Die wichtigsten Werke von Jacob Burckhardt. Jacob Burckhardt
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Ganz gewiss hat man in diesen ägyptischen Mönchskolonien kein Ideal christlichen Lebens zu suchen. Allein daneben dauerte das echte Anachoretentum fort, und diesem müssen wir, der damaligen Welt gegenüber, eine hohe Berechtigung zugestehen. Die meisten berühmten Einsiedler des vierten Jahrhunderts bringen einen Teil ihres Lebens in den Monasterien, wenigstens in den Lauren zu, ziehen sich aber vorher oder nachher in die tiefere Einsamkeit, wohin ihnen das Kloster nur Brot und Salz zusendet. Auch hier sind sie nicht immer geschützt vor geistlichem Hochmut, schrecklichen Versuchungen und phantastischer Schwärmerei; ihre Büssungen sind zum Teil wahrhaft mörderisch; allein nicht nur halten sie sich in der Regel für glücklich und ihre Existenz für würdig ausgefüllt, sondern sie hinterlassen auch manches tiefe und schöne Wort775, welches beweist, dass ihr Glück kein blosser Wahn, sondern aus einer beständigen Beschäftigung mit den höchsten Dingen entsprungen war. Die Namen eines Ammon, Arsenius, Elias, der beiden Macarius und mehrerer anderer gehören auf immer zu den bedeutenden Erinnerungen der Kirche.
Eine dritte Gestalt des ägyptischen Mönchstums waren die etwas verrufenen Remoboth, die zu zweien oder dreien in Städten und Kastellen wohnten und ohne Regel »nach Gutdünken« lebten, daher auch oft bittern Streit hatten. Sie erhielten sich vom Handwerk, das ihnen auf ihre scheinbare Heiligkeit hin besser bezahlt wurde als andern Leuten. Ihr Fasten wird als ruhmsüchtig getadelt, auch sollen sie sich an Festtagen bis zur Völlerei schadlos gehalten haben.
Die spätern Entwickelungen des ägyptischen Mönchstums, seine Sekten und seine Einmischung in die allgemeinen kirchlichen Zerwürfnisse gehören nicht mehr hieher.
In Palästina nahm das Mönchswesen unter Sanct Hilarion schon in ökonomischer Beziehung eine andere Stellung ein und erhielt daher überhaupt eine von der ägyptischen verschiedene Physiognomie. Der Ackerbau und Weinbau überwiegt; viele Mönche haben sogar ihr persönliches Eigentum beibehalten und sind kaum etwas anderes als unverheiratete Landwirte mit bezahlten Knechten. Der Stifter selbst wohnte noch immer in der unbebauten Einöde, und es war ihm leid genug, dass sich dieselbe um seinetwillen bevölkerte. Die »Villen« mancher seiner Genossen dagegen, wo Reben und Feldfrüchte gediehen, müssen eine bessere Lage gehabt haben. Um seine Zelle herum scheint zwar mit der Zeit ein eigentliches Monasterium entstanden zu sein, sonst aber bilden die palästinensischen Mönche eine grosse weitzerstreute, wenig zusammenhängende Laure. In Ägypten konnte Pachomius zum Osterfest alle Mönche seiner Kongregation, und zum Verzeihungsfest im Monat Mesore (August) alle Vorsteher und Beamten nach Tabenna entbieten, während in Palästina Hilarion grosse periodische Rundreisen machen musste, um seine Leute zu beaufsichtigen. Es begleitete ihn dabei ein Heer von zweitausend Mönchen, welche anfänglich ihren Proviant mit sich trugen, nachher aber von den unterweges wohnenden Landbesitzern gespeist wurden. Da der Heilige auch die entlegenste, einsamste Zelle nicht übergehen wollte, so führte ihn die Strasse öfter in saracenische Dörfer, wo er bei diesem Anlass als Bekehrer auftrat.
Weiterhin durch das ganze römische Asien und bis in das Sassanidenreich hinein gab es erweislich seit dem Anfang des vierten Jahrhunderts einzelne Anachoreten776 und nicht lange darauf auch Monasterien sowohl als zerstreute Anlagen, die den ägyptischen Lauren entsprachen. Von dieser letztern Art war der Mönchsverein am Berge Sigoron bis Nisibis; man nannte diese Mönche die Weidenden, weil sie zur Essenszeit mit Sicheln ausgingen, um Kräuter zu mähen, die ihre einzige Nahrung ausmachten777. Sonst waren unter den syrischen Mönchen diejenigen von Edessa frühe berühmt, namentlich durch den grossen Dämonenbeschwörer Julian. Für Armenien, Paphlagonien und Pontus war der strenge Eustathius, Bischof von Sebastia, ein Haupturheber des Mönchstums, für Kappadocien und Galatien später Basilius der Grosse, der dem orientalischen Ascetenleben überhaupt seine bleibende Gestalt zu geben bestimmt war. In diesen kältern Gegenden, wo das Leben in zerstreuten Zellen nicht so leicht durchzuführen war, bildeten die Mönche Monasterien, und zwar meist in Städten oder Dörfern.
In dem besonnenern Abendlande fand dieses unermessliche Beispiel nur langsame Nachahmung. Erst in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts entstehen Klöster in oder bei den Städten, und die kleinen Felseninseln des Mittelmeeres, die sonst nur als Verbannungsorte gegolten, füllen sich mit Eremiten. Begeisterte Okzidentalen reisen nach dem Orient, um dort das Ascetenleben kennenzulernen oder auch ihr Leben zu beschliessen. Mitten im Treiben der Städte selbst weihen sich Männer, Jungfrauen und Witwen fortwährend einem so strengen und andächtigen Wandel, wie er nur in einem Kloster geführt werden mochte. Es ist die Epoche des heiligen Martin von Tours, des heiligen Ambrosius, auch des heiligen Hieronymus, der dieses ganze Wesen nach seinen Licht- und Schattenseiten kannte und schilderte; bei Anlass Roms und Palästinas werden wir noch in Kürze darauf zurückkommen müssen. Gallien hatte bald das siegreiche Gefühl, den Orient erreicht, wenn nicht übertroffen zu haben778.
Ein allgemeineres Raisonnement über den sittlich-religiösen Wert und die historische Notwendigkeit des Mönchstums und der ganzen Ascese wäre hier völlig überflüssig. Die betreffenden Ansichten werden sich ewig unvermittelt gegenüberstehen. Bei einer gewissen Sinnesweise wird man diese Dinge im Leben wie in der Geschichte hassen und anfeinden, bei einer andern sie lieben und loben. Wer aber vom christlichen Standpunkt aus mit jenen alten Helden der Wüste rechten will, der sehe wohl zu, dass er nicht als der inkonsequentere Teil erfunden werde. Die Lehre von der stellvertretenden Busse ist noch nicht vorhanden, und der Ascet steht also ganz in seinem eigenen Namen da; die Busse gibt ihm damals noch so wenig als ein anderes gutes Werk Anspruch auf die Seligkeit; und dennoch strebt er nach einer absoluten Verleugnung der Sinnlichkeit und aller weltlichen Beziehungen. Woher diese Strenge? Daher, dass es überhaupt kein Verhältnis zur äussern Welt mehr gibt, sobald man gewisse Worte des Neuen Testamentes ernstlich nimmt und sich nicht mit Akkommodationen durchhilft. Es wird aber, solange es ein Christentum gibt, auch Gemeinschaften, Sekten und einzelne Menschen geben, die sich dieser ernstlichen Auslegung gar nicht entziehen können.
Fußnoten
666 Wäre dies geschehen, etwa auf einer Synode, so würde es an einer Notiz darüber gewiss nicht mangeln.
667 Wogegen die Inschrift bei Orelli 1061 zu Ehren Mercurs bei der damaligen Götteransicht nichts beweisen würde. – Vgl. oben S. 288 f. und S. 369 nebst Anmerk.
668 Panegyr. VII, 21.
669 Siehe das Zitat aus Orat. VII, fol. 228, bei Neander, K. Gesch., Bd. III, S. 13. – In den Caesares, p. 144 höhnt Julian über das andächtige Verhältnis Constantins zur Mondgöttin (Selene).
670 [Nachtrag:] »Der erste Kaiser, welcher verurteilte Christen in Masse begnadigt hat, Commodus, ist ein eifriger Mithrasverehrer gewesen.« (Zahn, Constantin und die Kirche, S. 10.)
671 [Nachtrag:] In dem mannigfach belehrenden Aufsatz von Brieger, »Constantin d. Gr. als Religionspolitiker« (Briegers Zeitschrift für Kirchengeschichte IV, Heft II, Gotha 1880) findet sich S. 176 und S. 180 eine Zusammenstellung in betreff der Münzen mit heidnischen Reversen und derjenigen (erst aus den letzten Jahren), welche etwa das christliche Monogramm tragen. Die übergrosse Häufigkeit der