Die Welt im Viertel. Cord Buch

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Die Welt im Viertel - Cord Buch Krimi

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Kollegin ist gut in Kopfrechnen.

      »Das ist eine Milchmädchenrechnung.« Müller ist gut informiert über die GESA. »Eine Einzelzelle hat drei Quadratmeter, in einer Sammelzelle kommen fünf Festgenommene auf neun Quadratmeter. Der Rest der Halle wird für die Bürocontainer gebraucht, in denen wir Staatsanwälte, die Richter und Rechtsanwälte ihren Arbeitsplatz haben. Dazu kommen noch Räume für Ansprechpartner aus Konsulaten, falls ausländische Staatsbürger festgesetzt werden.«

      Ein Anruf des Oberstaatsanwalts reißt Müller aus dem Gespräch und dem Warten auf den ersten Gefangenentransporter. Es gibt eine Tote, eine erschossene Polizistin, einen Mord. Müller soll übernehmen.

      Er streicht seinen Anzug glatt und fährt sich mit der Hand durch seine dunklen und lockigen Haare. Der Fall kommt zur rechten Zeit. Er steckt seine Kraft lieber in eine wirklich wichtige und interessante Untersuchung, als sich mit verhafteten Demonstranten herumschlagen zu müssen, in deren Rucksäcken Pyrotechnik gefunden wurde. Er eilt von Harburg aus in sein Büro.

      »Endlich.«

      Müller begrüßt ungeduldig Jensen und Moser, als sie wenige Minuten nach ihm das staatsanwaltliche Zimmer betreten. Mit der linken Hand schiebt er seine neue Brille zurecht, die genauso unmodisch daherkommt wie ihre Vorgängerin.

      »Es gibt einen Angriff auf den Staat. Eine seiner Repräsentantinnen ist ermordet worden. Der oder die Mörder müssen sofort gefasst werden. Höchste Priorität, Sie können sich das denken.«

      »Conny Schrader war meine Kollegin, sie gehörte zu meinem Team.«

      Jensen geht nicht auf den Staatsanwalt ein.

      »Genau«, fährt dieser mit Worten fort, die er sich unterwegs zurechtgelegt hat. »Der Staatsschutz wird die Ermittlungen übernehmen. Wir richten eine Soko ein. Herr Moser wird diese leiten. Sie wird alle Unterstützung bekommen, die sie benötigt. Materiell, personell, und so weiter.«

      Staatsanwalt Müller dreht seinen Kopf und blickt Jensen in die Augen.

      »Sind Sie emotional in der Lage, in der Soko mitzuarbeiten?«

      »Conny Schrader war meine Kollegin«, wiederholt sich Jensen.

      »Und deshalb sind Sie möglicherweise befangen, psychisch belastet, irgend so etwas, und das könnte sie in ihrer Arbeit behindern.«

      »Auf keinen Fall. Ich will den Mörder meiner Kollegin fassen.«

      »Gut«, der Staatsanwalt will schnelle Ergebnisse, aber keine Diskussionen, und schon gar nicht über die emotionale Befindlichkeit einzelner Polizisten.

      »Unterstützen Sie Herrn Moser bei den Ermittlungen.«

      Jensen schluckt unmerklich für den Staatsanwalt und Moser. Er soll das fünfte Rad am Wagen sein und nicht die Soko leiten, wie üblich? Aber egal, Hauptsache, er ist dabei. Aber eine Frage muss er noch klären.

      »Die Kollegin Wiebke Maurer sollte auch der Soko angehören.«

      »Warum?«

      »Sie kannte von uns Kollegen die Tote am besten.«

      »In Ordnung. Ich habe Ihnen ja alle Unterstützung zugesagt. Und nun bitte an die Arbeit. Heute Abend um acht werden Sie mir die ersten Ergebnisse vorlegen. Brauchen Sie mich vorher, wissen Sie, wie Sie mich erreichen können.«

      Nele schlägt sich von den Containern des KIDS zum Hauptbahnhof durch. Die Innenstadt sieht aus wie auf ihrem Hinweg. Aber Nele spürt eine aggressivere und gespanntere Stimmung. Sind das die Wellen, die der Gipfel in die Gefühle der Menschen aussendet?

      »Der nächste Zug Richtung Altona hat fünfzehn Minuten Verspätung«, quäkt der Bahnsteiglautsprecher über die wartenden Zuggäste, von denen niemand erwartet, dass während der Gipfeltage der Fahrplan eingehalten wird.

      Nele nimmt ihr Smartphone zur Hand und wählt einen Tweet, in dem zeitnah über die Geschehnisse auf den Straßen berichtet wird. Sie mag nicht glauben, was sie liest: Eine Polizistin soll erschossen worden sein.

      »Wer tut so etwas?«, denkt sie. Und gleichzeitig befürchtet sie, dass über die Ungerechtigkeiten in der Welt, den drohenden Klimakollaps und über Gegenentwürfe in den nächsten Tagen kaum geredet werden wird. Die öffentliche Debatte wird von der Ermordung der Polizistin geprägt werden.

      Der verspätete Zug rollt vor der angekündigten Zeit ein, und eine Viertelstunde später betritt Nele den Redaktionskeller der Stadtrundschau. Eine hektische Arbeitsatmosphäre empfängt sie und saugt sie auf. Es wird diskutiert, recherchiert, telefoniert und geschrieben. An seinem Arbeitsplatz erblickt sie Bernd. Sie eilt zu ihm hin.

      »Es wurde eine Polizistin erschossen.«

      »Ich weiß.«

      »Wer von uns schreibt darüber? Das geht gar nicht, Leute zu erschießen.«

      »Mal langsam, Nele. Ich bin auch gerade erst reingekommen. Und ich glaube, wir sollten das nicht so hoch hängen. Verstehst du, Henne und Ei? Sven ist tot, durch einen Polizeieinsatz ums Leben gekommen. Und jetzt eine Polizistin. Das ist die Realität dieses G20-Gipfels.«

      »Das meinst du nicht ernst, oder? Svens Tod ist doch kein Grund, eine Polizistin zu erschießen. Mensch, Bernd!«

      »Und was meinst du, wie viele Demonstranten in den kommenden Tagen verletzt werden? Wie viele festgenommen werden? Wie viele der jungen Leute den Gipfel mit einem Trauma überleben? Und das alles nur, damit Trump und Putin mit Erdogan und Konsorten abfeiern können!«

      »Bernd, ganz ruhig. Wir sind alle überreizt in diesen Tagen. Monatelang hat der Gipfel seine Schatten vorausgeworfen. Jetzt geht es los. Und wir wissen nicht, was uns erwartet.«

      »Damit hast du wohl recht.«

      Jensen öffnet die Tür seines Büros. Auf einem Stuhl entdeckt er eine zusammengekrümmte Wiebke Maurer. Sie hat ihre Uniform gegen Jeans und Shirt getauscht, ihre langen und blonden Haare sind zerzaust. Das Gesicht ist gezeichnet von ihrem Erlebnis, ist grau wie das Straßenpflaster, auf das das Blut von Conny Schrader vergossen wurde.

      Jensen geht langsam und wortlos auf sie zu, beugt sich zu ihr hinab und nimmt seine Kollegin wortlos in die Arme. Sie schmiegt sich an ihn, ebenfalls stumm, bis Jensen das Schweigen unterbricht.

      »Du solltest nach Hause gehen, du hast einen Schock.«

      »Nach Hause gehen?« Wiebke Maurers dunkle Stimme überschlägt sich in unbekannter Höhe. »Nach Hause? Ich? Conny ist erschossen worden. Direkt neben mir!«

      »Ja, Conny ist erschossen worden.«

      Jensen geht in sich und findet irgendwo in seinem Innern neue Energie.

      »Wieso bist du nicht mehr auf der Straße?«

      »Der Einsatzleiter hat mich gehen lassen. Ich habe ihm erzählt, du brauchst mich.«

      Jensen kann nicht an sich halten, er grinst unpassend für die Situation. Wiebke Maurer bekommt das nicht

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