Baupläne der Schöpfung. Johannes Huber
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Mehr noch, ich meine, es ist legitim.
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Feuerbach und die Brandstifter
Und dann kam Ludwig Feuerbach. Der deutsche Philosoph und Anthropologe führte einen privaten Glaubenskrieg gegen das Transzendente. Er war einer der ersten, der den »Geist der Theologie« dem »Geist der Naturwissenschaft« gegenüberstellte und es als intellektuell unschicklich empfand, die Hände zum Gebet zu falten.
Natürlich hatte er nicht unrecht, dass sich der Eskimo seinen Gott als Eskimo, der Indianer sich seinen Gott mit roter und der Europäer seinen Gott mit weißer Hautfarbe vorstellt, denn wir können über Göttliches nur in Form menschlicher Vorstellungen sprechen. Soll das ein Beleg für die religiöse Tumbheit des Menschen darstellen? Eine Wunschvorstellung, subjektiv bemalt und aufgeputzt wie die Erscheinung in einem Tagtraum? Ist Gott in Kenia farbig? Diesen Überlegungen schwingt immer ein leiser Zynismus mit. Hört auf zu dilettieren, Kinder, jetzt reden die Erwachsenen.
Konkret sagte er: »Es gibt keinen anderen Weg zur Erkenntnis und zur Wahrheit als durch den Feuerbach.«
Auch nicht die feine englische Art für einen Philosophen, sich als der Weisheit letzter Schluss zu bezeichnen.
So schrieb er, als er allen haltlosen Spekulationen religiöser Vorstellungen ein Ende bereiten wollte und sich als »Zeitenwender« in der Philosophie sah. »Der Feuerbach ist das Purgatorium des Denkens.«
Was für ein Fegefeuer von einem Ego. Der Mann war stark von Hegel beeinflusst. Seine brandredenhafte Religions – und Idealismuskritik hatte Auswirkungen auf die Bewegung des Vormärz. Obwohl Feuerbach nicht einen Bekanntheitsgrad wie Kant erreichte, mit dem er sich manchmal verglich, sind namhafte Philosophen der Meinung, dass seine Zeit noch käme. Das große Aufräumen mit allem, was nach Transzendenz riecht.
Seine Credo war: Nicht Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, sondern der Mensch schafft sich Gott.
Das Gehirn wird zum Transformator, der sogar Wirklichkeiten erfindet. Eine anthropozentrische Vision, die ignoriert, dass unser Bewusstsein geprägt sein könnte. Für Feuerbach war das Weltall noch eine Maschine, der Mensch durch Zufall entstanden, eine Verkettung mehr oder weniger glücklicher Umstände. Er kannte allerdings auch noch nicht die Epigenetik, die bildhafte Anpassungsfähigkeit unseres Genoms und die Spiegelneuronen. Im 19. Jahrhundert war dieses Phänomen noch nicht einmal Science Fiction.
Daher die Maxime: Die Menschen schaffen sich ihre Götter entsprechend ihrem menschlichen Wesen. »Alle Theologie«, tönte Feuerbach, »ist in Wirklichkeit Anthropologie.« Das Mensch-Sein spiegelt sich in den theologischen Reflexionen wider. In transzendentalen Gedanken und Überlegungen erfahren wir nichts über Gott, sondern letzten Endes nur über den Menschen. Der Mensch projiziert seine Wunschvorstellungen auf eine Leinwand – und das ist Gott und die Theologie.
Nein.
Hier widerspreche ich ihm.
Der Mensch ist keine autonome und mit hoher Einbildungskraft ausgestattete Kreatur, sondern seinerseits wieder von der Umwelt und möglicherweise auch von Gesetzen, die uns nicht einsichtig sind, geprägt. Wenn Sehnsüchte und Erlösungsgedanken im Menschen wohnen, so spiegeln sie die Blaupause wider, nach der die Evolution den Menschen formte.
Für Feuerbach war das Bewusstsein über Gott nichts anderes als das Selbstbewusstsein des Menschen. Ich bin da. Ich weiß um meine Existenz Bescheid. Eine freigeistige Beschreibung der Inkarnation, die, ohne dass Feuerbach es beabsichtigte, auch gottnah gedeutet werden könnte: Denn ein Gott oder ein Überwesen wird sich nicht mit Lichtgeschwindigkeit schwere – und zeitlos dem Menschen offenbaren.
Nachdem unsere ganze Existenz Abbildcharakter hat, gibt es zur These, dass der Mensch Gott bloß erfand, auch die Antithese der Feinsinnigen: dass wir nämlich deshalb über Gott nachdenken, weil wir von ihm geprägt worden sind.
Da war etwas, und es hinterließ Spuren.
Prägemechanismen gibt es in der Natur unzählige.
Feuerbach bemüht die Fantasie des Menschen, der er eine eigenständige Spontaneität zuordnet, Dinge aus dem Nichts zu erfinden, so wie den Gottesbegriff. Gerade die Neurophysiologie lehrt uns aber, dass die Konstrukte der Fantasie von jenen Umständen geprägt sind, denen der Mensch gegenübersteht. Die Fantasie kann nur Begriffe schaffen oder neu verbinden, für die der menschliche Geist imprägniert wurde.
Als würde man gute Gedanken auf fruchtbarem Boden säen.
»Der Glaube an ein Jenseits ist«, so Feuerbach, »nicht nur aus der Trauer, nach dem Tode in Nichts aufzugehen, entstanden, sondern der Glaube an das Jenseits entspringt dem Glauben an die Freiheit des Subjekts, die Schranken der Natur überwinden zu können.«
Diese Naturschranken waren für Feuerbach die Gesetze der mechanistischen Physik. »Jenseitsvorstellungen sind«, nach Feuerbach, »der beste Beweis, dass der Mensch die Zwangsjacke der irdischen Existenz überschreiten möchte.« In der Annahme, dass es jenseits dieser Zwangsjacke keine Physik mehr gäbe. Ein Argument, das dem alten physikalischen Weltbild entsprach.
Feuerbach spricht indirekt immer wieder über die »Fantasie«, um zu erklären, warum Menschen auf die Idee kämen, dass es einen Weltenbaumeister gäbe. Die Hypothese, nach der sich unsere Fantasie einen Schöpfer erschafft, rührt aus einem alten neurologischen Konzept: dass der Geist alles, was er will und was ihm genehm ist, aus seiner Tüte hervorholt.
Unsere Fantasie ist aber keine Popcorn-Maschine, aus deren Ideen und Vorstellungen nur so hervorquellen, sondern lediglich Chiffre für neuronale Vernetzungen, die den Stempel eines Gegenübers trägt. Unsere Existenz hat einen Stempel, der unabhängig von uns existiert und dessen Abbild wir sind.
Ob der Mensch deswegen religiös projiziert, weil er dafür geistig durchsättigt worden ist, wäre eine Denkvariante, die man Feuerbach und seinen Brandstiftern als Antithese gegenüberstellen kann.
Ich tue das hiermit.
Feuerbachs Hypothese ist die Projektionswand, die der Mensch mit seinen Wünschen füllt. Allerdings, und das ist meine andere Hypothese, hat diese Wand eine Rückseite, die unabhängig vom Betrachter geprägt wird, ihn aber seinerseits prägen kann.
Der Mensch kann die Rückseite der Wand nicht sehen.
Aber sie ist da.
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Prägende Umstände
Fakten. Einheiten. Systeme. Ziffern. Klammern. Amplituden. Für die mesokosmische Welt, in der wir leben und die sich zwischen dem Mikro – und Makrokosmos bewegt, ist das Diesseits leicht zu beweisen: Elemente, physikalische Gesetze, Schwerkraft und Kausalität. Begriffe, die wir messen können und die sich unserer Vorstellung nicht entziehen, prägen unsere Existenz. Und auch