Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman. Kathrin Singer

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Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman - Kathrin Singer Heimatkinder Staffel

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Verführer genommen, Nanis und unsere Ehr’, die Hoffnung auf eine gute Heirat meiner Tochter. Recht geschieht ihm, dass er irgendwo abgestürzt ist. Anders kann es ja nicht sein. Er ist schon zu lange vermisst. Selbst mit seinem Tod hat er uns noch Scherereien gemacht. Die Polizei war hier, als könnten wir ihr weiterhelfen, und nun tauchen auch Sie noch auf.«

      »Ich mache Ihnen keine Scherereien«, versicherte Franzi. »Beruhigen Sie sich wieder, ich kann nichts für das, was der Uli angestellt hat.«

      »Beruhigen, beruhigen!« Rupert Wurzinger lachte hart auf. »Als ob das so leicht wär’, wo das Kind da ist.«

      »Es kann nichts für seinen Vater«, versuchte Franzi wieder zu beschwichtigen. »So einen kleinen lieben Kerl muss man doch gernhaben.«

      »Den?«, schrie der Wirt heraus. »Niemals. Er ist ein Klumpen an Nanis Bein. Eine alte Jungfer wird sie werden, weil kein Mann sie mit dem Balg mag. Sie ist meine einzige Tochter, Frau hab’ ich schon lang keine.«

      Franzi sagte nichts dazu. Eingeschüchtert fragte sie: »Kann ich auch etwas zu essen haben?«

      »Mal sehen, was die alte Zenza in der Küche hat.« Der Wirt wandte sich ab. »Bei uns müssen Sie mit allem zufrieden sein.« Er stapfte davon.

      Franzi atmete erleichtert auf, als zwei Wanderer die Wirtsstube betraten. Nun würde sie wenigstens mit dem zornigen Alten nicht mehr allein sein. Als er zurückkam, warf er ihr nur einen Blick zu und sagte: »Die Zenza bringt dann was. Sie zeigt Ihnen auch Ihre Kammer.«

      Franzi wurde noch leichter ums Herz, als sie hörte, dass die beiden Wanderer auch hier übernachten wollten. Als einziger Gast in der Schutzhütte hätte sie sich gefürchtet.

      Es dauerte lange, bis eine alte, verhutzelte Frau mit wirrem Haar kam und ihr Bratkartoffeln mit Speck brachte. Sie lachte, als sei sie nicht mehr ganz klar im Kopf. »So ein schönes Dirndl bei uns hier droben?« Sie schüttelte den Kopf. »Und ganz allein?«

      »Lass sie in Ruhe, Zenza«, rief der Wirt. »Schau, dass du in die Kuchel kommst.«

      Die Alte zog den Kopf ein und verschwand.

      Hier ist alles unheimlich, dachte Franzi. Immer wieder sehnte sie sich nach ihrem Zuhause, nach dem friedlichen Vater und allem, was ihr vertraut war.

      Noch bevor es ganz dunkel geworden war, zog sie sich in die Kammer zurück, die ihr Zenza zeigte. Beim Hinausgehen flüsterte die Alte: »Wenn Sie wirklich etwas mit diesem Uli zu tun haben, sollten Sie hier lieber so bald wie möglich verschwinden.«

      »Ich gehe gleich morgen in der Frühe«, antwortete Franzi und schloss die Tür. Fast fürchtete sie, vor Angst keinen Schlaf zu finden. Am liebsten wäre sie noch in der Dunkelheit davongelaufen, aber das konnte sie nicht tun. Dazu war ihr hier alles zu fremd. Sie wickelte sich fest in die raue Decke ein und lauschte immer wieder nach unten. Dort war es jetzt sehr laut geworden. Anscheinend waren noch andere Gäste gekommen, und es wurde wild gezecht. Immer wieder war die Stimme des Wirtes herauszuhören.

      Erst nach Stunden fielen Franzi vor Übermüdung die Augen zu, aber selbst in ihre Träume hinein verfolgte sie, was sie heute erlebt hatte.

      *

      Am Morgen bekam sie den Wirt nicht zu Gesicht. Zenza sagte, dass er immer bis Mittag schlafe. Franzi war das recht. Nachdem sie gefrühstückt hatte, machte sie sich gleich auf den Weg hinunter ins Tal. Gefahren hatte sie jetzt nicht mehr zu fürchten, die Wildnis lag hinter ihr. Aber sie schaffte es nicht, an der Sennhütte vorbeizugehen. Mit aller Gewalt zog es sie zu dem kleinen Stepherl. Sie spürte, dass er ihr Herz erobert hatte und dass ihm all ihr Mitgefühl gehörte. Nicht, weil er Ulis Sohn war, sondern weil er ein so trauriges Leben führte und niemand ihn wollte.

      Schon von Weitem sah sie, dass der kleine Junge inmitten der Kühe auf der Weide saß. Er wirkte verloren, sein Blick war stumpf, als interessiere ihn überhaupt nichts.

      Franzi ging zu ihm und zog ihn auf die Beine.

      Er sah sie zuerst erschrocken an, dann etwas lebhafter. »Bist du wieder da?«, fragte er.

      »Ja, ein Weilchen werde ich bei euch bleiben, Stepherl, aber dann muss ich weiter.« Franzi griff nach seiner Hand. »Komm, wir gehen auf die Bank vor der Hütte. Dort setzen wir uns hin.«

      »Aber Mama will nicht, dass ich auf der Bank sitze, sie sagt immer, ich soll ihr aus den Augen gehen.« Das kam holperig über Stepherls Lippen.

      »Jetzt wird sie nicht schimpfen.« Franzi genügte es nicht, sich neben den Jungen auf die Bank zu setzen, sie zog ihn auf ihren Schoß und drückte ihn an sich.

      Da kam Nani aus der Hütte. »Ach was, bist schon wieder zurück?«, fragte sie spöttisch. »Wohl umgekehrt, weil es zu gefährlich war.«

      »Nein, ich bin nicht umgekehrt, ich war bei Ulis Onkel.« Nun zuckte Franzi mit den Schultern. »Es hat alles nichts genutzt.«

      »Wenn es um Uli geht, nutzt nichts etwas.« Nani wollte Stepherl von Franzis Schoß ziehen. »Lass dich nur mit dem nicht ein, sonst hängt er wie eine Klette an dir, und ich hab’ es dann wieder schwer mit ihm.«

      »Lass ihn bei mir«, bat Franzi. »Ich mag den Kleinen.«

      »Du musst ja auch nicht für ihn sorgen, dir hat Uli das Leben nicht verdorben.« Nani musterte Franzi. »Irgendwie bist du eine komische Heilige. Begibst dich auf die Suche nach Uli und bemutterst seinen Sohn. Aber den Uli kannst du nicht mehr finden.« Plötzlich brach Nani erschrocken ab.

      Franzi sah sie erstaunt an.

      »Du weißt also doch etwas von Uli, Nani.«

      Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Nein, nein, ich weiß gar nichts von ihm, als dass er hier kurz eingekehrt ist und ich ihm die Hölle wieder so heiß gemacht habe, dass er es eilig hatte weiterzukommen. Bei meinem Vater hat er sich dann gar nicht erst sehen lassen.« Den letzten Satz sagte Nani sehr betont und fügte noch hinzu: »Nein, in der Schutzhütte war er nicht. Er muss gleich weitergegangen sein. Aber jetzt will ich nicht länger über ihn reden. Gib den Buben jetzt her, ich hab’ noch viel Arbeit. Da muss er ins Heu. Dort ist er am besten aufgehoben.«

      Stepherl klammerte sich an Franzi. »Aber im Heu ist es doch so finster«, klagte er.

      »Hör auf mit dem Gewinsel«, herrschte ihn seine Mutter an und zog ihn so ruckartig von Franzis Schoß, dass er ins Stolpern kam und hinfiel. Die spitzen Steine vor der Bank schürften ihm beide Knie auf, doch er tat keinen Muckser.

      »Hast du Verbandsstoff?«, fragte Franzi erschrocken. »Und auch etwas Jod? Die Wunden müssen gesäubert werden.«

      »Jetzt reicht’s mir aber«, schimpfte Nani. »Meinst du, ich hab’ so viel Zeit, mir solche Umstände zu machen?« Sie zerrte Stepherl mit sich und schob ihn in die Heukammer neben der Hütte. »Und da drin rührst du dich nicht«, befahl sie ihm noch.

      Franzi war maßlos erschüttert, aber sie sah ein, dass sie dem Jungen nicht beistehen konnte. Sie hatte kein Recht dazu. Ohne noch etwas zu dem Vorfall zu sagen, verabschiedete sie sich und ging schnell den Hang hinunter. Sie wusste, dass sie Stepherl nicht vergessen würde.

      *

      Josef Feistauer stand mitten auf dem Hof, als Franzi den Steig heraufkam. Es sah aus, als habe er nichts anderes getan, als nach ihr Ausschau gehalten.

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