Mami Bestseller Staffel 1 – Familienroman. Marianne Schwarz
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»Ich verstehe nicht, dass Irene sich mir gegenüber so abweisend verhält«, klagte sie und schaute ihren Ex-Mann an, als wäre er an diesem Zustand schuld. »Ich gebe mir so viel Mühe mit der Kleinen. Und was macht sie? Sie jammert nach ihrer Tante Gitta und hat kein Interesse für ihre Mutter.«
»Wie kann sie das denn haben?«, entgegnete er unwillig. »Du bist doch sonst so schlau und müsstest wissen, dass Liebe und Vertrauen nicht zwangsläufig da sind. Du hast sie zwar geboren, aber ihre eigentliche Mutter ist inzwischen Gitta geworden.«
»Und was bedeutet dir diese Frau?«
»Ich … mag sie sehr und … wollte sie … heiraten.«
»Und jetzt nicht mehr?«
»Ich weiß es nicht. Für Reni wäre es das Beste – und für mich – eigentlich auch. Versteh mich richtig, du bist eine kluge, sehr hübsche und tolle Frau, und du bist mir nicht gleichgültig. Aber eine Mutter im eigentlichen Sinne bist du nicht. Die wirst du auch nicht, weil du viel zu sehr mit dir selbst und deinem Beruf beschäftigt bist. Reni spürt das, und deshalb lehnt sie dich ab.«
Evelin schob enttäuscht die Unterlippe vor, wie ein Kind, das weinen will, und antwortete nicht. Erst nach einer Weile murmelte sie: »Und ich habe gedacht, sie freut sich, wenn ich mit ihr einkaufen gehe und wird begeistert sein …«
Als sie verzagt schwieg, ergänzte Henrik mit bitterem Spott: »Ich weiß, du wolltest für ein paar Tage die gute Fee aus dem Märchenbuch spielen und hast uns eine Welt schmackhaft machen wollen, die nicht die unsere ist.«
»Ich will nicht spielen, ich meine es ehrlich.«
Er schüttelte traurig den Kopf. »Sicher meinst du es ehrlich, bis du wieder etwas anderes willst. So war es doch schon immer.«
»Und was soll nun werden?«, fragte sie geknickt.
Er trank seinen Kaffee langsam aus, um Zeit zu gewinnen, um nicht gleich die Antwort geben zu müssen, die ihm schwerfiel. Aber sie musste sein. Evelin war zwar charmant und eine wundervolle Geliebte und in dieser Hinsicht einfach einsame Spitze, aber keine Frau für den Alltag. Ja, sie konnte ihn schon verwöhnen, das hatte sie ja immer schon gekonnt. Das war aber auch schon alles und leider keine Basis für eine gute Ehe. Und mit dem Kind konnte sie gar nicht umgehen und nahm an, mit hübschen Kleidchen und allerhand Glitzerkram Mutterliebe ersetzen zu können.
»Deine Welt ist nicht unsere Welt«, sagte er schließlich. »Du kannst auch sehr gut ohne uns leben, aber Reni braucht eine Mutter, die immer für sie da ist. Und diese Mutter ist Gitta. Daran möchte ich nichts ändern, das würde Reni auch nur krank machen. Und letztendlich würdest du auch nie genug Zeit für sie haben.«
»Wir könnten uns eine Kinderfrau leisten.«
»Nein«, entgegnete er hart. »So etwas kommt gar nicht infrage. Ich weiß nicht, was dich dazu bewogen hat, uns zu besuchen, aber besonders gut war dieser Entschluss nicht. Und wenn du unsere Tochter nicht in einen Konflikt bringen willst, dann bleibe für sie eine nette Tante, die sich ab und zu mal sehen lässt.«
»Ich bin immer so allein in München«, gestand sie kleinlaut. »Da dachte ich …«
»Da dachtest du, der Henrik wirft alles hin, was er sich hier aufgebaut hat, verlässt Freundin und Oma, nimmt das Kind und kommt zu dir nach München. Nein, so geht das nicht. Das ist mir inzwischen klar geworden.«
»Aber wir lieben uns doch noch.«
»Nein«, stellte er richtig. »Wir begehren uns nur. Wenn es mehr wäre, hättest du nachgedacht und würdest dir hier eine Stellung suchen, damit du Beruf und Familie miteinander vereinbaren kannst. Doch das willst du ja gar nicht. Ich soll alles aufgeben, kann mich demzufolge auch kaum noch um meine Großmutter kümmern, die mich aufgezogen hat. Und Reni soll von einer Kinderfrau betreut werden.«
Evelin ging auf die alte Frau nicht ein, sie erwiderte nur: »Andere Ehepaare halten sich auch ein Kindermädchen. Daran ist nichts Schlimmes.«
»Was andere Ehepaare machen, interessiert mich nicht. Und ich werde hier auf keinen Fall wegziehen.«
Evelin wurde bewusst, dass ihre sehr spontanen Zukunftspläne mit Mann und Kind der Wirklichkeit nicht standhielten. Natürlich hatte sie ihre Tochter gern, Henrik auch, aber sie konnte sich nicht vorstellen, mit Ausnahme von leidenschaftlichen Liebesstunden zum Familienleben beizutragen.
»Du hast recht«, entgegnete sie leise und erhob sich. »Mit uns, das wird nichts mehr, auch wenn diese Nächte wundervoll waren. Unsere Auffassungen von einem erfüllten Leben sind doch zu verschieden. Und da ich morgen schon ziemlich früh abreise, werde ich mich jetzt verabschieden.«
Er hielt sie nicht zurück, nahm sie aber noch einmal fest in die Arme, küsste sie lange und schien sich nun doch nicht von ihr trennen zu können.
Dass sie dabei von ihrer Tochter beobachtet wurden, bemerkten sie beide nicht.
*
Reni war schnell wieder zu ihrem Zimmer gelaufen, hatte sich auf ihr Bett geworfen und das Gesicht ins Kissen gedrückt. Vollkommen verstört schluchzte sie leise, denn immerhin verstand sie schon, dass ihr Papa wohl auch noch eine andere Frau lieb hatte, nicht nur ihre Tante Gitta. Aber vielleicht kam die auch gar nicht wieder. Vielleicht blieb die andere nun für immer hier.
Jetzt sprachen sie miteinander, kamen herein, und Reni hörte, wie der Vater halblaut sagte: »Sie schläft, und das ist auch gut so.«
Die beiden entfernten sich, und dann war alles still.
Die Kleine blieb jedoch in ihrem Bett liegen, ihre Lieblingspuppe fest an sich gedrückt. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander wie aufgescheuchte Vögel, bis sie nach einer Weile wirklich einschlief.
Henrik hatte unterdessen die Spuren von Evelins Aufenthalt beseitigt, hatte aufgeräumt, die Betten neu bezogen und die Wäsche gleich in die Waschmaschine befördert. Anschließend hatte er geduscht und seine Wohlfühlklamotten übergestreift.
Danach ging er zum Kinderzimmer, um nachzusehen, ob sein Kind inzwischen ausgeschlafen hatte. Es war wieder wach, saß aber noch auf dem Bett, musterte den Vater mit bösen Blicken und fragte argwöhnisch: »Ist die olle Tante endlich wieder weg?«
»Deine Mutter ist abgereist. Ich soll dir herzliche Grüße bestellen.« Er setzte sich neben sie und wollte sie auf seinen Schoß nehmen, doch sie strebte von ihm fort und rief: »Wann kommt Tante Gitta wieder? Ich vermisse sie schon so sehr.«
»Ich weiß es nicht, aber bestimmt bald«, versuchte er, seine aufgeregte Tochter zu beruhigen. »Und morgen machen wir drei uns einen schönen Tag, gehen Eis essen und Enten füttern.«
Reni antwortete nicht sofort, sie zupfte an ihrer Puppe herum und stieß schließlich entrüstet hervor: »Ich hab gesehen, wie du die geküsst hast, so wie im Fernsehen und gaanz lange.«
»Das …, das … war nur … zum Abschied«, stotterte er sichtlich verlegen und fühlte sich wie kalt erwischt. »Das hat gar nichts zu … bedeuten.«
»Tante Gitta! Tante Gitta!« Das kleine Mädchen beachtete