Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth. Ödön von Horváth
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Читать онлайн книгу Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth - Ödön von Horváth страница 5
gähnt: Bin auch müde. Der ewige Dienst – Ab mit ihr nach rechts. Wenzel steht nun wieder vor dem Plakate.
ALTMODISCHE
nähert sich ihm: Pst! Hören Sie –
WENZEL
unterbricht sie: Nein.
Stille.
ALTMODISCHE
Wollen Sie kein liebes Frauchen?
Wenzel schweigt. Neben ihm; liest laut das Plakat. Wohltätigkeitsfest. Unter dem Protektorate Ihrer Hoheit. Tombola und Tanzturnier. Bazar. Montag am zweiten – Das war doch schon.
WENZEL
Ja.
ALTMODISCHE
Und trotzdem lernen Sies auswendig?
WENZEL
Ja.
ALTMODISCHE
Nein. Sie schauen in den Spiegel. Das soll man nie in der Finsternis: man wird verrückt oder sieht den Satanas neben sich.
WENZEL
Ich sehe Sie.
ALTMODISCHE
Und ich Sie. Wir gehören zusammen.
WENZEL
Jawohl.
ALTMODISCHE
Also: wollen wir nichts unternehmen?
WENZEL
Ich hab kein Geld.
ALTMODISCHE
Ich noch weniger. Das Leben ist zu teuer für die kleinen Frauen.
WENZEL
wendet sich ihr zu: Hören Sie: Sie werden sich doch etwas erspart haben: in zweiundzwanzig Jahren.
ALTMODISCHE
prallt zurück: Woher wissen Sie das?
WENZEL
Zufällig. Zuvor. Verzeihen Sie mir, daß ich es hörte.
ALTMODISCHE
Nichts wissen Sie!
WENZEL
Wieso?
ALTMODISCHE
Du kannst umsonst! Wann du willst – nur wissen Sie nichts! Wissen Sie nichts!
Wenzel lacht irr. Ein Sechzehnjähriger blaß hochaufgeschossen; erscheint links und bleibt unschlüssig stehen.
WENZEL
zum Sechzehnjährigen: Nach Ihnen! Umsonst –
ALTMODISCHE
Bist verrückt?!
WENZEL
Herr! kauen Sie nicht an den Fingernägeln! Spucken Sie aus und treten Sie näher! Es kostet nur das Zimmer!
ALTMODISCHE
zischt: Ich bete für dich.
WENZEL
Nur Wohltätigkeit! Unter meinem Protektorate!
ALTMODISCHE
zum Sechzehnjährigen: Komm! So komm! Es ist doch umsonst! Ab ins Hotel. Sechzehnjähriger folgt ihr verschüchtert.
WENZEL
Fahrwohl! Auch ich war ein Jüngling mit lockigem Haar. Sentimental und mit Pickeln im Gesicht. Gute alte Zeit! Der Tisch, der Tisch – ich werde verrückt, verrückt! Er preßt die Stirne an das Barfenster. Siehst du den Satanas? Nur dich selbst! Kein Teufel, da kein lieber Gott! Nur zwei Augen, Nase, Mund, eine Stirne, niemals zwei, ein Hut um sechsfünfzig und die Gnade nur selten von der Wahrheit besucht zu werden. Das ist alles. Oder nichts. Bist erkannt du Dreck! Erkannt! – Doch ich will nicht mit Trauerfahnen jubilieren.
Ein Hotelfenster wird hell. Sieht empor. Hm. Jetzt betritt er das Zimmer. Kostet zwei Mark. Teuer. Und billig. Jetzt zieht sie den Vorhang vor – bald leckt das Mysterium hündisch vier Sohlen. Und unerschöpflich strömt die Latrine der Ewigkeit über die Planetensysteme. Wir sind der Dung. Wie seelisch unser Tun blüht! Er lächelt irr; starrt dann vor sich hin. Alles ist hohl und leer. Die Häuser riechen nach Leichen und Sauerkraut. Man sollte sich selber erbrechen können. – Alles ist tot.
Stille; dann geht er langsam an den Laden und liest. Diamanten. Gold. Kauf. Verkauf. Simon Kohn – Kennt ihr Simon Kohn? Der tat nur kaufen und verkaufen: Splitter und Staub aus Afrika. Und tat es unters Kopfkissen und überall glitzerte das Falsche. Die Imitation – Er spricht unterdrückt in den Laden hinein. Herr Kohn. Lassen Sie mit sich reden. Ruhig reden. Ich irrte. Reden, Herr Kohn! Wollte ja alles anders, immer alles anders! Wollte doch nur einbrechen, den Schmuck stehlen, ich schwöre: wollte nur stehlen! Hören Sie mich? Stehen Sie doch wieder auf, liegen ja unterm Pult! Setzen Sie sich wieder! Und nehmen Sie Stock und Hut! Stehen Sie auf, auf – Er trommelt an den Laden.
SIMON KOHN
mit Hut und Rohrstöckchen; erscheint links und tippt mit dem Stöckchen auf Wenzels Schulter. Fährt um. Herr Kohn!
KOHN
Leise, junger Mann, leise. Wir vertragen den Lärm nicht. – Sie haben sich geirrt? Haben die Imitation mitgenommen?
WENZEL
reicht ihm ein Schmuckkassettchen: Hier –
KOHN
unbeweglich: Sie wollen mir den Schmuck zurückbringen?
WENZEL
Nehmen Sie! Nehmen Sie!
KOHN
Die Imitation? Sie schlugen um den echten zu und wollen es mit dem falschen wieder ungeschehen machen? Hihihi.
WENZEL
Sie sind ja wieder –
KOHN
unterbricht ihn: Immer! Und überall! Hier, im Bett, am Tisch – aber auch: unterm Pult! Ich schlürfe durch die Lüfte, obs windstill ist oder braust, und bade mitten im Meere. Und bin dabei doch unterm Pult!
WENZEL
Herr Kohn: verflucht sei das Weibsbild.