Der große Gatsby. F. Scott Fitzgerald

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Der große Gatsby - F. Scott Fitzgerald

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Verlauf.

      Beim zweiten Glas des korkigen, aber ziemlich schweren Rotweins gestand ich: »Du bist so gräßlich zivilisiert, Daisy. Könntest du nicht einmal über die Weizenernte oder sonst etwas plaudern?«

      Ich hatte damit nichts Besonderes sagen wollen, aber es wurde auf eine überraschende Weise aufgegriffen.

      »Die Zivilisation geht sowieso zum Teufel«, legte Tom heftig los. »Ich bin mittlerweile ein schrecklicher Pessimist in diesen Dingen. Hast du den ›Aufstieg der farbigen Völker‹ von diesem Goddard gelesen?«

      »Wieso? Nein.« Sein Ton überraschte mich. »Nun, das sollte jeder lesen, ein ausgezeichnetes Buch.

      Es vertritt die These, daß die weiße Rasse, wenn wir nicht aufpassen, glatt überschwemmt wird. Alles vollkommen wissenschaftlich und belegt.«

      »Tom macht nämlich neuerdings in Bildung«, sagte Daisy und blickte unwillkürlich kummervoll drein. »Er liest tiefschürfende Bücher mit gewaltigen Fremdwörtern. Wie hieß doch das Wort, das wir –«

      »Sind eben wissenschaftliche Bücher«, sagte Tom und sah sie unwillig an. »Dieser Mann hat das alles durchdacht. Es ist an uns, der dominierenden Rasse, auf dem Posten zu sein, sonst werden die anderen alles an sich reißen.«

      »Wir müssen sie eben unterkriegen«, wisperte Daisy und zwinkerte dabei grimmig in die rotglühende Sonne.

      »Ihr solltet in Kalifornien leben –«, begann Miss Baker, aber Tom unterbrach sie, indem er sich schwer auf seinem Stuhl zurechtrückte.

      »Er geht davon aus«, sagte er, »daß wir die nordische Rasse sind. Ich bin nordisch, du und du, und –« Hier zögerte er für den Bruchteil einer Sekunde und schloß dann durch ein leichtes Kopfnicken auch Daisy mit ein, die mir daraufhin erneut zuzwinkerte.

      »–und wir haben alle Dinge produziert, die die Kultur ausmachen – hm, Wissenschaft, Kunst und so. Versteht ihr?«

      Es war etwas Rührendes in seiner Konzentration – als ob es ihm neuerdings nicht mehr genüge, von sich selbst überzeugt zu sein. Als gleich darauf drinnen das Telefon läutete und der Butler hineingegangen war, nahm Daisy diese plötzliche Unterbrechung zum Anlaß, sich zu mir zu neigen.

      »Ich will dir ein Familiengeheimnis verraten«, flüsterte sie enthusiastisch. »Es betrifft die Nase des Butlers. Willst du ihre Geschichte hören?«

      »Unbedingt. Deshalb bin ich doch gekommen.« »Fein. Er war nämlich nicht immer Butler, sondern Silberputzer bei Leuten in New York. Die hatten ein Silberservice für zweihundert Personen. Das mußte er von morgens bis abends putzen, bis schließlich seine Nase davon affiziert wurde –«

      »Und das wurde immer schlimmer«, fiel Miss Baker ein. »Ja, es wurde immer schlimmer, und am Ende mußte er die Stellung aufgeben.«

      Ein letzter Sonnenstrahl verklärte für einen Augenblick romantisch ihr Gesicht; ihre Stimme zwang mich atemlos lauschend zu ihr. Dann verblaßte das Glühen; ein Lichtstrahl nach dem andern wich von ihr, zögernd und ungern wie Kinder, die im Abenddämmer ihr Straßenparadies verlassen müssen.

      Der Butler kam zurück und beugte sich flüsternd zu Tom, der daraufhin stirnrunzelnd seinen Stuhl zurückschob und wortlos hineinging. Als wenn Toms Abwesenheit etwas in ihr gelöst hätte, beugte sich Daisy erneut vor, mit einem dunklen Singen in der Stimme. »Ich bin ja so froh, dich hier bei uns zu haben, Nick. Du erinnerst mich immer an – an eine Rose, eine perfekte Rose. Nicht wahr?« Sie wandte sich, Zustimmung heischend, an Miss Baker: »Eine perfekte Rose?«

      Das war glatt gelogen. Ich sehe auch nicht im entferntesten einer Rose ähnlich. Daisy hatte das nur so improvisiert; dabei ging jedoch eine bedrückende Wärme von ihr aus, als habe sie in dieses atemlos geflüsterte, aufregende Wort heimlich ihr Herz gelegt und wolle es mir darreichen. Dann warf sie plötzlich ihre Serviette auf den Tisch, entschuldigte sich und ging ins Haus. Miss Baker und ich wechselten einen kurzen geflissentlich nichtssagenden Blick. Ich wollte gerade sprechen, da machte sie warnend »Sst!« und richtete sich gespannt auf. Von drinnen hörte man jemand gedämpft und mit unterdrückter Erregung sprechen, und Miss Baker beugte sich schamlos vor, um zu lauschen. Das Gespräch wurde für einen Augenblick nahezu deutlich, sank wieder ab, um noch einmal leidenschaftlich anzuschwellen, und hörte dann ganz auf.

      »Dieser Mr. Gatsby, von dem Sie sprachen, ist mein Nachbar –«, begann ich.

      »Nicht sprechen, bitte. Ich möchte hören, was da vorgeht.«

      »Geht da etwas vor?« fragte ich harmlos. »Soll das heißen, Sie wüßten nicht Bescheid?« Miss Baker tat ehrlich überrascht. »Ich dachte, alle Welt wüßte es.«

      »Ich nicht.«

      »Nun –«, sie zögerte, »Tom hat da so eine Frau in New York.«

      »Eine Frau in New York?« wiederholte ich verwirrt. Miss Baker nickte.

      »Sie könnte wenigstens so taktvoll sein, ihn nicht bei Tisch anzurufen. Finden Sie nicht?«

      Noch ehe ich recht begriffen hatte, rauschte ein Gewand, knirschten Stiefel – Tom und Daisy waren wieder am Tisch.

      »Das mußte ja kommen!« rief Daisy mit forcierter Aufgeräumtheit.

      Sie setzte sich, blickte forschend Miss Baker und dann mich an und fuhr fort: »Ich mußte einen Moment hinausschauen. Es ist so romantisch draußen. Auf dem Rasen saß ein Vogel, ich glaube eine Nachtigall, die auf einem Cunard- oder White-Star-Dampfer herübergekommen ist. Sie singt in einem fort –« Und in singendem Tonfall: »Ist’s nicht romantisch, Tom?«

      »Äußerst romantisch«, sagte er, und dann etwas kläglich zu mir: »Wenn’s nach Tisch noch hell genug ist, will ich dir im Stall die Pferde zeigen.«

      Wieder ging drinnen das Telefon und versetzte uns einen Schock, und als Daisy unverhohlen über Tom den Kopf schüttelte, war von der Stallbesichtigung nicht mehr die Rede, ja es gab überhaupt kein Gesprächsthema mehr. Die letzten fünf Minuten bei Tisch zerbröckelten, und ich erinnere mich nur, daß völlig sinnlos die Kerzen wieder angezündet wurden und daß mich der Wunsch ankam, jedem geradezu ins Gesicht zu sehen und dann wieder alle Blicke zu vermeiden. Ich konnte nicht erkennen, was in Daisy und Tom vorging, aber ich glaube, daß selbst Miss Baker, die bis dahin eine gewisse verwegene Skepsis aufrechterhalten hatte, nicht mehr imstande war, nach außen hin den schrillen, metallischen Notruf dieses fünften Gastes zu ignorieren. Mancher hätte sich in dieser Situation vielleicht als Mitverschworener gefühlt – ich reagierte anders und hätte am liebsten sofort die Polizei angerufen. Die Pferde wurden natürlich nicht mehr erwähnt. Tom und Miss Baker schlenderten – zwei getrennte Silhouetten im Zwielicht – hinein in die Bibliothek wie zu einer Vigilie am Ruhebett einer durchaus lebendigen Schönen, während ich, leicht benommen und dennoch krampfhaft bemüht, mich aufgeräumt und interessiert zu zeigen, Daisy durch mehrere ineinandergehende Veranden rund ums Haus folgte. Wir setzten uns im tiefen Schimmer der Abendröte unter das Säulenportal nebeneinander auf eine rohrgeflochtene Bank.

      Daisy legte die Hände an ihr Gesicht, als wolle sie sich fühlend seines Liebreizes vergewissern. Ihre Augen wurden allmählich größer und starrten hinaus in die samtene Dämmerung. Ich sah, wie erregt und aufgewühlt sie war, und wollte sie durch ein paar Fragen nach ihrem Töchterchen ablenken und beruhigen.

      »Wir kennen uns nur sehr oberflächlich, Nick«, sagte sie plötzlich, »obwohl wir Vetter und Cousine sind. Du bist nicht auf meiner Hochzeit gewesen.«

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