Baupläne der Schöpfung. Johannes Huber
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See the great Newton, He who first Survey’d
The Plan, by which the Universe was made.
So wie Galilei im Kulturkampf des 19. Jahrhunderts wurde auch Newton von den Enzyklopädisten als modernistische Ikone hochstilisiert, als Vordenker einer Welt ohne Schöpfer. Es war kein Unterschied mehr zwischen himmlischer und irdischer Physik. Das Zeitalter der mechanistischen Weltdeutung hatte begonnen.
Das Planetensystem geriet zu einem gigantischen Uhrwerk, das exakt nach bestimmten mathematischen Gesetzmäßigkeiten ablief. Und die Welt wurde zur Maschine erklärt, zur Weltmaschine, in der Wunder eigentlich nicht notwendig waren und in der immer weniger Menschen eine Notwendigkeit sahen, die Existenz Gottes anzunehmen. In einem Staubsauger liegt auch keine höhere Bedeutung.
Wissenschaft wurde also nicht nur benützt, um Gott zu beweisen, sondern auch im Gegenteil: seine Nicht-Existenz darzustellen und den Religiösen als »dummes Gretchen« abzuqualifizieren. Dass sich die moderne Physik von der mechanistischen Wirklichkeitsinterpretation verabschiedete, klingt aus dem Ruf Einsteins nach: »Newton verzeih mir«. Die spekulative Physik des 20. Jahrhunderts beweist zwar auch keinen Schöpfer, lässt es aber als nicht mehr so unvernünftig erscheinen, wenn jemand in einer persönlichen Entscheidung für Transzendentes stimmt und denkt: Vielleicht hält er sich doch irgendwo im Hintergrund, der große Pan.
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Spekulative Physik und gläubige Vernunft
Um es nochmals in aller gebotenen Deutlichkeit zu sagen: Die Naturwissenschaft soll und kann Gott nicht beweisen. Sie möge es aber als vernünftig gelten lassen, wenn sich jemand für Glaubensinhalte jenseits des Greifbaren entscheidet.
Das bleibt nicht unwidersprochen: So vertritt Arwin Schönberg die Meinung, dass der Glaubensakt ein ausschließlich subjektives Entscheidungsgebäude ist, in dem alles, auch Aliens, angesiedelt werden darf, und der moderne Verfassungsstaat schützt das mit gefälliger Toleranz.
Dem steht eine andere Meinung gegenüber: Glaubensinhalte sollen vernünftig sein. Diesbezüglich war der Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie schmerzhaft, aber eigentlich erfolgreich. Die Offenbarungsinterpretation benötigt die Naturwissenschaft, um den Kern ihrer Botschaft der jeweiligen Zeit anzupassen, mithin in deren »Fleisch zu kriechen«, dem Begriff der »Inkarnation« entsprechend. So ist es mit der Kosmologie, mit Galilei, Darwin und all den anderen passiert. Die Theologie hat von ihnen, wenn auch mit Fehlern, gelernt und ihre Botschaft für die jeweilige Zeit ins richtige Kleid gepasst. Was früher ein Gleichnis war, bräuchte heute eine frischere Interpretation. Womöglich eine quantenphysikalische Entdeckung, die die Brücke zu früher schlägt. Das Ereignis von Bethlehem kann nicht jedes Jahrhundert neu stattfinden, es muss die Botschaft an das jeweilige »Fleisch« moduliert werden: alter Wein in neuen Schläuchen. Heute hieße das: Hey, Buddy, check ab, ob deine Message zum Storytelling passt, und mach ein gscheites Remake.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden alle Wissenschaften, ja alle Lebensbereiche von der mechanistischen, deterministischen Weltsicht erfasst, und damals erschien es als unvernünftig, an einen Weltenbaumeister zu glauben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts legte die Physik Erkenntnisse vor, die die nüchtern ausgerichtete Weltsicht, die sich seit Isaac Newton etabliert hatte, zu hinterfragen begann. Damit wurde Gott zwar nicht bewiesen, doch das Maß der Vernünftigkeit einer Glaubensentscheidung wuchs deutlich.
Der Mensch ist Bewohner des Mesokosmos, alle seine Sinne sind evolutionär durch die Umwelt geprägt, und seine Sinneswahrnehmungen beschränken sich darauf.
Der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk sagt sehr treffend: »Der sichtbare und berechenbare Raum ist nur ein kleiner Schlitz der Wirklichkeit.« Hier das Auge und die Neuronen, die etwas bemerken, dort die Wellen, die durch das Unendliche vagabundieren. »Zwischen beiden besteht kaum eine Berührungsfrequenz.«
Ich behaupte: Es ist unrichtig, wenn Wissensgockeln verkünden, dass im Weltanschaulichen nur das Festgestellte zählt. Denn Nichtwissen ist kein Einwand gegen das Wirkliche. Da braucht man gar kein Pflichtverteidiger der Transzendenz zu sein.
Es ist seltsam, dass dieses Nichtwissen nicht mehr verlegen macht. Die Hardcore-Positivisten und Anthropomorphisten scheren sich nicht um eine Lösung von übergeordnetem Rang. Eine Theorie, die Denkbares übersteigt? Pah. Ein Dialog, theologisch verwässert? Geh bitte! Her mit den Fakten, Fakten, Fakten. Doch Transzendentes ist keine Gerichtsverhandlung, bei der mit Beweisen oder Indizien alles geklärt werden kann. Es gibt nur Hinweise. Die meisten liegen außerhalb unseres Frequenzbereichs.
Katzen können einzelne Farben kaum unterscheiden, die Analyse ihres Sehpigmentes bestätigt das. Sie sehen die Wirklichkeit nur in Grau; trotzdem würde niemand behaupten, dass es Farben nicht gäbe, nur weil das Sensorium der Katzen sie nicht wahrnimmt.
Zwar ist das menschliche Gehirn (bei den meisten Leuten) weiter entwickelt als das der Katzen, trotzdem kann es keineswegs den Anspruch erheben, endgültige Realitäten zu erkennen.
Der Feinsinn in den Antennen erstreckt sich bei Weitem nicht auf das, was um einen kreucht und fleucht. Riechen wir Handywellen? Sehen wir Bazillen? Hören wir Überschall? Ertasten wir Sauerstoff? Schmecken wir eine Idee?
Für die Denker: Schnurrt Schrödingers Katze auch noch, wenn sie tot ist, oder gerade erst dann?
Dem menschlichen Gehirn bleibt in den jetzigen, aber auch in den zukünftigen neuralen Vernetzungen – solange wir an Raum und Zeit gebunden sind – manches verborgen, was dennoch existiert.
Seit Einsteins Relativitätstheorie wissen wir, dass es keine Erfahrungsmöglichkeit der Gleichzeitigkeit gibt. Alles, was wir sehen, ist bereits vergangen. Das resultiert aus der Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit. Das Universum ist ein virtueller Raum, der uns nur aus seiner Vergangenheit trägt und bestimmt – auch das kann als transzendent bezeichnet werden.
Im Verbund mit dem absoluten Limit der Lichtgeschwindigkeit, 300.000 Kilometer pro Sekunde, auf dem die Relativitätstheorie beruht, ergibt sich eine Sichtbarkeitsgrenze für das All, eine Art Welthorizont. Aber auch im Mikrokosmos stößt man zu immer kleineren Bereichen vor, bis schließlich mit der Quantenunschärfe ebenfalls eine limitierender Erkenntniswand erreicht wird. Der Welthorizont schützt uns vor den unendlich Großen genauso wie vor dem unendlich Kleinen.
Im Alltags haben wir es mit getrennten, kausal zusammenhängen Objekten zu tun, im Bereich der Quantenphysik sieht man, dass die Dinge ursachenlos miteinander verknüpft sind. Aber verknüpft ist alles. Alles scheint mit allem unauflöslich zusammenzuhängen.
Ein Orchester mit einem fast pantheistischen Klang.
Es muss nicht jede Regel, jede Lehre und jeder Leitsatz in Stein gemeißelt sein. Die Quantenmechanik räumte mit dem gesetzmäßigen Determinismus auf, in der Welt des ganz Kleinen gilt nur mehr die Wahrscheinlichkeit. Vor allem aber relativierte sich der Versuch, alles auf die Existenz und Wirkung kleinster Materieeinheiten zurückführen zu wollen. Denn von einer »festen« Materie kann man nach Meinung der modernen Physik nicht mehr sprechen. Sie hat sich förmlich in Luft, in Energie aufgelöst. Mit der revolutionierenden Perspektive, dass Subjekt und Objekt verbunden sind, ihre starre Trennung ist nicht mehr möglich.
Eindrücke sind letztendlich nichts anderes als elektronische Signale. Unsere Sinnesorgane erkennen sie und lösen Reaktionsketten aus, verbunden mit dem Objekt, von dem sie ausgehen. Der Beobachter selbst