Ich schenke dir den Tod. Ralf Gebhardt

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Ich schenke dir den Tod - Ralf Gebhardt Krimi

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Liebes-Trio hat sich hier vergnügt. Der Mann, besser gesagt der Jüngling, wurde dabei durch einen extremen Stich am Rücken verletzt. Das ist der Grund für das viele Blut. Er ist in Eisleben im Krankenhaus.«

      »Okay, wann war das?«

      »Vorgestern Nacht, kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Der Rest des Trios besteht aus zwei Damen, die die Rettung gerufen haben.«

      »Vorgestern schon?«

      »Genau, dem Notarzt kamen die Wunden seltsam vor, deshalb hat er mich gestern Abend angerufen. Ich bin heute früh hierher gefahren, um die Stelle zu sichern, und habe dabei das hier gefunden.« Er überreichte Störmer eine Plastiktüte mit einem länglichen Gegenstand.

      »Da ist doch ein Knochen, oder?«

      »Genau, dieses zerbrochene Skelettteil hat die Verletzung hervorgerufen, es ist ziemlich spitz. Da vorn ist noch Blut vom Jüngling dran. Die restlichen Knochenstücke aus der Stichwunde heben sie im Krankenhaus für uns auf.«

      »Ein Teenager?«

      »Genau, knapp 16. Die beiden Damen haben mehr als das Doppelte an Jahresringen auf der Uhr.«

      »Hm, interessant. Egal, warum auch immer die sich ausgerechnet hier mit Liebesspielen vergnügt haben, wir sind schließlich nicht von der Sitte. Sollen die sich darum kümmern.« Störmer betrachtete den Knochen, um ihn anschließend mit dem Handy zu fotografieren.

      »Gibt es mehr davon?«

      Siebenhühner zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Am Wochenende ist das so eine Sache mit der Spurensicherung.«

      Störmer nahm sich zwei Gummihandschuhe. Er fotografierte aus verschiedenen Perspektiven, schob die Picknickdecke zur Seite und fing an, mit den Händen zu graben. Es dauerte nicht lange und er hatte weitere Knochenreste gefunden.

      »Das sieht komisch aus, ich schicke die Fotos mal einer Kollegin. Meine letzte Forensikstunde ist etwas länger her. Aber für ein vollständiges menschliches Skelett scheinen es mir zu wenig Knochen.«

      Er grub weiter.

      »Wo sind die beiden Damen jetzt?«

      »Zu Hause, nehme ich an. Ihre Personalien habe ich notiert.«

      Siebenhühner zog ebenfalls Handschuhe über und beteiligte sich am Graben. »Also, entweder ist der Rest der Leiche woanders, oder …«

      »Oder?«

      »Es sind eben keine menschlichen Knochen.«

      In diesem Moment klingelte Störmers Handy. Er war froh, aus der gebückten Haltung aufstehen zu können. »Hallo Elena, schön, dass du anrufst.« Störmer klopfte Staub von der Hose, als er zuhörte. Er sah seinen Kollegen an. »Sie können aufhören. Wenn uns nicht alles täuscht, sind das die Knochen einer Katze. Genau kann unsere Kollegin das erst sagen, nachdem sie alles auf dem Tisch hat.«

      »Na prima, dann darf wenigstens die Spurensicherung das Wochenende genießen.« Siebenhühner trat wütend in das Erdloch. Man sah ihm irgendwie an, dass es ihm peinlich war, Verstärkung aus Halle gerufen zu haben.

      Störmer winkte ab und griff ihn plötzlich am Arm. »Moment, warten Sie.«

      Er zeigte auf eine Stelle im Boden, die wie Messing glänzte, bückte sich und grub weiter. Kurze Zeit später hatte er ein Grablicht freigelegt.

      »Voll mit Erde, wer weiß, wie lange das hier schon liegt.«

      Unmittelbar darauf hielt er die Reste einer Gürtelschnalle sowie einen Schuhabsatz nach oben.

      »Jetzt wird es wirklich spannend. Manche Dinge verrotten nämlich viel langsamer, als die Leute denken. Wir bestellen die Spusi nicht ab, die sollen sich das ruhig ansehen.« Er hob den Metalldeckel an und blickte in das Innere des geschmiedeten Grablichtes. »Das ist keine Erde.«

      »Nein? Was könnte das sonst sein?«

      »Asche, Herr Kollege. Sehen Sie?«

      Auf dem grauweißen Inhalt lagen zwei Haarspangen, ein Ring sowie eine Kette. Siebenhühner wurde blass. »So eine Scheiße.«

      Wortlos ging Störmer zum Kofferraum und holte zwei Cola aus der Kühltasche. Dann fotografierte er die Seiten aus Siebenhühners Notizbuch mit den Personenangaben der drei Zeugen. »Ich fahre zuerst zu den Damen, später ins Krankenhaus. Viel bringen wird es nicht. Wer weiß, wie lange die Überreste hier schon liegen. Würden Sie auf die Spusi warten? Die müssten bald kommen.«

      Er setzte sich ins Auto.

      (Vor dreißig Jahren)

      Er wollte nicht böse sein.

      Im Moment konnte er kaum unterscheiden, was schlimmer war: das Zittern seiner Hände oder die Hungerkrämpfe. Vorsichtig öffnete er die massive Holztür mit der altdeutschen Aufschrift »Luftschutzkeller, geeignet für vier Personen«.

      Gierig sog der Junge die Sommerhitze ein, würgte die Vorahnung herunter. Nasskalter Moder umfing ihn schon auf der obersten Treppenstufe, ein fürchterlicher Gestank in einer zähen Mischung aus Früher und Heute. Rasch zog er die Tür hinter sich zu, damit ihm die Fliegen nicht folgten. Sein Rucksack mit der gestern gekauften Desinfektionsmittelflasche war leicht. Für Lebensmittel hatte das Geld nicht mehr gereicht. Der Monatsscheck war noch nicht in der Post gewesen.

      Er folgte den ausgetretenen Sandsteinstufen und genoss die Stille des Ortes. Im flackernden Halbdunkel einer fast verbrannten Kerze konnte er ihre Gestalt auf der Liege ausmachen. Bevor er herantrat, stellte er den Rucksack mit der Flasche auf ein Regal. Dann beugte er sich hinab, um zu prüfen, ob sie atmete. Erschrocken zuckte er zurück, als sie die Augen öffnete und ihn gleichzeitig ein Schwall grün-galliger Speichelmasse nur knapp verfehlte. Geduldig wartete er das Ende eines Hustenanfalls ab und rollte ihre fleckige Wolldecke zurück.

      Es wird gleich wehtun, dachte er bei sich.

      Er nahm seinen alten Walkman, stülpte die Kopfhörer über und schob die Lautstärke fast auf Anschlag. Schließlich drehte er die Flasche mit dem Desinfektionsmittel auf und tränkte ein Geschirrtuch. Dann löste er die Fessel an ihrer linken Hand. Routiniert wischte er in einer schnellen Bewegung unter dem Lederriemen durch. Die klapprige Frau schrie auf. Dank der Musik sah er nur ihr verzerrtes Gesicht. Anschließend befreite er die rechte Hand. Ein Wisch mit dem Geschirrtuch ließ sie erneut das Gesicht verzerren. Jetzt erst sah er, dass sie weinte.

      Mit einer Ecke des Tuches tupfte er ihr die Schweißperlen von der Stirn. Zufrieden bemerkte er, dass ihr Fieber gesunken war. Er wischte weiter, schließlich unter der Kleidung, darauf bedacht, jederzeit ausweichen zu können. Einmal, erinnerte er sich, hatte sie ihn mit ihren zahnlosen Kiefern gepackt und mit der Kraft eines Schraubstockes zugebissen, sodass das Fleisch an seinem Arm fast bis zum Knochen zerquetscht wurde. Von da an war er vorsichtig.

      Er sah nicht hin, als er ihren Unterleib entblößte. Für einen kurzen Moment hörte er auf zu atmen. Dann griff er mit beiden Händen in die eklige, breiige Masse, die aus aufgequollenen Papier- und Stofffetzen bestand. Hastig stopfte er alles in eine Mülltüte. Mit dem Geschirrtuch wischte er gründlich nach, auch an den Stellen, wo er Entzündungen vermutete. Sie wimmerte. Wenn er wieder Geld hätte, würde er vielleicht richtige Windeln kaufen. Jetzt musste genügen, was da war.

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