Baupläne der Schöpfung. Johannes Huber

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Baupläne der Schöpfung - Johannes Huber

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      »Ich habe da etwas entdeckt. Junge Ratten sind viel stressresistenter, wenn sich ihre Mütter beim Stillen um sie kümmern.«

      »Tatsächlich?«

      »Ja, ich verrate dir die Details. Nehmen wir noch eine Runde, Moshe?«

      »Sicher, Michael.«

      Bei diesem Gespräch soll Moshe Szyf – so berichtet Craig Miller am 2. Juli 2010 im Fachmagazin Science – die Erleuchtung gekommen sein. Es lag nicht am Bier. Das muss etwas mit der Methylierung an der DNA zu tun haben, dachte er. Ein Mechanismus, den Szyf bislang nur an Stammzellen und an Krebsgeweben hatte beobachten können. Das stand im Widerspruch zur üblichen Meinung, dass sich Impressionen über Neuronen manifestieren. Diese Neuronen bilden bei entsprechenden Reizen mehr Synapsen, die dann umso leichter wieder bemüht und aktiviert werden können. 2004 publizierten beide in Nature Neuroscience einen Artikel, der zu den meistzitierten dieses wissenschaftlichen Journals zählt.

      In ihm berichteten sie von einer Hormonuntersuchung, die sie an jungen Ratten vorgenommen hatten. An Nagern, die nach ihrer Geburt ausreichend gestillt wurden, und an einem zweiten Kollektiv, dem es nicht so gut ging. Wurden diese Tiere später mit Stresssituationen konfrontiert, schütteten die Ratten, denen in der Kindheit wenig Zuwendung zuteil geworden war, reichlich Cortisol, also Stresshormone, aus. Die Nebenniere, in der das Cortisol gebildet wurde, reagierte damit überschießend. Mit all den körperlichen Reaktionen, die ein hohes Maß an Stresshormonen mit sich bringt. Der Grund für diese massive Cortisolbildung bei den kindlich vernachlässigten Tieren: In bestimmten Bereichen des Hirns fehlten die Cortisolrezeptoren, die normalerweise die Stressreaktionen ausbalancieren. Durch die fehlende Zuwendung und das kümmerliche Stillen waren diese Rezeptoren methyliert – und damit außer Kraft gesetzt.

      In der Folge erzielte eine zweite Publikation enormes Interesse: Studenten von Michael Meaney untersuchten das Östrogenrezeptorgen und seinen Methylierungszustand. Wurde den Labortieren nach ihrer Geburt der Zugang zum Stillen erschwert, dann besaßen sie auch im Erwachsenenalter einen methylierten Östrogenrezeptorgenabschnitt, der die Ablesung erschwerte. Und vor allem verhinderte, dass ein weiteres Hormon, Oxytocin, im Gehirn ausgeschüttet wird. Dieses Hormon regelt die Zuwendung und das Vertrauen – auch beim Menschen –, und es ist für das Stillen mitverantwortlich. Ratten, die kaum gestillt wurden, zeigten dadurch ein ähnliches Verhalten, wenn sie selbst Kinder zur Welt brachten.

      Aber auch das Gen für den Brain Derived Nerve Growth Factor der Jungen wird hypermethyliert und inaktiv gesetzt, wenn Muttertiere während ihrer Schwangerschaft mit sozialem Stress konfrontiert sind. Das Methylierungsmuster bleibt später erhalten. Interessanterweise greifen bestimmte Psychopharmaka in den epigenetischen Code ein und acetylieren das Gen für den Brain Derived Nerve Growth Factor, wodurch sie es aus der Lethargie wieder herausholen und – schnipp! – aktivieren.

      Während für die Verhaltensforscher die Epigenetik eine willkommene Erklärung für Phänomene darstellt, die sie beobachten, aber naturwissenschaftlich bis dato nicht zuordnen konnten, stehen Biochemiker und Molekularbiologen den epigenetischen Interpretationen noch abwartend bis skeptisch gegenüber. Timothy Bestor, ein Genetiker der Columbia University, meint, dass mehr naturwissenschaftliche Studien notwendig seien, um tatsächlich derartige verhaltensbiologische Schlüsse zu ziehen. Was man, so der Einwand, bei Einfachmechanismen wie der Hefe nachweisen kann, muss nicht zwangsläufig in der Komplexität des Gehirns stattfinden. Allerdings können selbst die kritischsten Molekularbiologen nicht leugnen, dass es Prägephänomene gibt, die den Menschen klinisch über Jahrzehnte begleiten. Die Suche nach dem Alphabet für diese Phänomene ist noch nicht abgeschlossen. Die Tendenz scheint in die Richtung zu gehen, dass epigenetische Mechanismen ihre Hand im Spiel haben.

      Für den Geburtshelfer ist eines wichtig: Die Neugeborenen müssen von der Mutter liebkost und gestreichelt werden. Das prägt sie ein Leben lang und hilft, Stresssituationen mit Gelassenheit entgegenzutreten. Die ersten Lebensjahre sind das zweite epigenetische Fenster, währenddessen sich die Außenwelt im Kind niederschlägt, vor allem in der Zuneigung, die man dem Kind über taktile Reize entgegenbringt. Das Kind speichert sie und gibt sie später an die eigenen Kinder weiter.

      Uns zeigt das etwas sehr Schönes. Liebe lässt sich vererben.

      Die Pubertät und der Prägestempel

      Schwierig, schwierig. Und doch so aufschlussreich. Die Zeit der inneren Irritationen. Sturm und Drang ohne Maß und Ziel. Wo geht die Reise hin, hm? Man weiß es nicht zu richtig zu deuten, woher auch, wozu auch. Der Geist der Rebellion erwacht.

      Gesellschaftliches, soziales und weltanschauliches Verhalten entscheidet sich meist in der Kindheit und in der Pubertät. Es ist die Prägephase, in der die elektronischen Medien zunehmend die Funktion des Idols übernehmen. Dazu die sozialen Medien, die Wertungen, die Mahnstimmen der bloggenden Umwelt. Alles Weichen, wichtige Weichen. Da diese Kurseinstellung junger Menschen jahrzehntelang anhält und nicht den Genen selbst zugrunde liegt, darf man eine epigentische Wirkung der elektronischen Medien vermuten.

      Eine internette Auswirkung.

      Der epigenetische Einfluss der Medien ist gut untersucht. Daneben gibt es viele andere Varianten, die unsere Physiologie und unsere Lebenseinstellungen prägen.

      Die härtesten Daten gibt es derzeit aus der TV-Welt. Seit 17 Jahren testet Peter Winterstein, Kinderarzt in Baden-Württemberg, fünf – bis sechsjährige Kinder und lässt sie dabei zeichnen. Dieser Blick in die Kinderseele hat eine Überraschung gezeigt: Während Vorschulkinder mit einem TV-Konsum von weniger als 16 Minuten pro Tag Männchen mit Haaren, Kleidern und Schuhen zeichnen, begnügen sich gleichaltrige Kinder, die täglich drei Stunden und mehr fernsehen, mit der Darstellung verkrüppelter Strichmännchen, denen Glieder aus der Hüfte wachsen oder Beine aus dem Kopf. Winterstein macht für solche Entwicklungsdefizite vor allem den Medienkonsum verantwortlich. Dabei besuchten aber alle Untersuchten eine Schule und ab dem Alter von drei Jahren mindestens halbtags den Kindergarten.

      Winterstein gehört mit seinen Untersuchungen zu jenen Medizinern, die nicht müde werden, vor den Folgen kindlichen TV-Konsums zu warnen. Er schrie es geradezu heraus: Passt auf, liebe Mütter und Väter, der Flachbildschirm ist nicht so harmlos, wie er ausschaut. Fernsehen verändert.

      Ähnlich der deutsche Neurophysiologe Manfred Spitzer, ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Uniklinik Ulm. Er liefert Erklärungen, wie es zu medialen Schäden kommt: In einem Gehirn prägen sich nur jene Dinge besonders gut ein, die über mehrere Sinne erfasst werden können, die also Ohr, Auge, Nase, Tast – und Geschmacksinn beschäftigen. Fernsehen sei dagegen eine, verglichen mit der wirklichen Welt, armselige Angelegenheit. Sie führe zu einer Reduktion der Vorstellungswelt. Sprich: Beim Zappen geht die Fantasie flöten.

      Solche Erkenntnisse haben sich längst in einer Empfehlung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung niedergeschlagen. Demnach sollten Kinder im Vorschulalter nicht länger als 30 Minuten pro Tag fernsehen, für Grundschulkinder sei eine Stunde akzeptabel. Daran halten sich nur wenige Eltern. Manche, die es dank ihrer Ausbildung besser wissen sollten, bezeichnen scherzhaft das Fernsehen als ihr Kindermädchen. Vor dem die Kinder ruhig gehalten werden können. Wozu mit den Rackern reden, wenn es die Teletubbies gibt.

      Obwohl die Faktenlage erdrückend scheint, tut sich, wie Christian Seel in Die Welt schrieb, die Forschung immer wieder schwer, einen Wirkungszusammenhang zwischen TV-Konsum und Bildungschancen zu belegen. Zum einen sind Fernsehabstinenzler als Vergleichsgruppe kaum verfügbar, zum anderen kann man den hohen TV-Konsum auch als Symptom für andere Dinge werten, die im kindlichen Umfeld schief laufen. So ergab vor kurzem eine große Studie in Nordrhein-Westfalen an 5.500 Kindern, dass der Medienkonsum umso

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