Vom Fuchs zum Wolf. Sascha Michael Campi

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Vom Fuchs zum Wolf - Sascha Michael Campi

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sich zu verabschieden. Isa machte bereits die Abrechnung und ich begab mich langsam auf den Weg.

      «Keine Begleiterin heute Nacht?», scherzte einer der Kunden, einer der mich kannte.

      «Was nicht ist, kann noch werden», lächelte ich und verliess das Lokal.

      Der letzte Satz des Kunden blieb mir im Kopf und brachte mich auf die Idee, mir einen Kulturaustausch zu gönnen. Kulturaustausch ist ein Ausdruck im Milieu, der so viel bedeutet wie, sich auf eine Prostituierte einzulassen. Ich lief neben die Elite Bar, wo bekanntlich immer käufliche Liebe auf der Strasse angeboten wird.

      Mit diesem Verhalten folgte ich einem weiteren Muster, dem ich bereits Jahre lang gefolgt bin. Nach Trennungen habe ich mich immer, anstatt hinter Liebesschnulzen und Ovomaltine, in One-Night-Stands oder käufliche Liebe gestürzt, um den Liebeskummer zu vertreiben. Ganz unter dem Motto: Single sein hat doch seine Vorteile.

      Es kam mir eine hübsche schwarzhaarige Frau entgegen und ich sprach sie an.

       «Hast Du Zeit?»

       «Nein, mi Amor, bin besetzt.»

      Es vergingen lediglich Sekunden, als bereits die Nächste kam. Sie schien Brasilianerin zu sein. Sie trug einen langen Mantel und bereits ihre markanten Augenbrauen liessen ihr Gewerbe erahnen.

      «Hallo, hast Du Zeit?», sprach ich Sie an, worauf sie verneinte.

      Ich drehte mich bereits von ihr weg, da blieb sie stehen, drehte sich um und korrigierte wie folgt:

       «Ich habe nur eine Viertelstunde Zeit und keine Wohnung, das ist das Problem.»

      Ich erkannte beim Griff in die Tasche, dass ich gar nicht mehr viel Bargeld dabei hatte, da ich bereits die Flaschen im Lokal zuvor mit Karte bezahlt hatte, nachdem ich einige Hunderternoten habe liegen lassen. Meine Hand kramte in meine Jackentasche.

       «Ich habe noch Fünfzig in Bar und eine Wohnung gleich hier, oberhalb der Elite Bar.»

      «Ok, für eine viertel Stunde», meinte die Brasilianerin, lächelte und lief mir zum Hinterhof der Elite Bar hinterher.

      Ich öffnete die Hauseingangstüre. Wir gingen in den zweiten Stock zur Wohnung.

      «Ich muss später noch mein Kind von der Babysitterin in Luzern abholen, habe deshalb nicht viel Zeit», sagte die Prostituierte. Das verwirrte mich etwas, denn selten hört man von Professionellen irgendetwas über ihr Privates, aber es schien eine Ausnahme zu sein und ich hakte nicht weiter nach. Ich öffnete die Wohnungstür. Wir zogen im kleinen Flur unsere Schuhe aus und begaben uns in das direkt danebenliegende Wohnzimmer. Ich stellte mich vor den Salontisch und leerte meine Taschen der Lederjacke. Mein Handy, meinen Schlüssel, meinen Security Stock und meine Zigaretten legte ich auf den Tisch, wobei ich bemerkte, dass die Brasilianerin sich für den Security Stock zu interessieren schien.

      «Was ist das?», fragte sie und ich liess den Stock ausfahren.

      Ich erklärte ihr, es handle sich hierbei um nichts Spezielles, lediglich um ein Schlaggerät zum Schutz bei der Arbeit. Sie nahm ihn in die eine Hand und schlug sich fein auf die andere Hand, mit der Bemerkung: «Ruf mich an.»

      Wir mussten beide kurz lachen und begaben uns in das Schlafzimmer. Die Prostituierte warf ihre Jacke und den geöffneten Schlagstock auf den Sofasessel unmittelbar neben dem Bett. Dann begann sie sich rasant auszuziehen. Sie schien die fünfzehn Minuten ganz präzis gemeint zu haben und wollte keine Minute zu viel verbrauchen. Ich zog mich ebenfalls aus, wobei sie mich unterstützte. Der Kulturaustausch begann seinen Lauf zu nehmen, wobei das Ganze durch meinen Alkoholpegel etwas länger dauerte und wir die vereinbarten fünfzehn Minuten um ein Weniges überzogen.

      «Du schuldest mir nun hundert Franken und nicht fünfzig», fauchte mich die brasilianische Professionelle an.

       «Ich habe dir gesagt, dass ich nur noch fünfzig Franken in bar hier habe.»

      Was folgte war ein portugiesisches Fluchwort und die deutschen Worte: «Ein Schweizer mit Wohnung an der Langstrasse ohne Geld, willst du mich verarschen!»

      Ich versuchte nochmals meine Situation zu erklären und bot an, ihr am nächsten Tag das Geld in der Elite Bar auszuhändigen, aber dies schien sie nicht, oder eher – wollte sie nicht verstehen. Ich konnte meinen Satz kaum beenden, da erwischte mich eine Ohrfeige im Gesicht, worauf ich direkt, reflexartig retour konterte. Die Brasilianerin neigte sich durch meinen Klatscher auf die Seite zum Sofasessel mit Blick auf ihre Jacke und dummerweise auch auf den danebenliegenden Security Stock. Sie griff sich den Security Stock und schlug in Richtung meines Kopfes. Mit Glück konnte ich dank einem Schritt zurück, ihren Schlag auf meinen Kopf verhindern, und es gelang mir, ihr den Stock zu entreissen. Kaum war er in meinem Besitz, kam mir wieder ihre Hand entgegen, wodurch ich die Beherrschung verlor und meiner brasilianischen Widersacherin mit dem Stock zwei bis drei Schläge gegen den Kopf versetzte. Ich erkannte, sie am Kopf verletzt zu haben, da sie blutete. Ich erschrak, wobei mir der Stock aus der Hand fiel.

      Den Auslöser für meine Überreaktion vermutete Dr. Elmar Habermeyer darin, dass durch den Angriff der Prostituierten für mich eine wertschädigende Interaktion entstand und es dadurch die alkoholbedingte Enthemmung zum aggressiven Durchbruch kam, welche Interaktion jedoch damit im Zusammenspiel lag, liess er offen.

      Ich eilte nebenan ins Badezimmer, um ein Frottiertuch für die Wunde zu holen, während sich die Prostituierte auf Portugiesisch vor sich hin fluchend anzog. Als ich ins Schlafzimmer zurückkam, lag sie auf dem Bett und zog sich hin und her wippend, schimpfend ihre Leggins an. Das Blut der Wunde geriet aufs Bett. Ich versuchte ihr das Frottiertuch auszuhändigen jedoch vergebens. Sie zog sich weiter an. Ich nahm meine Kleider ins Wohnzimmer und zog mich dort ebenfalls an. Als ich fertig war, begann ich nervös zu warten. Ich hoffte, das Drama nehme endlich ein Ende. Nach etwa zwei Minuten kam sie aus dem Schlafzimmer mit ihrer Hand an der Kopfwunde.

      «Schau was du angerichtet hast, du Arschloch», warf sie mir vor, streckte mir ihre blutverschmierte Hand entgegen und kam auf mich zu.

      Ich trat einige Schritte zurück bis ich an der Wohnwand ankam. Sie streckte mir die Hand vors Gesicht und noch bevor ich etwas sagen konnte, bekam ich ihre blutige Hand fadengerade ins Gesicht. Ich klatschte ihr nochmals mit der Handkante an den Kopf und schubste sie gegen das Sofa. Von da an begann sie sich zu beruhigen und stellte auch das portugiesische Gefluche ein.

      «Brauchst du einen Arzt, du brauchst doch Hilfe mit der Kopfwunde?», versuchte ich sie zu beruhigen.

      Sie verneinte und begab sich in den kleinen Korridor um sich die Schuhe anzuziehen. Ich begab mich ebenfalls dorthin und zog mir die Schuhe an. Wir liefen gemeinsam die Haustreppe hinunter, wobei sie etwas auf Portugiesisch fluchte und mehrmals den Satz «Scheiss Zürich» auf Deutsch erwähnte. Vor dem Gebäude angekommen lief sie links davon Richtung Taxistand. Ich versuchte durchzuatmen und mich zu beruhigen. Ich musste zuerst realisieren, was gerade geschehen war. Mein erster Gedanke war, retour in die Wohnung zu gehen. Ich entschied mich jedoch dafür ins Auto zu steigen. Es war mein vertrautester Ort in Zürich. Draussen schneite es mittlerweile stark und der Boden war mit Eis bedeckt. Der Wind wehte kalt und die Temperatur war in den Minusbereich gefallen. Im Auto angekommen, kamen mir die Tränen. Ich war nervös und dennoch fing ich langsam an wieder etwas ruhiger zu werden. Ich zündete mir eine Zigarette an und überlegte was ich nun machen sollte. Ich verspürte den Drang mit jemand Vertrauten zu Reden. Mir kam der Gedanke, dass mein

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