Die Welt im Viertel. Cord Buch

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Die Welt im Viertel - Cord Buch Krimi

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Wasserwerfern, Räumpanzern und einer Unmenge Behelmter erwartet. Sie reihen sich in die Menge ein, die die Gehwege okkupiert hat und von dort Parolen ruft und das Geschehen lautstark kommentiert. Jan deutet Richtung Nobistor, von wo Sprechchöre herüberwehen. Eine Spontandemo hat sich gebildet; die Polizei macht ihr zögerlich die Straße frei. Birte, Tjark und Jan reihen sich ein.

      Am nächsten Tag wird in den hinteren Seiten der Zeitungen stehen, dass laut Polizeiangaben achttausend Menschen über die Reeperbahn gezogen sind, friedlich und fröhlich. Aber auf Seite eins künden die Schlagzeilen von der Schlacht im Hafen.

      Nadel im Heuhaufen

      »Von anderen schlecht zu denken ist zwar eine Sünde, aber man hat oft recht damit.«

      Giulio Andreotti

      Monrovia, Liberia (2016)

      Samuel und seine Frau Musu stehen an ihrem Stand auf dem Markt. So kann es nicht weitergehen, sagt Samuel zu seiner Frau. Nein, kann es nicht, antwortet sie. Dann schweigen sie und beobachten, wie einkaufende Frauen an ihrem Stand vorbeiziehen. Samuels und Musus Traum ist zerstört.

      Vor zwei Jahren begannen sie, Hähnchen zu mästen. Hilfsorganisationen aus Europa unterstützten sie und finanzierten den Beginn ihrer Existenz. Sie fuhren mit lebenden Hühnern zum Markt, schlachteten sie dort und verkauften sie frisch an ihre Kunden. So wie andere Züchter und Händler auch. Denn wer will schon Fleisch, welches am Vortag geschlachtet wurde und dann stundenlang bei dreißig Grad und sengender Sonne auf einem Marktstand liegt? Und schnell mit Keimen verseucht ist?

      Die anderen Hühnerhändler erscheinen nicht mehr auf dem Markt, sie haben aufgegeben. Nur Samuel und Musu stehen noch dort. Doch auch sie überlegen aufzuhören.

      Samuel und Musu haben mehrmals den Preis für ihre Hühner gesenkt. Aber mit den Importen aus Europa, und besonders aus Deutschland, können sie nicht konkurrieren. Noch weiter senken können sie ihn nicht, wenn sie über die Runden kommen wollen.

      In Deutschland, hat Samuel gelesen, werden 630 Millionen Hühner jährlich geschlachtet, um Hähnchenbrust, Flügel und Keulen zu verkaufen. Der Rest der Tiere, etwa dreißig Prozent eines Hühnchens, zählt als Abfall. Hähnchenrücken, Hähnchenhälse und Hähnchenfüße.

      Der Export nach Afrika hilft, die Abfallentsorgungskosten zu senken; die Entsorgung tierischer Abfälle ist teuer in Europa. Ob die Kühlkette bis auf den Markt von Monrovia hält?

      42 Millionen Kilo Geflügelteile aus Deutschland überschwemmen Afrikas Märkte. Da bleibt kein Platz für Samuels und Musus frische Hühnchen. Und auch nicht für die anderer Kleinbauern. Die Käufer fragen nicht nach der Keimbelastung des Fleisches, denn der niedrige Preis schont den Geldbeutel, in dem sowieso viel zu wenig ist.

      Lass uns einpacken, schlägt Samuel seiner Frau vor. Ja, sagt Musu. Heute Abend brate ich uns ein Hähnchen. Frisches Fleisch, nicht so wie das aus den aufgetauten Tiefkühlpackungen. Das ist gut, antwortet Samuel. Er freut sich. Musu kann gut kochen.

      Auf den Markt in Monrovia werden sie nicht mehr fahren. Samuel überlegt, ob er es mit Schweinefleisch versuchen sollte. Ob das eine Zukunft für sie ist?

      Im Moment lässt sich damit noch Geld verdienen, aber Samuel hat auch gelesen, dass die Lieferungen von Schweinefleisch aus Europa nach Afrika zunehmen.

      Am Rande des Sperrgebietes residiert die Hamburger Staatsanwaltschaft. Im dritten Stock erblickt Jensen neben einer der zahlreichen Türen ein Plexiglasschild mit der Aufschrift Staatsanwalt Müller. Er klopft an und tritt ein. Moser befindet sich bereits im Büro des Staatsanwaltes; die beiden sind in ein lebhaftes Gespräch vertieft.

      »Moin«, grüßt Jensen.

      Der Staatsanwalt unterbricht seine Unterhaltung mit Moser abrupt und wechselt übergangslos das Thema.

      »Gut, fangen wir an. Herr Moser, wie ist der Stand?«

      Moser streicht sich, wie gewöhnlich, wenn er sich konzentriert, über seine Stoppelhaare. Über Nacht hat sich nichts Neues ergeben, ihm fällt die Zusammenfassung leicht. Müller ist unzufrieden.

      »Wieso ist bei der Fahndung nichts herausgekommen?«

      »Der Täter muss unerkannt aus dem abgesperrten Gebiet herausgekommen sein. Wie, wissen wir nicht.«

      »Haben Sie die Wohnungen durchsucht? Jede? Keller und Dachböden?« Der Staatsanwalt wird entgegen seiner Gewohnheit laut. »Haben Sie wirklich alles überprüft? Auch die Wohnungen, deren Tür nicht geöffnet wurden? Mit der Begründung Gefahr in Verzug können Sie sich überall Zutritt verschaffen.«

      »Herr Müller, ich habe die Einsatzkräfte vor Ort angewiesen, genau so vorzugehen.«

      Staatsanwalt Müller übergeht Mosers Antwort und wendet sich Jensen zu.

      »Haben Sie etwas zu ergänzen?«

      »Wir haben einige Merkwürdigkeiten im Umfeld der Toten entdeckt. Na ja, Merkwürdigkeiten nicht direkt, aber Fakten, die uns Fragen stellen lassen.«

      »Kommen Sie zur Sache, Herr Jensen!«

      Der gestrige Tag hat hörbar an den Nerven des Staatsanwalts gezerrt.

      »Die Ermordete hatte engen Kontakt zu einem Mann aus einem Fall, in dem sie ermittelt hat. Und sie hat sich mit dem Tod des jugendlichen Demonstranten beschäftigt, der vor wenigen Tagen verstorben ist.«

      »Herr Jensen!« Müllers Nerven liegen blank. »Hier geht es um einen politischen Mord, einen Anschlag auf unseren Staat und das Gemeinwesen! Deshalb ist der Staatsschutz und Herr Moser federführend! Sie sollen zuarbeiten, nicht neue Theorien entwickeln!«

      Die wütende Ungeduld des Staatsanwalts nervt Moser, der sich nicht erinnern kann, in den letzten Jahren seinem Kollegen Jensen einmal zur Seite gesprungen zu sein. Doch jetzt tut er es.

      »Genau das macht Herr Jensen. Es ist wichtig, dass wir alle Aspekte und Facetten betrachten, dass wir uns ein vollständiges Bild von dem Opfer machen.«

      »Von mir aus, tun Sie das. Aber fassen Sie schnell den Täter.«

      »Daran arbeiten wir.«

      Den sarkastischen Unterton in Mosers Antwort überhört der Staatsanwalt willentlich.

      »Sprechen Sie mit Ihrem Kontaktmann beim Verfassungsschutz; die sollen sich umhören, wie die Szene auf den Mord reagiert. Morgen sehen wir uns wieder, und hoffentlich mit positiven Ergebnissen. Erfolgreichen Tag, die Herren.«

      Jensen und Moser verabschieden sich.

      »Ach ja, noch etwas,« ruft ihnen der Staatsanwalt nach. »Ich habe mit der Richterin gesprochen. Sie bekommen jeden Durchsuchungsbeschluss, den Sie brauchen. Also seien Sie nicht zimperlich. Alles, was hilft, den Mörder zu fassen, werde ich veranlassen.«

      Scharfe Knoblauchsoße tropft aus einem Dönerbrot auf Cairos Hose. Ein klein geschnittenes Krautblatt folgt der dickflüssigen Konsistenz. Cairo bemerkt beides nicht, er ist in eine Diskussion mit Hakim und Pawel vertieft. Isa stößt ihren Freund lachend an.

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