Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman. Kathrin Singer

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Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman - Kathrin Singer Heimatkinder Staffel

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schon, halt den Sommer über. Im Winter bin ich bei meinem Vater. Ihm gehört die Schutzhütte ein Stück oberhalb.«

      Franzi lauschte jetzt in die Sennhütte hinein. Sie meinte, Kinderweinen zu hören. »Bist du nicht allein hier?«, fragte sie.

      Nanis pausbäckigem Gesicht sah man an, dass sie verlegen wurde. »Nein, nicht allein. Da ist noch der Stepherl, mein Sohn. Ich kann ihn nirgends unterbringen, also muss er mit hier sein. Er ist ein uneheliches Kind, das muss ich zu meiner Schand’ gestehen.«

      »Weshalb Schand’?«, fragte Franzi. »Ein Kind ist ein Kind, ob es einen leiblichen Vater hat oder nicht. Aber jetzt was anderes. Ich kenne jemanden, der den Weg über die Alm und die Schutzhütte droben mehrmals gemacht hat. Ihm bin ich auf der Spur. Kannst du mir weiterhelfen? Es handelt sich um Uli Stettner …«

      Nani fiel ihr ins Wort und streckte die Hände abwehrend aus. »Red mir nicht von dem. Dieser Uli ist ein Hallodri erster Klasse. Ich bin auf ihn hereingefallen. Mein Stepherl, der jetzt eben geweint hat, ist sein Sohn. Damals hat mir Uli versprochen, mich zu heiraten, aber später wollte er nichts mehr davon wissen.«

      »Du hast ein Kind vom Stettner-Uli?« Franzi war fassungslos.

      »Ja, mein Stepherl ist drei Jahre alt. So lange hat mich der Uli hingehalten. Immer, wenn er von seinem Onkel übers Gebirge kam, hat er mir versprochen, mich zu heiraten, aber gehalten hat er das nie, dieser Filou. Dabei hat er mir alle Chancen verdorben. Ein Großbauer aus dem Tal unten würde mich zur Frau nehmen, wenn der Bub nicht wär.« Nani wurde immer erboster.

      »Wann ist Uli hier zum letzten Mal eingekehrt?«, fragte Franzi. Sie spürte, dass ihr Herz hart und schwer schlug.

      »Ach, das ist noch nicht allzu lange her. Es mag vor drei oder vier Wochen gewesen sein. Zum Teufel mit ihm, er wollte wieder nichts von mir und dem Buben wissen.«

      »Dann ist er also bis hierher gekommen«, sagte Franzi leise. Und etwas lauter: »Wollte er weiter ins Österreichische hinüber?«

      »Das nehme ich an, sonst hätte er nicht diesen Weg genommen. Was hast du mit ihm zu tun? Hat er dir auch ein Kind angehängt? Du scheinst ihn doch jetzt zu suchen.«

      »Nein, er hat mir kein Kind angehängt, aber ich möchte wissen, was aus ihm geworden ist. Er ist nämlich drüben im Österreichischen nicht angekommen.«

      Es sah aus, als wolle sich Nani ducken. »Dann wird er wohl den Weg verfehlt haben und irgendwo abgestürzt sein. Nicht schad’ um ihn. Er soll drüben bei seinem Onkel auch mehrere Madln verführt haben. So einer war er eben, und ich bin auch auf ihn hereingefallen. Aber wart mal, Stepherl gibt jetzt keine Ruh’ mehr.« Nani ging in die Sennhütte. Wenig später kam sie mit einem kleinen Jungen heraus, an dessen Kleidung noch Heu hing.

      »Mama«, weinte er, »ich will nicht mehr im Heu sein.«

      Franzi sah in ein rundes Kindergesicht mit großen dunklen Augen. Hätte er fröhlicher dreingesehen, wäre seine Ähnlichkeit mit Uli aufgefallen. »Das ist doch ein ganz niedlicher kleiner Bursche«, sagte sie leise.

      »Ja, wenn er nicht ein Balg wär’, das hier vollkommen überflüssig ist.« Nani schob den Jungen zur Seite. »Was soll ich denn mit ihm? Er wird mir hier nur zur Last. Wenn der Sommer vorbei ist, muss ich mit ihm zu meinem Vater zurück. Dort ist er erst recht überflüssig. Nein, ich kann den Buben nicht lieben, er macht mir alles kaputt, was ich erreichen wollte. Seinen Vater hätte ich sofort geheiratet, aber bei ihm war halt nicht mehr die Rede davon. Er hat sich nie zu seinem Kind bekannt, ich war für ihn nur ein Abenteuer, das er auf dem Weg ins Österreichische eben so mitnahm.«

      »Aber jetzt ist Uli verschollen«, sagte Franzi.

      Nani zuckte mit den Schultern. »Was kümmert’s mich? Vielleicht hat er nur bekommen, was ihm gebührt.«

      Franzi zog den kleinen Stepherl zu sich. »Was bist du für ein liebes Kerlchen«, sagte sie, und dann setzte sie leise hinzu: »Ulis Kind.« Es wurde ihr wehmütig ums Herz, so verstört sie darüber auch war, dass Uli über dieses Kind nie ein Wort gesagt hatte.

      Der kleine Junge drückte sich an sie, als sei er es nicht gewohnt, gestreichelt zu werden. »Du bist eine liebe Tante«, sagte er. »Mami ist gar nicht so lieb zu mir.«

      Nani fuhr hoch. »Wie sollte ich das auch, wo du vollkommen überflüssig auf der Welt bist?«

      »Das solltest du nicht sagen.« Franzi war entsetzt. »Der Bub kann doch nichts dafür, dass ihn sein Vater nicht wollte.«

      »Ist schon gut«, meinte Nani, »du steckst ja nicht in meiner Haut. Geh jetzt weiter. Ich sehe schon, du suchst eine Spur von Uli, aber die wirst du nicht finden. Kehr in der Schutzhütte bei meinem Vater ein. Dort kannst du übernachten. Wenn du noch ins Österreichische hinüber willst, musst du eine Rast einlegen. Das hat selbst Uli immer getan, und er konnte sich etwas zutrauen.«

      Franzi stand von der Bank auf, sie strich Stepherl noch einmal über den Kopf, dann schulterte sie ihren Rucksack. Wie ihr jetzt zumute war, hätte sie nicht sagen können. Sie wusste nur eines: dass Uli nicht ehrlich zu ihr gewesen war. Hier gab es ein Kind, dessen Vater er war. Sie glaubte Nani jedes Wort.

      Als Franzi weiter bergauf stieg, die gewaltigen Felszacken schon vor Augen, kam sie nur langsam vorwärts. Diesmal nicht wegen der glühend heißen Sonne, sondern weil sie tief erschüttert war. Da gab es einen kleinen vernachlässigten Jungen, den Uli doch gesehen haben musste. Hatte dieser Stepherl nicht wenigstens Mitgefühl in ihm erweckt, wenn schon nicht Liebe? Hätte sie sich nicht auf diesen Weg gemacht, hätte sie nie etwas von Ulis Vaterschaft erfahren.

      Es war wie ein Sturm, der durch Franzi ging. Einige Male überlegte sie, ob sie nicht umkehren sollte. Was wollte sie eigentlich noch erfahren? Ihre Beine wurden unter diesem seelischen Druck immer schwerer, sodass sie eigentlich in der Schutzhütte wieder eine Rast hätte machen müssen. Doch als sie nahe davor war, hörte sie laute Stimmen und ein Grölen, als sei dort jemand betrunken.

      Nein, da hinein wollte sie nicht. Sie sah auf den Wegweiser, der an einem Steig stand. »Nach Brauneck« las sie. Dorthin wollte sie, in Brauneck war der Hof von Ulis Onkel. Nun raffte sie sich wieder auf und ging etwas schneller. Oft war der Steig kaum zu erkennen, die Gegend wurde immer wilder. Das ängstigte sie. Erst recht, als sie sich ausrechnete, dass sie Brauneck vor Einbruch der Dunkelheit nicht erreichen würde. Sie wusste nicht, ob sie noch auf deutschem oder schon auf österreichischem Gebiet war. Zöllner hatte sie nicht gesehen. Vielleicht waren sie die Männer in der Schutzhütte gewesen, die sich ihren langweiligen Dienst mit ein paar Maß Bier angenehmer machten.

      Nun führte der Steig in eine Schlucht hinunter, und man sah, dass er sich auf der gegenüberliegenden Seite wieder hochschlängelte. Das ist ein Umweg, dachte Franzi und sah an dem Felsmassiv hinauf, vor dem sie stand. Sie war sicher, dass Uli den Weg darüber genommen hatte, aber konnte sie sich das zutrauen, nur um schneller an ihrem Ziel zu sein? Ein Schauer überfiel sie, wenn sie daran dachte, sich an dem Felsbrocken hochhangeln zu müssen. Nein, dem war sie nicht gewachsen. Vielleicht hatte es Uli mit dem Leben bezahlen müssen, dass er der Gefahr nicht aus dem Weg gegangen war.

      Sie stieg nun in die Schlucht hinunter. Schon das war beschwerlich genug. Immer wieder sah sie auf das wilde Gestrüpp und die Steinmassen, aber sie entdeckte nichts Ungewöhnliches.

      Dann blickte sie wieder zu dem Felsmassiv hinauf. Von dort oben konnte Uli in die Tiefe gestürzt sein. Was, wenn sie ihn jetzt vielleicht entdeckte? Dieser Gedanke jagte ihr Angst ein. Gleichzeitig aber wollte sie wissen,

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