Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth. Ödön von Horváth

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Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth - Ödön von Horváth

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      SLADEK

      Lüg nicht!

      FRANZ

      Das ist sehr interessant, Herr Sladek, denn die Justiz hat noch keine Ahnung, daß dieses Verbrechen eine »Hinrichtung im Interesse des Vaterlandes« ist. Die Polizei nimmt Mord an, einen höchst »selbständigen« Mord.

      SLADEK

      Ich bin kein Mörder.

      FRANZ

      In der Natur wird gemordet, das ändert sich nicht. Die Polizei sagt, wie der Herr es in jeder Zeitung nachlesen kann, daß es ein verkommenes Subjekt namens Sladek war, das die mütterliche Liebe einer alternden Frau in egoistischster Weise ausnützte. Ein arbeitsscheuer Lump, ließ er sich aushalten und trieb sich mit ihren kleinen Ersparnissen, die er ihr aus dem Schranke stahl, mit Huren herum. Und weil sie das nicht mehr mitansehen wollte, hat er sie in bestialischer Weise ermordet. Die Hauseinwohner hörten Frau Schramm »Sladek«! rufen und fanden sie abgeschlachtet. Auf die Ergreifung des Mörders hat der Staatsanwalt eine Belohnung ausgesetzt.

      SLADEK

      Wieviel?

      FRANZ

      Viel.

       Stille.

      SLADEK

      Das ist alles nicht wahr. Das ist alles ganz anders gewesen.

      FRANZ

      Das war alles für das Vaterland?

      SLADEK

      Ja, aber es gibt keine Gerechtigkeit.

      FRANZ

      Es gibt auch keine, aber wir haben Justiz und Polizei, solange es so selbständig denkende Sladeks geben wird.

      SLADEK

      Es ist arg, daß man denken kann.

      HAUPTMANN

      kommt: Ich sehe, Sie haben sich schon erholt. – Sladek! Was wollte er von dir? Bist du taub, Idiot?

      SLADEK

      Er hat nur gefragt, wann er wieder verhört wird.

      HAUPTMANN

      Jetzt. – Sie haben mich betrogen. Sie hätten sich gar nicht zu erholen brauchen.

      FRANZ

      Ich habe Sie nicht betrogen.

      HAUPTMANN

      Sie Komödiant. Sie mußten das Verhör abbrechen, weil Sie sich selbst widersprochen haben und nicht weiter fanden! Ich lasse nicht locker! Es dreht sich um Ihre Behauptung, Sie glaubten nicht, daß es jemals Frieden geben wird. Dabei haben Sie den Mut, mir einreden zu wollen, Sie seien kein Agent Moskaus und kämpften lediglich mit den ›Waffen der Idee‹, Sie seien Pazifist und predigten den ewigen Frieden! Antwort!

      FRANZ

      Daß Sie sich über diesen scheinbaren Widerspruch derart den Kopf zerbrechen, hat wohl weniger seinen Grund in Ihrer unberechtigten Empörung, betrogen worden zu sein, als in dem berechtigten Gefühl, erkannt worden zu sein.

      HAUPTMANN

      Ich verbitte mir das!

      FRANZ

      Sie verstehen mich, das habe ich Ihnen bereits gesagt. Denn Sie sind ja ganz meiner Meinung, nur können Sie es nicht vertragen zu hören, wie Sie eigentlich denken, und deshalb wollen Sie mich zwingen, das Gegenteil zu behaupten.

      HAUPTMANN

      Sie sind wirklich verrückt.

      FRANZ

      lächelt: Ja, gemeingefährlich. Und was den ewigen Frieden anlangt, so glaube ich wirklich nicht daran, aber ich predige ihn, da ich zu guter Letzt an keinen Fortschritt glaube, weil ich weiß, daß es nur einen Fortschritt gibt, wenn man keine Rücksicht auf den einzelnen Menschen nimmt. Es dreht sich doch zu guter Letzt alles um den einzelnen Menschen, darum predige ich den radikalsten Fortschritt, das Reich der unpersönlichen Masse. Es gibt nämlich keinen Fortschritt, solange es die Einzelnen gibt. Das ist doch alles Betrug, nicht wahr? – Sie nehmen zwar keine Rücksicht auf den einzelnen Menschen, Sie sind die Diktatur. Sie predigen nicht den Frieden, Sie erklären den Krieg und glauben doch an keinen Fortschritt. Ich auch nicht. Aber vielleicht gibt es doch einen Fortschritt, und wir Beide täuschen uns nur. Das wäre doch möglich, nicht wahr? Die Pflicht abzutreten oder fanatisch das Gegenteil zu behaupten, sonst werden sie ja verrückt vor Verzweiflung oder Überhebung. Wir müssen bei einer bestimmten Grenze aufhören zu denken, das ist ein ungeschriebenes Gesetz. Ich habe kein Recht, das Hoffen des einzelnen Menschen auf den Frieden zu zerstören. Ich habe die Pflicht zum Betrug. Und ganz zu guter Letzt ist das ja gar kein Betrug, denn es dreht sich ja eigentlich nicht darum, wie es der Menschheit tatsächlich ergeht, sondern was sich der einzelne Mensch einbildet. Wir verstehen uns.

      HAUPTMANN

      Nein. Ich bin kein Betrüger. Die nationale Diktatur wird dem deutschen Vaterlande seine stolze Weltmachtstellung zurückerobern, trotz aller überstaatlichen Mächte! Das ist mein Glaube!

      FRANZ

      Ist das kein Betrug?

      HAUPTMANN

      Ich verbitte mir das!

      FRANZ

      Sie sind überzeugt, daß die Rückeroberung einer sogenannten stolzen Weltmachtstellung wirklich zu guter Letzt eine Besserung bedeutet?

      HAUPTMANN

      Das »zu guter Letzt« geht mich nichts an!

      FRANZ

      Sehen Sie!

      HAUPTMANN

      Was?

      FRANZ

      Denn zu guter Letzt dreht es sich hier nur um Ihre einzelne Person. Das wird Ihnen manchmal klar.

      HAUPTMANN

      Wieso?

      FRANZ

      Ich habe Ihnen schon gesagt: Die Zeit der Raubritter ist vorbei: Ihre Zeit. Sie werden scheitern, denn Sie müssen scheitern.

      HAUPTMANN

      Was Sie nicht sagen, Sie Prophet!

      FRANZ

      Ich glaube es zu wissen.

      HAUPTMANN

      Das ist Ihr Betrug!

      FRANZ

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