Die Welt im Viertel. Cord Buch

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Die Welt im Viertel - Cord Buch Krimi

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Morgenstern reserviert. Punkt sechs öffnet er die Kneipentür, und ein Schwall Stimmen und Gerüche, unterlegt von jazziger Weltmusik, schlägt ihm entgegen. Die punkige Kellnerin weist ihm einen Vierertisch zu. Schade, nicht mal allein wird er mit Nele sitzen können.

      Wenige Minuten nach ihm kommt diese hektisch in ihre Lieblingskneipe und begrüßt Tjark mit einem flüchtigen Kuss.

      »Hast du schon bestellt?«

      »Nein, ich habe auf dich gewartet. Ich habe mal irgendwo gelesen, das gehört sich so.«

      Ein junger, am Hals tätowierter Mann, den Nele noch nie gesehen hat, bleibt mit drei leeren Biergläsern in der Hand neben ihrem Tisch stehen und fragt, ob er schon etwas zu trinken bringen soll.

      »Einen Artero für mich,« antwortet Nele spontan. »Und auch gleich etwas zu essen. Ich nehme den Heringssalat mit Bratkartoffeln.«

      Sie kennt die Speisekarte auswendig, und die Weinkarte sowieso.

      »Und ich ein großes Pils und einen Bauernsalat.«

      Auch Tjark muss nicht lange überlegen.

      »Auf Diät?«

      Nele lacht und schaut ihr Gegenüber an. Nein, Diät hat Tjark nicht nötig. Er kann essen, was er will – an seiner schlanken Statur ändert sich nichts. Nur schade, dass er immer öfter zum Friseur geht. Seit er sich die schönen langen und dunklen Haare hat abschneiden lassen, sieht er ähnlich aus wie andere Männer in seinem Alter. Nele bedauert das.

      »Und, wie lange müsst ihr heute Abend machen? Kommst du noch, bevor ich ins Bett gehe?«

      »Ehrlich, keine Ahnung. Mal sehen, wie Welcome to hell abläuft, mal sehen, was danach passiert. Die Stadtrundschau soll morgen früh möglichst aktuell sein.«

      »Klar«, bemerkt Tjark resignierend.

      »Du, guck mal.«

      Nele zeigt zur Tür und winkt ihrer zehn Jahre jüngeren Freundin Birte zu. Über deren breites Gesicht unter den stacheligen Haaren breitet sich ein erkennendes Grinsen aus. Jan folgt Birte in ihre Zweitwohnung.

      »Schön«, freut sich Nele. »Dann setzen sich keine Fremden neben uns.«

      Der Kellner bringt die Getränke für Nele und Tjark und nimmt die Bestellungen der Neuankömmlinge auf.

      »So schnell sieht man sich wieder.«

      Jan freut sich offensichtlich, Nele zu sehen.

      »Ich habe ihn heute Morgen interviewt«, informiert Nele und wendet sich Birte zu. »Hoffentlich kommt Jan zu euren Dates pünktlicher, als wenn ich eins mit ihm habe.«

      »Jan kommt immer pünktlich, der ist so.«

      »Der ist so? Fast eine Stunde musste ich heute Morgen am Container auf ihn warten.«

      »Das kann an einem Tag wie heute doch passieren, oder?« Jan verteidigt sich lachend. »Nächstes Mal, Nele, werde ich zur vereinbarten Zeit da sein. Versprochen.«

      Die Stunde, die sich Nele in der Redaktion freigenommen hat, vergeht wie im Flug und sie muss zurück. Zum Abschied küsst sie Tjark, Birte und Jan auf die Wange.

      »Ich habe noch ein wenig zu tun.«

      »Schreibt ihr auch über die tote Polizistin?«

      Jan verzögert Neles Verschwinden.

      »Na klar.«

      »Schreibt lieber über die Opfer von Trump und Putin. Oder die im eigenen Land. Der Freund deines Sohnes ist vor Tagen gestorben.«

      »Tun wir auch, schon immer. Aber dieses war ein Mord, und der ist ein Bärendienst an den Opfern von Trump und Konsorten. Und auch an allen, die in den nächsten zwei Tagen auf die Straße wollen.«

      »Nele, du wolltest los«, erinnert Tjark sie an ihr Vorhaben.

      »Ja, doch.«

      Nele lacht, dreht sich um und eilt Richtung Ausgang. Tjark, Birte und Jan bleiben noch. Es geschieht viel an diesen Tagen, über das sich das Reden lohnt.

      ***

      »Ich kann hier nicht herumsitzen und reden, während auf der Straße protestiert wird. Vor allem, nachdem Sven gestorben ist«, unterbricht Birte das Gespräch. »Kommt ihr mit in den Hafen?«

      Tjark und Jan wissen, dass Birte mit Hafen keineswegs Schiffsanlegeplätze oder Containerentladestationen meint, sondern die Hafenstraße mit ihren elf in den Achtzigerjahren besetzten Häusern und dem angrenzenden Altonaer Fischmarkt, dem kopfsteinbepflasterten Platz, auf dem sich sonntagmorgens ab fünf in der Früh die Nachtschwärmer und Touristen tummeln, der unzähligen Marktständen Platz bietet und über dem der Wind den Geruch brackigen Elbwassers mit dem Duft von Blumen und Gewürzen mischt. Dieser Platz ist als Versammlungsort für die Vorabenddemo genehmigt worden. Er liegt weit genug entfernt von der Demonstrationsverbotszone, die einen großen Teil der Stadt umfasst.

      Die drei wagen den Versuch, mit der U-Bahn zu fahren, und haben Erfolg: kein eingeschränkter Verkehr, keine Überfüllung, keine gesperrten Stationen. An den Landungsbrücken steigen sie aus und gehen die Hafenstraße hinauf. Gruppen von Demonstranten ziehen in unterschiedliche Richtungen, Polizeieinheiten mit Wasserwerfern und Panzern dominieren die Straße. Tränengas zieht an der Elbe entlang.

      Birte weist auf einen Polizeibus vor ihnen. Ein Jugendlicher, dessen Hände auf dem Rücken gefesselt sind, wird abtransportiert. Umstehende protestieren lautstark und wütend.

      »Lasst uns hier rechts hoch. Von oben können wir Richtung Fischmarkt schauen.«

      Tjark ist die Situation nicht geheuer. Er spürt, dass sie ein unkalkulierbares Risiko eingehen, wenn sie sich weiter dem Fischmarkt nähern. Birte und Jan stimmen ihm zu und sie gehen den Elbhang hinauf.

      Dicht an dicht stehen Demonstranten, Passanten und Anwohner am Geländer der Straße und auf einer über die Hafenstraße führenden Fußgängerbrücke. Durch den Nebel der Tränengasschwaden blickt Birte auf ein Gewimmel von Menschen, auf das sie sich keinen Reim machen kann. Sie spricht einen neben ihr stehenden Mann an.

      »Was ist denn hier passiert?«

      »Die Polizei hat die Demo nicht losgehen lassen und sie direkt auf dem Fischmarkt aufgelöst. Jetzt weiß niemand, wie es weitergeht.«

      »Wegen dem Schwarzen Block?«

      »Vorn waren wohl tausend im schwarzen Block, aber nur einige von ihnen vermummt. Dahinter standen bestimmt noch zehntausend, unvermummt. Die Polizei ist dann rein in den schwarzen Block. Das ging gleich zur Sache. Viele sind in Panik über die Hochwassermauer geflüchtet. Ich habe nur noch an die Loveparade in Duisburg gedacht.«

      Aus den Worten des Unbekannten spricht Aufregung und Unverständnis.

      »Lass uns zurück. Hier können wir nur herumstehen und gaffen.«

      Tjark behagt die Situation nicht und Birte und Jan schließen sich ihm, über den Polizeieinsatz schimpfend, an. Sie ziehen durch die engen Gassen von St. Pauli Richtung Reeperbahn. Jan blickt sich

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