Die Welt im Viertel. Cord Buch

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Welt im Viertel - Cord Buch страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Die Welt im Viertel - Cord Buch Krimi

Скачать книгу

style="font-size:15px;">      »Das war Svens Mutter. Er wurde ins Krankenhaus eingeliefert.«

      »Warum?«

      »Er ist gestürzt, und in der Panik sind andere über ihn hinweggetrampelt.«

      »Und, ist es schlimm?«

      »Er liegt im Koma. Die Ärzte wissen nicht, wie lange das dauern wird. Und auch nicht, ob er jemals wieder aufwachen wird.«

      Hauptkommissar Werner Jensen blättert lustlos in den verknitterten Dokumenten einer Akte. Gewöhnlich bestimmen digitale Akten sein Tagesgeschäft, klickt er sich mit der Maus durch Ermittlungsergebnisse und nutzt die automatisierten Analysefunktionen der Polizeisoftware auf seinem Computer. Doch eingescannte Dokumente vermitteln ihm nicht den taktilen Reiz einer papierenen Akte.

      Er nimmt gern Papier in die Hand, riecht die leicht würzige Muffigkeit der Vergangenheit und hofft, dass zusammen mit dem Geruch ein Körnchen verborgener Wahrheit aus den Dokumenten zu ihm hinüberströmt.

      Jensen ist mit einem wieder aufgerollten Fall beschäftigt, einem Altfall. Zwölf Jahre ist es her, dass ein Obdachloser in der Nähe des Hamburger Rathausmarktes ermordet wurde. Der Täter konnte nicht ermittelt werden und läuft immer noch frei herum.

      Der Hauptkommissar krault gedankenverloren seinen Vollbart, für den es an der Zeit ist, gestutzt zu werden.

      Seine Kolleginnen Wiebke Maurer und Conny Schrader sind vor drei Tagen abgezogen worden. Sie stehen zusammen mit über dreißigtausend anderen Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet und dem Ausland Tag und Nacht auf der Straße. Sie sollen mit dafür sorgen, dass der Gipfel der zwanzig mächtigsten Regierungschefs reibungslos und ohne Störungen verläuft.

      »Welch ein Wahnsinn«, denkt Jensen. »Wie kann man nur ein solches Ereignis inmitten einer Großstadt stattfinden lassen? Und dann noch am Rande eines Viertels, das nicht nur als Partyviertel, sondern auch als Hochburg alternativer Ideen und Proteste gilt.«

      Schon zu Ostern, vor knapp einhundert Tagen, wurden Beamte aus den Kommissariaten abgezogen und zu Alarmhundertschaften zusammengefasst, um Osterfeuer zu bewachen, auf der Reeperbahn zu patrouillieren, den Stall der Polizeipferde oder die Polizeiboote auf der Außenalster zu schützen. Selbst Drogenspürhund Trude muss seit Wochen Wache schieben, statt Drogendealer zu enttarnen oder im Hafen Schmuggelgut aufzuspüren.

      Jensen ist froh, nicht auf die Straße abkommandiert worden zu sein. Sicher hätte er mit seinem in der letzten Zeit umfangreicher gewordenen Bauch Demonstranten stoppen können. Aber das hat er niemand vorgeschlagen. Sein Alter war es nicht, was ihn vor dem Außendienst gerettet hat. Andere Kollegen an die fünfzig müssen auch nach draußen.

      Doch sein Innendienstdasein hat eine gewaltige Schattenseite: Die nicht in Alarmhundertschaften eingesetzten Beamten müssen Zwölfstundenschichten schieben. Und das im Sommer. Er würde lieber seine Abende mit einem Glas kühlen Weißweins im Garten genießen und in die Farben des Sonnenuntergangs schauen.

      Jensen blickt zum wiederholten Mal rechts unten auf seinen Bildschirm, wo ein Newsticker läuft und im Minutentakt Meldungen ausspuckt. Er möchte wissen, wie es seinen Kolleginnen auf der Straße ergeht und wie die Stadt die Gipfeltage übersteht.

      Die Nachrichten sind wie erwartet: Straßentheater, Demonstrationen, Blockaden, Verkehrschaos, Straßensperrungen. Seit Tagen nehmen die Anzahl der Aktionen, die Anzahl der Teilnehmer daran und die polizeilichen Maßnahmen zu.

      Er wendet sich wieder dem Altfall in der muffigen Akte zu. Allen Spuren ist nachgegangen worden, und einen neuen Anhaltspunkt hat er nicht gefunden. Er beschließt, ein weiteres Mal die Zeugenaussagen durchzugehen. Vielleicht findet er das eine Wort, an dem etwas nicht stimmt und das den Weg auf eine bisher übersehene Spur weist. Aber wo in dieser verdammten Akte hat sich dieses Wort versteckt?

      Wieder verlangt der Nachrichten ausspuckende Newsticker seine Aufmerksamkeit und entzieht diese dem hoffnungslosen Fall. Die Worte auf dem Bildschirm lassen Jensen erstarren. »Eilmeldung: Polizistin in Hamburg auf offener Straße erschossen.«

      An der Straßenecke unweit des Polizeikommissariats 17 ist es ruhig. Es sind noch achthundert Meter bis zu den Absperrungen rund um die Messehallen. Hier ist nur ein Vorposten eingerichtet worden; die eingesetzten Beamten führen per Augencheck Vorkontrollen durch. Die wirklich wichtigen und neuralgischen Punkte werden von anderen Einheiten gesichert, von Bundespolizei und Spezialkräften, auch Scharfschützen sind dabei. Etwa hundert Menschen haben sich in gebührendem Abstand vor dem Posten versammelt.

      »Eigentlich ganz nett, bei diesem Wetter draußen zu sein. Besser als Büro.«

      Conny Schrader hat ihre blonden Haare hochgebunden, an ihrem Gürtel wippt ihr Helm.

      »Mir ist es viel zu heiß in diesen Klamotten.«

      Wiebke Maurer steht neben ihrer Kollegin und ist froh, an diese Straßenecke abkommandiert worden zu sein. Das Risiko, in eine gewalttätige Konfrontation verwickelt zu werden, erscheint ihr gering. Nur wenige Hundert Meter weiter kann es ganz anders zugehen.

      So ganz ihr Typ ist Conny Schrader nicht, zu forsch, zu karrieregeil, zu sehr sich lieb Kind machend bei Werner Jensen. Der hat Glück, der muss hier nicht auf der Straße stehen. Aber gut, dass Conny auch hier eingesetzt ist, sonst würde sie niemanden kennen.

      »Vielleicht ruft Werner gleich an: Irgendjemand ist ermordet worden, und wir müssen ab ins Präsidium.«

      Conny Schrader lacht, doch Wiebke Maurer glaubt nicht an eine Rettung aus dem unliebsamen Einsatz. Vor allem sollte dafür kein Mensch sterben müssen.

      Ein hochgewachsener Kollege kommt vom Versorgungsfahrzeug zurück und verteilt Wasserflaschen.

      »Trinkt, Mädels«, wirft er mit lässigem Schwung aus dem Handgelenk den beiden Frauen je eine Flasche zu.

      »Du hast gut reden«, lacht Wiebke Maurer und blickt zu ihm auf. »Wir Frauen haben es da etwas schwerer als ihr Männer.«

      »Harald«, gibt sich das große Exemplar Mann einen Namen. »Im Sommer muss man viel trinken, sonst kollabiert der Kreislauf.«

      »Aber viel trinken heißt, oft aufs Klo zu müssen.«

      »Das Problem kennen wir bei der Bereitschaftspolizei. Bei einem Einsatz in Gorleben haben wir klappbare Papptoiletten mitbekommen.«

      »Wie praktisch!«

      Wiebke Maurer ist skeptisch, doch Conny Schrader scheint sich für das Thema zu interessieren. Oder für den Kollegen.

      »Aber die weichen doch durch, oder?«

      »Nee, die sind nur für das große Geschäft. Deswegen heißen die auch Shit Boxes. Die Lösung zum Pinkeln ist eine andere.«

      »Und wie geht die?«

      Der Kollege lacht.

      »Ihr werdet nicht oft auf Demos eingesetzt, oder?«

      Die Frauen schütteln im Gleichklang den Kopf.

      »Na ja, wir Männer bekommen

Скачать книгу