Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth. Ödön von Horváth
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Читать онлайн книгу Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth - Ödön von Horváth страница 4
ZWEITER AKT
Mohrengasse. Von links nach rechts: Ein geschlossener Laden mit Schildaufschrift: Diamanten. Gold. Simon Kohn. Kauf. Verkauf. Eine schmale Hoteltüre, die in einen matt erleuchteten Korridor mündet. Vor dem ersten Stocke halbkreisförmig trübelektrische Buchstaben: Hotel. Eine Bar. Hinter der schmutzigen Fensterscheibe, auf der ein altes Plakat klebt, geigt ein Schatten. Man hört aber keine Musik. Es ist Nacht und still.
Drei Dirnen, zwei rechts, eine links vor dem Laden; horchen.
ERSTE
Klopf nochmal.
ZWEITE
klopft an den Laden.
EIN VERWACHSENER
tritt aus der Bar und läßt die Türe offen; gedämpft Musik: Wie lange –
ERSTE
unterbricht ihn: Pst! Schließ die Türe!
Verwachsener schließt sie und horcht. Stille.
ZWEITE
Niemand. Er ist nicht zuhause.
VERWACHSENER
Wie lange wollt ihr noch warten? Versetzt. Ich sags.
ZWEITE
nähert sich den anderen: Das tat er noch nie. Der alte Schuft!
DRITTE
Vielleicht ist etwas geschehen.
ERSTE
Was denn?
DRITTE
Man kann nie wissen.
ZWEITE
Pah!
Stille.
ERSTE
Ich weiß nur: hab kalte Füße und kann kaum mehr stehen. Und nun kommt so nichts mehr.
VERWACHSENER
sieht auf die Uhr: Was Richtiges sicher nicht.
ZWEITE
Still! Es kommt wer.
Verwachsener verschwindet in der Bar. Die Drei stellen sich bereit, verstellen die Gasse. Die Altmodische gekleidet nach der Mode vor fünfundzwanzig Jahren und dichtverschleiert; kommt von links und bleibt vor der Hoteltüre stehen. Die Drei beobachteten sie, sehen sich nun an – Eine seufzt boshaft – kichern und eilen in die Bar. Ein Polizist erscheint rechts und sieht sich um. Die Altmodische klebt regungslos an der Wand.
POLIZIST
erblickt sie; hält langsam auf sie zu; leise: Ihre Papiere. Seit wann sind Sie hier?
ALTMODISCHE
kramt geziert umständlich ihren Ausweis hervor; gefällig: Seit heute, mein Herr.
POLIZIST
gutmütig: Sie sollen sich aber nicht so auffallend anziehen. Das ist verboten.
ALTMODISCHE
Auffallend?! Ein einfaches Straßenkleid!
POLIZIST
lächelt: Aus Urgroßmutters Zeiten.
ALTMODISCHE
Ich habe kein anderes.
POLIZIST
Das gibt es doch gar nicht! Er blickt in ihre Papiere. Der Schein. Stimmt. Er blättert; mechanisch. Gestern entlassen? Aus welcher Strafanstalt?
ALTMODISCHE
Sankt Lazarus.
Polizist horcht auf; liest. Altmodische wird unruhig. Wenzel von rechts; will nach links; erblickt den Polizisten, zögert und bleibt vor dem alten Plakate am Barfenster stehen, als würd er lesen.
POLIZIST
spricht nun noch leiser: Also: zweiundzwanzig Jahre waren Sie dort. Und: weshalb?
ALTMODISCHE
Das muß ich nicht sagen. Bin begnadigt.
POLIZIST
Das tut nichts zur Sache! Ich muß wissen wen ich im Revier habe.
ALTMODISCHE
tonlos: Aufforderung zum Mord.
POLIZIST
Den Schleier. Lüften. Altmodische hebt ihn, ein maskenhaft leeres Antlitz umrahmen grauweiße Haare. Weicht etwas zurück; vergleicht rasch. Es ist schon gut. Und: die Vorschrift kennen Sie ja. Er geht an Wenzel vorbei nach rechts ab. Wenzel ohne Blick für die Altmodische langsam nach links ab. Altmodische allein; lehnt den Kopf an die Wand und wimmert; verstummt und horcht; rafft sich verschleiert empor. Ein Eisenbahner von linksher mit seinem Weibe.
WEIB
leise: Ich weiß du liebst mich nicht mehr.
EISENBAHNER
blickt nach der Altmodischen: Quatsch doch nicht immer solch Zeug!
WEIB
dumpf: Es ist schon so. Wirst schon sehen –
EISENBAHNER
lächelt: Willst mich vergiften? Dummes Ding – Wart, hol nur Zigaretten. Ab in die Bar.
Weib sieht sich scheu um. Altmodische glotzt sie an. Wenzel kommt langsam wieder von linksher. Weib rasch an die Bartüre; will hinein, doch –
EISENBAHNER
tritt soeben heraus; Zigarette im Mundwinkel. Was hast du denn schon wieder?
WEIB
Angst. Komm – Laß mich nur nicht allein.
EISENBAHNER
Ja, wer das könnte.
WEIB
Will