Leichen, die auf Kühe starren. Tatjana Kruse

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Leichen, die auf Kühe starren - Tatjana Kruse

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donnerte sie.

      Wenn sie in ihren nunmehr 30 Jahren auf diesem Planeten eines gelernt hatte, dann das: Angriff war die beste Verteidigung!

      „Äh …“

      Leo war einen Meter achtzig groß, aber der Mann überragte sie um mehr als Kopfeslänge. Und war doppelt so breit wie sie. Außerdem war er im Recht: Es war sein Zimmer, und sie sollte das Bad nur wischen, nicht inspizieren.

      „Haben Sie die grüne Kordel nicht gesehen?“, sagte sie und fischte das Buch aus der Toilette.

      Wenn ein Zimmer gerade gereinigt wurde, hing eine grüne Kordel am Türknauf. Wobei natürlich auch der Wagen mit den Handtüchern und Seifen direkt neben der angelehnten Tür als Indiz dienen könnte.

      „Sie müssen sich bemerkbar machen, wenn Sie hereinkommen!“ Leo sah ihn streng an.

      „Äh …“

      Zweite Lektion: Beim Verteidigungsangriff das Gegenüber nie zu Wort kommen lassen!

      „Was glauben Sie denn, was ich hier tue? Ich wollte gerade den Wasserkasten freiräumen, um ihn sauberzuwischen.“ Hoffentlich meldete er sie nicht dem Direktor. Zimmermädchen mussten über jeden Verdacht des Herumschnüffelns erhaben sein. „In fünf Minuten bin ich fertig. Ich kann natürlich später wiederkommen, wenn Ihnen das lieber ist.“

      Der Ton macht die Musik, und Leos Ton war – ungeachtet der Worte – eher Marschmusik als eine einschmeichelnde Mozartmelodie, wie sie die Hotelleitung für solche Eventualitäten eigentlich vorsah.

      Er sah sie unsicher an. Wie so viele Raubtiere verwirrte es ihn, wenn sich ein Beutetier mit knallharter Selbstsicherheit zur Wehr setzte.

      „Nein, bitte. Machen Sie nur Ihre Arbeit“, sagte er. „Ich rauche so lange eine Zigarette auf dem Balkon. Schon gut, ich nehme es so.“

      Er nahm ihr das tropfende Buch ab und zog sich auf seinen Zimmerbalkon zurück.

      Leo atmete tief aus. Nochmal gut gegangen. Sie wollte zwar ihren Vertrag nicht verlängern, aber eine fristlose Kündigung konnte sie jetzt auch nicht gebrauchen.

      Jeden Morgen bekam sie den Belegungsplan, auf dem die Zimmer aufgeführt waren, die sie an diesem Tag reinigen musste. Darauf stand die Personenzahl pro Zimmer und ob eine Ab- oder Anreise anstand. Die Sisi-Suite war von zwei Männern belegt. Für sieben Nächte. Anfangs hatte Leo geglaubt, es müsse sich um ein schwules Pärchen handeln, möglicherweise ziemlich sicher auf Hochzeitsreise, denn die romantische Sisi-Suite wurde fast ausschließlich für diesen Zweck gebucht. Aber nachdem sie die beiden Herren zufällig vor zwei Tagen im Hotelflur in Augenschein hatte nehmen können, war eins klar: Schwul waren die nicht. Also, vielleicht doch, man wusste ja nie. Aber die beiden waren das lebende Stereotyp von zwei Hetero-Schlägern, die für ein Inkasso-Büro arbeiten. Oder für einen Mafiaboss Schutzgelder einsammeln. Etwas in der Art. Körperbau, Anzüge, Ausstrahlung – da konnte es gar keinen Zweifel geben. Vermutlich teilten sie sich nur die Sisi-Suite, weil alle anderen Suiten schon belegt waren und sie was Großes wollten, um nachts zusammen im neuesten Schlagring-Katalog zu blättern.

      Leo linste um die Ecke und putzte dann weiter.

      Und ja, um der Wahrheit die Ehre zu geben, sie hatte in der Suite herumgeschnüffelt. Schon vor dem Buch unter den Handtüchern. Die meisten Menschen versteckten Dinge, die die Zimmermädchen nicht finden sollten, unter den gefalteten Pullovern im Kleiderschrank. Oder in ihren Koffern. Leo hatte beim Öffnen der Koffer sehr darauf geachtet, dass da kein Haar absichtlich unabsichtlich über dem Reißverschluss lag. Aber in den beiden Carry-ons der Männer befand sich nur die Schmutzwäsche, unter ihren Pullis lagen nur weitere Pullis, und in den Kulturbeuteln hatte sie weiter nichts als das Übliche plus einer Revitalisierungscreme für Schütterhaarige gefunden.

      Leo wischte zügig die Fliesen sauber, dann verließ sie mit einem „Schönen Tag noch!“ das Zimmer.

      Zu ihrer Verteidigung kann nur gesagt werden, dass ihr Job eben total öde war. Und dass sie als Kind mit ihrer Mutter – die vor nun schon zehn Jahren bei einer Bergwanderung ums Leben gekommen war – immer Privatdetektiv gespielt hatte: verfolgen, aufspüren, deduzieren. Sie hatte es geliebt. Und die Mama auch.

      Na gut, die beiden Schläger boten also nichts Interessanteres als eine heimliche Liebe zum Heimwerken. Die Hoffnung stirbt ja zuletzt. Vielleicht bot das nächste Zimmer eine faszinierende Abwechslung.

      Leo sah auf den Belegungsplan. An der Tür zur großen Kaisersuite, in der sich eine arabische Familie einquartiert hatte, hing nun schon den dritten Tag in Folge das Bitte-nicht-stören-Schild.

      Leo schob den Wagen mit den Putzutensilien und dem Nachschub an Handtüchern und Goodies über den rot-weiß karierten Teppichboden zur letzten Suite, der Bellevue-Suite. Belegung: eine Person. Abreise: noch offen. Das gab es auch nur in der Zwischensaison, dass sich jemand spontan überlegen konnte, wie lange er bleiben wollte.

      „Housekeeping“, rief Leo und klopfte an die Zimmertür. Die im selben Bruchteil der Sekunde von dem weiblichen Gast der Suite aufgerissen wurde. Leo bekam beinahe einen Herzkasper. „Oh, Entschuldigung.“

      „Nein, bitte, kommen Sie ruhig herein. Mein Zimmer hat es nötig.“

      Leo sah über die Schulter der Frau. Wenn es ein Zimmer gab, das es nicht nötig hatte, dann dieses hier. Es sah nachgerade unbewohnt aus. Nirgends lag etwas herum, sogar die Betten waren schon gemacht. Sehr ungewöhnlich. Normalerweise ließen Hotelgäste das innere Ferkel raus, warfen ihre Klamotten überallhin, zielten mit den Abfällen auf den Papierkorb und scherten sich nicht, wenn sie ihn verfehlten, und vermittelten generell den Eindruck, als hätten sie eine Bombe hochgehen lassen. Weil, man musste ja nicht selbst aufräumen und putzen. Dieses Zimmer hier wirkte dagegen klinisch rein. Gehörte die Zimmerbewohnerin zu den Menschen, die auch zu Hause immer putzten, bevor die Putzfrau kam?

      Aber auch, wenn Leo quasi nur die Betten machen und einmal über alle Oberflächen wischen musste, sie schätzte es nicht, wenn die Hotelgäste während des Reinigungsvorgangs anwesend waren. „Ich will Sie nicht stören. Ich komme später wieder.“

      „Nein, nein. Es passt gerade gut. Bitteschön. Im Bad müssen Sie nichts machen. Nur die Papierkörbe leeren. Und den Aschenbecher auf dem Balkon.“

      Die Frau trat zur Seite, um Leo einzulassen. Sie war auf den ersten Blick in Leos Alter, aber das wollte nichts heißen. Die Optik konnte täuschen. Letzte Woche hatte Leo in der Douglas-Filiale drei Blondinen gesehen, die sie von hinten für Drillinge gehalten hatte. Erst als sie an ihnen vorbei zur Kasse ging, wurde ihr klar, dass es sich um Großmutter, Mutter und Enkelin handelte. Drei Russinnen, die zweifelsohne sehr viel Geld in diese mehr oder weniger gelungene Täuschung investiert haben mussten.

      Leo seufzte, trat ein und leerte als Erstes die Papierkörbe. Die Frau hatte den kleinen Maiereimer aus dem Bad geholt und die Badezimmertür geschlossen. Leo wollte den geleerten Mülleimer wieder ins Bad stellen, da rief sie: „Schon gut. Ins Bad müssen Sie nicht. Die Handtücher benutze ich alle nochmal.“

      „Ich sollte aber …“, fing Leo an.

      „Ins Bad müssen Sie nicht!“, erklärte die Frau final.

      Leo nickte und ging zum Bett. Beim Aufschütteln der Bettwäsche sah sie aus den Augenwinkeln zu der Frau, die es sich in der Wohnecke der Suite bequem gemacht hatte. Sie lag sehr elegant auf der Couch und blätterte in der Vogue. Leo hatte in ihrem ganzen Leben noch nie so elegant

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