«
»Liebe Johanna,« begütigte der Konsul, »Sie klammern sich da an eine etwas altmodische Auffassung.«
»Nun ja, Sie mögen recht haben, ich bin eben mißtrauisch und wittere hinter allen Menschen zuvörderst irgendeine verborgene Absicht. Das Leben hat mich allmählich so geformt. Sie müssen mir das nicht übel deuten, lieber Freund, Ihnen gegenüber fällt das ja alles fort. Und nun die Hauptsache: Glauben Sie wirklich, daß Fritz Harder der geeignete Mann wäre, um eine so dauernd nach Glück und Glanz verlangende Natur wie Marianne befriedigen zu können?«
Der Konsul zuckte die Achseln.
»Gott, Sie werden nicht leugnen,« versetzte er endlich abschätzend, »daß er ein hübscher, flotter Bursche ist und, wie ich annehme, auch ein aussichtsvoller Offizier.«
Die Älteste von Maritzken rückte hastig mit ihrem Stuhl.
»Glauben Sie das wirklich?« entgegnete sie mit wenig überzeugtem Ton. »Das gerade möchte ich bezweifeln. Mir gefallen Männer nicht, die nicht vollkommen von ihrem Beruf ausgefüllt werden. Sehen Sie, was hat sich ein junger Leutnant für schweres Geld einen Flügel zu kaufen, um nun halbe Nächte lang auf ihm herumzuphantasieren? Er komponiert ja auch.«
»Na, Hans,« beruhigte der Konsul, »die Vergnügungen in einer mittleren Garnison sind ja nicht allzu abwechslungsreich. Wenn er sich nur mit dieser Art von Spiel befaßt, so wollen wir ihn deswegen nicht verurteilen.«
Aber die Gutsherrin war nicht so leicht abzuweisen.
»Schön,« gab sie zu, »aber der junge Mensch hat leider überhaupt etwas Dilettierendes. Wie Sie wissen, versucht er sich auch in der Ölmalerei. Er bringt zwar ganz nette Porträts hervor, aber wie sich dies alles mit seinem eigentlichen Beruf vereint, das begreife ich nicht. Und um wahr zu sein, es erregt mir Mißbehagen.«
Hier wagte es der Konsul, der leidenschaftlich Sprechenden begütigend, fast väterlich die Wange zu streicheln. Aber diesmal wurde es von der Besucherin aufgefaßt. Mit einer herben Bewegung schob sie seine Finger zurück. Dann forderte sie noch einmal:
»Teilen Sie meine Bedenken?«
Inzwischen hatte sich der Konsul in seinen Ledersessel niedergelassen, und nachdem er seiner Gewohnheit gemäß mit einem Blick, wie um Rat fragend, das Antlitz des Apostels gestreift, da gab er seine Ansicht klug und jedes Wort wagend, zu erkennen.
»Liebes Kind,« beschwichtigte er, »mit dem Beruf eines Offiziers ist es ein eigen Ding. Wir vergessen immer so leicht, daß alle Mühen und Anstrengungen, die der höhere Militär aufwendet und die in immer strengerem Maße von ihm gefordert werden, kein in die Augen fallendes Ergebnis zeitigen können. Sie sind die einzige Menschenklasse in unserem Staat, die, solang der Friede dauert, nicht den praktischen Beweis von ihrer Leistungsfähigkeit zu erbringen vermag. Man empfindet ihr ganzes Tun und Treiben hie und da bereits als spielerisch und überflüssig. Und dieses Bewußtsein ist es, was viele Soldaten so rastlos nach Dingen greifen heißt, die jenseits ihres Berufes liegen. Sie suchen sich eben auszufüllen. Nein, Johanna,« richtete sich der Konsul plötzlich auf und klopfte ermunternd an die Seitenlehne des anderen Sessels, »daraus wollen wir dem hübschen Bengel keinen Strick drehen. Und daß er sich in die knisternde Schönheit von Marianne vergaffte, Gott –« der Kaufmann zuckte die Achseln – »dieses Los teilt er gewiß mit manchem jugendlichen Schwärmer und außerdem, es läßt keinen üblen Rückschluß auf seine Uneigennützigkeit zu.«
Bei diesem letzten Wort glitt ein kaltes Lächeln um die Lippen des Gutsfräuleins. Sie hob ihren Schleier noch etwas mehr, und die blauen festen Augen suchten scharf und bindend den Blick ihres Beraters. Der Konsul rückte ein wenig ungemütlich hin und her.
»Ah, Sie meinen,« nahm die Älteste von Maritzken das Wort des Gefährten auf, »Sie meinen, daß der junge Mann Lob und Anerkennung verdiene, weil er sich zu der Angehörigen einer unbegüterten Familie herabläßt, die ihren Töchtern keine Mitgift auszusetzen vermag?«
»Hans, Hans,« mahnte hier der Konsul und hob dämpfend die Hand.
Aber die hohe Blonde fuhr fort: »Ja, ja, man spricht ja so etwas Ähnliches sowohl in der Stadt, wie in der Umgegend. Und es ist mir ganz recht,« bestätigte sie sehr ernsthaft, und jener rechnende Schein spielte von neuem aus ihrem weißen Antlitz, »es ist mir ganz recht, wenn sich keine Mitgiftjäger um meine Schwestern bemühen, denn ich kann das Vermögen, das ich uns in achtjähriger Arbeit erworben, noch sehr gut in meinem landwirtschaftlichen Betriebe gebrauchen. Sie aber, lieber Konsul, Sie sind ja der einzige, der genau darüber orientiert ist, wie wenig alle diese Gerüchte der Wahrheit entsprechen. Ja, es ist richtig,« sprach sie immer heftiger weiter, »ich habe die zwei großen väterlichen Güter damals in der schweren Zeit aufgeben müssen. Oder besser gesagt, ich habe sie auf Ihren Rat mit Gewalt zur Versteigerung getrieben. Aber das letzte, auf dem ich mich festgesetzt hatte, um mich nicht mehr davon vertreiben zu lassen, unser Maritzken, dieses Stück Erde, halb Bauernhof, halb Rittergut, das ist doch mit Ihrer Hilfe so bewirtschaftet worden, daß es sich sehen lassen kann. Und die Summen, die ich hier bereits bei Ihnen ablieferte, würden immerhin für