Perry Rhodan Neo Paket 1: Vision Terrania. Hubert Haensel

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Perry Rhodan Neo Paket 1: Vision Terrania - Hubert Haensel Perry Rhodan Neo Paket

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die Chancen, dass Pounder die STARDUST je wieder erblicken würde, standen gleich null.

      6.

      »John! Sie bringen sich um!«

      Sue stieß ohne anzuklopfen die Tür zu John Marshalls Zimmer auf und verstieß damit gegen eine der wichtigsten Regeln des Pain Shelter. Sue, der Regeln heilig waren.

      John fuhr auf dem Stuhl herum. Die Gelenke des Stuhls quietschten laut. »Wer bringt wen um?«

      »Damon und Tyler!«, rief Sue. Sie keuchte. Das Mädchen war zerbrechlich und flink zugleich. Die kleinste Anstrengung brachte ihren Puls zum Rasen.

      »Wieso?«

      »Keine Ahnung! Sie kriegen die Klappe nicht auf. Komm schnell, John, bitte!«

      Sie rannte hinaus.

      John stand auf, wenn auch widerwillig. Es fiel ihm schwer, sich vom Display loszureißen. Seit seiner Rückkehr von Nevada Fields in der Nacht surfte er pausenlos im Netz, auf der verzweifelten Suche nach einem Hinweis auf Sid. Mehr blieb ihm nicht. Der Pod Sids war offline.

      Sid, der auf unerklärliche Weise verschwunden gewesen war, als Marshall im Lazarett von Nevada Fields wieder aus der Bewusstlosigkeit erwachte, geplagt von Visionen von knochenbleichen Felsen und einer riesigen Kugel aus Stahl. Einer Vision, die ihm ein Rätsel war und ihn verstörte. Was er vor seinem geistigen Auge gesehen hatte, war wichtig. Überragend wichtig. Marshall spürte es. Er hatte nur nicht die geringste Ahnung, in welcher Weise.

      Er schob die Gedanken an die Vision zur Seite. Es gab Dringenderes. Sid. Was war mit ihm geschehen?

      Marshall hatte sich selbst eine Frist gesetzt: bis Mitternacht. Dann würde er die Polizei benachrichtigen. Obwohl er sich wie ein Verräter an Sid vorkam. Sid hatte Angst vor der Polizei, wie beinahe alle Kinder im Shelter.

      »John! Wo bleibst du?« Sue stand wieder im Türrahmen.

      Marshall gab sich einen Ruck und rannte die breite, aber knarrende Treppe des Shelters hinunter, so schnell er konnte. Sue rannte voraus. Sie war flinker als er, hängte ihn rasch ab.

      Es machte nichts. Gejohle kam aus dem Essenssaal im Erdgeschoss, wies ihm den Weg.

      Die Kinder hatten die Tische und Bänke zur Seite geschoben, eine freie Fläche in der Mitte des Saals geschaffen. Sie standen dicht an dicht beieinander, bildeten einen Kreis. Ausnahmslos, stellte Marshall mit einem geübten Blick fest. Sie waren aus ihren Zimmern gekommen, aus der Werkstatt, aus der Küche, aus dem Garten hinter dem Haus.

      »Was ist hier los?«, rief Marshall.

      Marshall hob niemals die Stimme, geschweige denn, dass er gebrüllt hätte. Aus gutem Grund: Er sparte sich die laute Tonlage für Gelegenheiten wie diese auf. Wenn es um alles ging.

      Im Kreis der Kinder entstand eine Lücke, breit genug für Marshall und Sue, die einen Schritt schräg hinter ihm stehenblieb. Sue wusste zu gut um ihre Zerbrechlichkeit, um ein unnötiges Risiko einzugehen. Sie hatte ihren Armstumpf aus dem Ärmel gezogen, drückte ihn unter dem T-Shirt eng an den Körper, als handle es sich dabei um ein unsagbar wertvolles, zerbrechliches Gut.

      Zwei Schwarze standen in der Mitte des Kreises. Sie waren muskulös, einen Kopf größer noch als Marshall, der als hochgewachsen galt. Die beiden Schwarzen umkreisten einander breitbeinig und federnd, zum Sprung bereit. Sie belauerten einander, suchten nach der Gelegenheit zuzustechen. In den Händen hielten sie Messer.

      Sie wirkten wie Spiegelbilder.

      Damon und Tyler. Die Zwillinge. Eben fünfzehn geworden; Kinder, die in den Körpern von Erwachsenen steckten.

      Die Zwillinge schenkten Marshall keine Beachtung. Sie waren ganz aufeinander fixiert. Und sie wussten, dass sie stärker waren als Marshall. Er konnte sie nicht daran hindern, einander umzubringen.

      Sue lag Marshall schon lange in den Ohren, Damon und Tyler aus dem Shelter zu werfen. Das Mädchen, das im Körper eines Kleinkinds steckte, vor fünfzehn Jahren geboren und auf der Straße lange vor ihrer Zeit gereift, hatte Angst vor den Zwillingen, die sich an keine Regeln hielten und immer drauf und dran waren zuzuschlagen.

      Sie brachten Unruhe in den Shelter. Tickende Zeitbomben, hatte Sue ihn gewarnt. Damon und Tyler hätten ein Versteck. Sue wusste nicht, wofür. Die Zwillinge horteten etwas, wahrscheinlich Drogen.

      Marshall hatte die Jungen trotzdem im Shelter behalten. Draußen hätten Damon und Tyler kein halbes Jahr überlebt. Die Gangs in Sugar Land warteten auf Jungs wie sie. Perfekte Rekruten. Innerhalb von zwei Wochen hätte man sie zu Dealern gemacht, innerhalb von drei Monaten zu Killern – und danach war es nur eine Frage der Zeit, bis ein anderer Killer schneller war als sie.

      Marshall wollte ihren Tod nicht auf dem Gewissen haben. Er glaubte, dass in den Zwillingen Gutes steckte. Irgendwo, tief verschüttet, doch es existierte. Er musste ihnen nur die Chance geben, es zu entdecken.

      »Ich habe gefragt, was hier los ist!«, wiederholte Marshall.

      Keine Antwort.

      Sue zupfte an seinem Hemd. Marshall folgte der Richtung, die ihr Blick ihm vorgab.

      Tylers Hals. Er war nackt. Der Glücksbringer fehlte.

      »Wo ist dein Amulett, Tyler?«, fragte Marshall.

      Diesmal reagierte der Junge. »Er hat es gestohlen!« Tyler blickte seinen Bruder aus vor Wut sprühenden Augen an, zeigte mit der Klinge des Messers auf ihn.

      Das Amulett war Tylers wichtigster Besitz auf der Welt. Der Heilige Christophorus, der das Jesuskind über den Fluss trägt. Billiger Plastiktand, von dem die Farbe abblätterte. Tyler hatte es in einer Mülltonne gefunden, lange bevor er in den Shelter gelangt war. Der Heilige, glaubte der Junge, war an seiner Seite, geleitete und schützte ihn.

      Ein unsinniger Glaube in Marshalls Augen, der weder an Heilige noch an Götter glaubte. Aber weit verbreitet. Jedes der Kinder hatte irgendetwas: ein Amulett, einen Ring, eine Hasenpfote, eine alte Münze, an dem es sich festhielt. Oder, wie Sid mit der Raumfahrt, eine fixe Idee.

      »Er lügt!«, schrie Damon. »Ich habe seinen blöden Heiligen nicht!«

      »Du hast ihn! Er ist weg!«

      »Wieso glaubst du, dass dein Bruder das Amulett gestohlen hat?«, schaltete sich Marshall ein. Die Zwillinge hatten ihr Schweigen gebrochen. Jetzt musste er sie am Reden halten. »Tyler, kann es nicht sein, dass du dein Amulett verlegt hast?«

      »Ich lege es nie ab!«

      »Und jetzt ist es verschwunden, das macht dir Sorge«, schloss Marshall. »Das verstehe ich. Aber wie kommst du darauf, dass ausgerechnet dein Bruder es dir gestohlen hat?«

      »Weil er neidisch auf mein Amulett ist! Schon immer!«

      »Bin ich nicht!«, schrie Damon.

      Hätte John Marshall die Augen geschlossen, er hätte geglaubt, zwei Schüler vor sich zu haben, die sich über ein verlorenes Sammelbild stritten. Doch das hier war keine Kleinigkeit. Marshall konzentrierte sich, horchte in sich hinein. Er spürte die Verletzungen

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