Perry Rhodan Neo Paket 1: Vision Terrania. Hubert Haensel

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Perry Rhodan Neo Paket 1: Vision Terrania - Hubert Haensel Perry Rhodan Neo Paket

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Sie war nahezu übermächtig, trieb Marshall Tränen in die Augenwinkel. Und sie war unmissverständlich: Fand er nicht rasch eine Lösung, würde es zu einem Totschlag kommen.

      »Gib es wieder her, Damon!«

      »Ich habe dein bescheuertes Amulett nicht!«

      »Lügner!«

      Tyler schnellte vor. Sein rechter Arm zuckte nach vorne. Damon wollte ausweichen, aber es misslang. Die Klinge traf seinen Oberarm, schnitt in das Fleisch.

      Es war, als hätte die Klinge auch Marshall getroffen. Er stöhnte auf, seine rechte Hand fuhr an den Oberarm, in den sich der Schmerz einbrannte, tastete über die Wunde, die keine war. Wut stieg in Marshall auf. Tylers Wut über den Verlust seines Glücksbringers. Damons Wut auf seinen Bruder, der ihn zu Unrecht beschuldigte, der ihn verletzt hatte. Schließlich war da Marshalls eigene Wut, der nur das Beste für die Kinder wollte und an ihnen und seinem Vorhaben verzweifelte.

      Marshalls Wahrnehmung verschwamm. Das Gejohle der Kinder wurde zu einem Hintergrundgeräusch, ähnlich wie das Brummen des Verkehrs des Southwest Freeways, der im Süden des Shelters verlief. Sues besorgter Aufschrei kam aus weiter Ferne, als wäre er ein Echo. Die Welt drehte sich plötzlich um Marshall, schneller und schneller und ...

      ... und plötzlich hielt sie an. Marshall fand sich an einem anderen Ort wieder. Eine Halle, ein Dutzend Werkbänke, der Duft von Schmieröl. Die Werkstatt des Shelters.

      Marshall war Tyler.

      Der andere Tyler. Der Junge, der in seiner Arbeit aufging. Stundenlang selbstversunken die herrenlosen Fahrräder reparierte, die einmal die Woche ein Laster der Stadtverwaltung zum Shelter brachte.

      Er, Tyler, beugte sich über eine Felge. Ein gezielter Fußtritt hatte sie verbogen. Er, Tyler, spürte den Schmerz, der in dem Aluminium eingefangen war. Vorsichtig löste er das Rad aus der Gabel. Es klemmte. Er beugte sich vor, griff die Enden der Achse mit beiden Händen und zog. Sie klemmte. Er zog ein zweites Mal. Stärker.

      Er bemerkte nicht, wie die lederne Schnur, an der sein Amulett hing, sich in dem Haken verfing, der dazu diente, Fahrradrahmen in die passende Höhe zu ziehen. Er bemerkte nicht, dass mit demselben Ruck, der das Rad aus der Gabel löste, die lederne Schnur riss. Dass das Amulett fiel, zwischen die rostigen Ausschussteile rutschte, die sich neben ihm auftürmten ...

      Marshall riss die Augen auf, kehrte zurück in den Saal. »Tyler!«

      Etwas in seiner Stimme ließ den Jungen aufhorchen.

      »Tyler, einen Augenblick! Ja?«

      Der Junge sagte nichts. Aber er blieb stehen, versuchte nicht, seinen blutenden Bruder zu überwältigen.

      Marshall drehte sich um, ging in die Knie, um auf Augenhöhe mit Sue zu sein. »Geh in die Werkstatt!«, flüsterte er ihr zu. »Die Ausschussteile an Tylers Platz. Sein Amulett ist unter den Teilen!«

      »Woher ... woher willst du das wissen?«

      »Ich weiß es einfach. Und jetzt los! Renn!«

      Sue rannte los. Lange Minuten vergingen. Die Kinder waren still. Manche starrten Marshall oder die Zwillinge unverhohlen an. Andere ließen den Blick unruhig wandern, als könnten sie sich nicht entscheiden, wo das eigentliche Geschehen war.

      Damon und Tyler belauerten einander. Damon versuchte so zu tun, als kümmere ihn die Wunde nicht, aus der große schwere Tropfen zu Boden fielen und sich beim Aufprall in unzählige Tröpfchen spalteten. Tyler versuchte so zu tun, als wäre ihm egal, was Marshall aufzubieten hatte.

      Und Marshall tat so, als sei er seiner Sache sicher. Als frage er sich nicht, ob er in seiner Verzweiflung den Verstand verloren hätte, sich Dinge einbildete, die unmöglich waren.

      Endlich kam Sue zurück. »Ich hab es! Ich hab es!« Ihre Stimme kam vom Flur. Sue hatte das ganze Haus durchqueren müssen, um zur Werkstatt und zurück zu gelangen. Gleich darauf platzte das Mädchen in den Saal, keuchend, den gesunden Arm in die Höhe gereckt, in der Hand das Amulett.

      »Ich hab es, Tyler! Dein Amulett! Es war in der Werkstatt! Du musst es dort verloren haben, ohne dass du es bemerkt hast.«

      Sie rannte zu dem Jungen, der doppelt so groß und schwer wie sie selbst war, und hielt es ihm hin. Den gesunden, dünnen Arm ganz ausgestreckt, zur Flucht bereit, wie es ihrem ängstlichen Naturell entsprach.

      Tyler nahm das Amulett vorsichtig aus ihrer geöffneten Hand, als handele es sich um einen unermesslich wertvollen Schatz. Dann, als ihm aufging, dass der gesamte Shelter ihm zusah, in sein Innerstes blickte, steckte er den Christophorus rasch in die Hosentasche und klappte lässig die Klinge des Messers ein. Er murmelte etwas, das keiner verstand, und ging durch die Öffnung, die sich für ihn im Kreis bildete.

      Sein Bruder klappte seinerseits die Klinge des Messers ein und ging – in die entgegengesetzte Richtung.

      »Geschafft!« Sue hüpfte freudig auf Marshall zu. »Woher hast du das gewu...«

      »Wieso hast du so lange gebraucht?«, unterbrach John sie. »War das Amulett nicht dort, wo ich es dir gesagt habe?«

      »Doch, aber ...«, ihre Augen weiteten sich vor Schreck, als ihr etwas einfiel, »... aber ich musste an die Tür. Keiner hat das Klingeln gehört.«

      »Und wennschon. Das hier war wichtiger.«

      »Klar ...«, sie nickte eifrig – und schüttelte anschließend den Kopf, »... nein ... überhaupt nicht!«

      »Wieso?«

      »Da ist ein Mann in einem Anzug an der Tür. Er hat mir einen seltsamen Ausweis gezeigt. Er will dich sprechen, John!«

      »John Marshall?«

      Der Mann an der Tür war schlank und jung. Keine dreißig, schätzte John. Sein altmodisch geschnittener Anzug wollte nicht zu ihm passen. Marshall war an einen Vertreter erinnert, wie sie sich einige Male im Jahr im Irrglauben zum Shelter verirrten, man könnte dort ein Geschäft machen. Aber dieser Mann war seiner Sache zu sicher, um ein Vertreter zu sein.

      »Ja, der bin ich.«

      »Gut.« Der Mann nickte. John sah über seine Schultern hinweg. Drei Häuserruinen weiter parkte ein grauer Chevrolet Volt. Er musste dem Mann gehören. Es war lange her, dass jemand so mutig oder verrückt gewesen war, in der Straße zu parken. Die Gangs in Sugar Land lauerten nur auf leichte Beute.

      Der Mann holte einen Ausweis aus der Tasche seines Jacketts und hielt ihn Marshall in Augenhöhe hin. Homeland Security. »Agent Moreno. Darf ich einen Moment reinkommen?«

      »Selbstverständlich.« Marshall musste sich zwingen, den Weg freizugeben.

      »Ihr Haus?« Der Agent blieb im Foyer stehen. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und sah sich die Stuckverzierungen an der Decke an.

      »Ja.«

      »Charmant, diese alten Kästen. Aber im Winter die Heizkosten. Und immer etwas zu reparieren. Sie fressen einen förmlich auf, was?«

      »Das kann man wohl sagen.«

      Was wollte der Agent? Marshall war Behördenbesuche gewohnt. Kaum eine

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