Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman. Kathrin Singer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman - Kathrin Singer страница 5
Wie gut das tat, sich plötzlich Korbinian nahe zu fühlen! Er, der immer Zuverlässige, gab ihr wieder Kraft, nun aus der Schlucht hinaufzusteigen. Oben angekommen, erkannte sie, dass sie das schwerste Stück des Weges hinter sich hatte. Jetzt hoffte sie doch, Brauneck noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen.
Und sie schaffte es. Nachdem ihr ein älterer Mann den Weg zum Hof von Ulis Onkel gewiesen hatte, stieg wieder die Frage in ihr auf: Was will ich hier eigentlich? Welchen Zweck hatte ihre ganze Aktion eigentlich gehabt? Aber nun war sie an dem Hof Albert Stettners und ging auch hinein. Eine Wirtschafterin, von der Uli auch erzählt hatte, führte sie zu dem Bauern in die Wohnstube.
Er sah sie sehr verwundert an, als sie sagte, wer sie war. Betont setzte sie hinzu: »Uli wollte mich heiraten, nachdem er sich mit Ihnen wieder versöhnt hatte. Wir hofften beide, dann zu Ihnen auf den Hof kommen zu können.«
Albert Stettner fuhr sich ein paarmal durch seinen Vollbart, dann zeigte er auf einen Sessel. »Dirndl, setz dich erst einmal. Natürlich kannst du auch bei uns übernachten. Willst du was essen und trinken?«
»Nur etwas trinken«, antwortete Franzi.
Der Bauer stand auf. »Ich hol’ dir einen heißen Tee und ein Glas Enzian dazu. Du kommst mir vor, als tät’ dir das gut. So, Franzi heißt du also? Von dir hat der Uli aber nie gesprochen.«
»Wir sind uns ja erst einig geworden, als er nach dem Streit mit Ihnen nach Hause kam. Es ist so, wie ich sagte, wir hatten uns sehr gern.«
»Ich komm’ gleich wieder.« Der Bauer ging hinaus. Es dauerte nicht lange, bis er mit einem Glas dampfendem Tee und einem Glas Enzianschnaps zurückkam. »Da nimm ein paar Schlucke und sag mir, warum du hierhergekommen bist. Dass der Uli noch lebt, können wir doch nicht hoffen. Ich habe es ja meinem Bruder geschrieben, dass er nie bei mir angekommen ist. Du wirst doch nicht am Ende gedacht haben, mehr als die Polizei herauszufinden?«
Franzi senkte den Kopf. »Doch, das muss ich wohl gedacht haben. Mir will es einfach nicht in den Sinn, dass der Uli tot sein soll.«
Nun machte der Bauer ein grimmiges Gesicht. »Nein, das will einem nicht in den Sinn, und es könnte auch sein, dass er eine neue Liebste hat, bei der er es sich gut gehen lässt. Madl, ich muss das so ehrlich sagen, Uli hatte ein Gspusi nach dem anderen hier. Das führte ja auch zu unserem Streit. Keine Magd war vor ihm sicher, und dir hat er also auch den Kopf verdreht. Ja, das konnte er meisterlich, und seine Arbeit litt immer darunter. Er nahm, was ihm an Weibsröcken über den Weg lief. Bei den meisten Dirndln hatte er ja auch Glück.«
»So schlimm hat er’s getrieben?« Franzi war fassungslos. »Dann hat er es mit mir auch nicht ehrlich gemeint?«
Der Bauer sah sie bedauernd an. »Wird wohl so sein«, brummte er in sich hinein, dann sprach er wieder etwas lauter. »Lass dich davon nicht unterkriegen, Dirndl. Mein Bruder Xaver hat mir geschrieben, dass du eigentlich dem Korbinian gut warst. Halt dir den, das ist ein rechtschaffener Mann, der seiner Frau immer treu sein wird. Vergiss den Uli.«
»Ich kann nicht Korbinian so vor den Kopf stoßen, wie ich es getan hab’, Bauer, und jetzt wieder zu ihm zurückgehen. Nein, das hat er nicht verdient, und ich bin auch noch gar nicht so weit. Morgen in der Früh’ werd ich mich wieder auf den Weg nach Hause machen. Es war ein Fehler von mir, hierherzukommen. Alles ist dadurch nur noch schlimmer geworden.«
Franzi dachte daran, was sie von Nani in der Almhütte hatte erfahren müssen und was sie von dem Bauern jetzt gehört hatte. Sie schämte sich, dass auch sie auf Uli hereingefallen war.
»Bauer, kann ich mich irgendwo zum Schlafen hinlegen?«, fragte sie. »Ich bin todmüde, und morgen früh muss ich wieder munter sein.«
»Komm mit, ich zeig’ dir die Kammer, in der du schlafen kannst.« Albert Stettner legte den Arm um Franzis Schulter, als er sie hinausführte. Es war zu merken, wie leid sie ihm tat.
Ihr fielen die Augen zu, als sie sich hingelegt hatte, aber im Halbschlaf sah sie nicht Uli vor sich, sondern den kleinen Stepherl.
*
So früh Franzi auch in Brauneck aufgebrochen war, sie kam langsamer vorwärts als am vergangenen Tag. Oft meinte sie, dass ihre Beine sie nicht mehr tragen würden. Sie war zutiefst niedergeschlagen und bitter enttäuscht. Das Bild von dem strahlenden, in sie so verliebten Uli hatte einen deutlichen Riss bekommen. Er war nicht der gewesen, für den sie ihn gehalten hatte. Sie war eines seiner vielen Abenteuer gewesen. Und dafür hatte sie sich von Korbinian getrennt und ihm damit sehr weh getan. Das ging ihr genauso durch den Sinn wie Ulis Vaterschaft. Wie hatte er das nur fertiggebracht, sich nicht zu dem kleinen Stepherl zu bekennen? Und wenn er Nani nicht geheiratet hatte, der Junge musste ihm doch nahgestanden haben. Hatte er nicht gesehen, wie sehr ihn die Mutter vernachlässigte und dass er ganz allein war auf dieser Welt? Fragen über Fragen, die sich Franzi immer wieder stellte und die ihr den Weg durch die Schlucht besonders schwer machten.
Sie wusste, dass sie es nicht schaffen würde, am Abend zu Hause zu sein. Dazu waren schon die gestrigen Strapazen zu groß gewesen. Jetzt bereute sie, nicht einen Tag in Brauneck geblieben zu sein, um sich etwas zu erholen. Am liebsten hätte sie sich auf einen Felsblock gesetzt und wäre sobald nicht wieder aufgestanden.
Als sie die gewaltige Schlucht hinter sich hatte, spürte sie noch die Angst, die dort wieder über sie hergefallen war. Jetzt machte sie noch eine längere Rast. Es war nicht so gutes Wetter wie am Vortag. Statt der brennenden Sonne nieselte es, und alles war grau, sodass sie beim Weitergehen schon Angst hatte, sich zu verirren.
Als die Schutzhütte aus dem Nebel vor ihr auftauchte, wusste sie, was sie brauchte – eine Nacht Schlaf, bevor sie den Rest des Weges hinter sich legte.
Diesmal war nichts aus dem Inneren zu hören. Das machte ihr das Eintreten leichter.
Sie kam in eine verrauchte Wirtsstube und setzte sich an einen Tisch. Es dauerte nicht lange, bis ein Mann mit fuchsrotem Vollbart und Haar zu ihr kam. »Was wünschen die Dame?«, fragte er ironisch.
»Kann ich bei Ihnen übernachten?« Franzi sah den älteren Mann bang an. Er wirkte nicht sehr vertrauenerweckend.
»Natürlich können Sie das. Dazu sind wir doch da. Sind Sie etwa das Madl, das sich hier in der Gegend nach Uli Stettner umsehen wollte?«
»Ja, die bin ich. Ich heiße Franzi.«
»Also doch.« Plötzlich schlug der Wirt mit der Faust auf den Tisch, sodass die noch darauf stehenden leeren Biergläser zu tanzen anfingen. »Meine Nani, die Sennerin, hat mir von Ihnen erzählt. Jetzt bin ich gar nicht so begeistert, dass Sie bei uns übernachten wollen.«
»Warum nicht?«, wagte Franzi zu fragen. Sie war mit ihrem Stuhl ein Stück zur Seite gerückt.
»Weil ich mit niemandem etwas zu tun haben will, der irgendwie zu diesem Halunken Uli gehört hat. Ich, Rupert Wurzinger, hätte diesem Burschen eigenhändig den Hals umdrehen können. Hängt meiner Tochter ein Kind an, will aber dann von dem Balg nichts wissen …« Es folgte ein ellenlanger Fluch, der Uli galt.
»Ihre Tochter hat mir schon alles erzählt«, wollte Franzi den Alten bremsen. Doch das schaffte sie nicht. Er wetterte schon weiter.