Toni der Hüttenwirt 252 – Heimatroman. Friederike von Buchner
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»Des hat nix zu sagen, Martin. Ich will dir jetzt mal etwas über die Rosel erzählen.«
Walli putze weiter Bohnen, als sie über Rosel Horbach sprach.
»Die Rosel war ein fesches Madl. Und sie war nicht nur fesch, sondern auch eine gute Partie. Ihr Vater war in Gelddingen immer sehr geschickt gewesen. Er hat Anteile von Firmen in München gekauft. Das weiß ich nur, weil Rosels Vater und mein Mann befreundet waren, obwohl Rosels Vater viel jünger war. Das sichert Rosel jetzt ein gutes Leben. Sie hätte heiraten können. Fesche Burschen, die sich um sie bemühten, gab es genug. Aber sie wollte nicht. Es waren alles Hoferben. Somit hätte Rosel eingeheiratet und ihren frühverwitweten Vater allein lassen müssen. Des wollte sie nicht. Sie war sicher mehr als einmal verliebt. Aber sie entschied sich jedes Mal gegen die Liebe und für ihren Vater. Sie sorgte für ihn und pflegte ihn voller Hingabe, bis der Herrgott ihn zu sich rief. Du weißt das besser als ich, wie liebevoll Rosel sich um ihren Vater gekümmert hat. Aber das Leben ging an ihr vorbei. Sie verzichtete auf die Liebe und auf eine eigene Familie. Ihr ganzes Leben hatte sie auf ihren Vater ausgerichtet. Nach seinem Tod hat sie keine Aufgabe mehr. Ich vermute, Rosel hat nicht einmal ein Hobby, das sie ablenkt. Sie ist einsam, Martin. Da ist dieser große wunderschöne Hof, den sie jetzt ganz allein bewohnt. Sie hat auch wenig Kontakt, so viel ich weiß. Sie war vierundzwanzig Stunden am Tag um ihren Vater herum. Jetzt ist sie fünfzig und weiß nicht, wie sie den Tag herumbringen soll, ohne Aufgabe, ohne Beruf. Ihr Beruf war, Tochter zu sein. Schön und gut. Aber ganz richtig war des vom alten Horbach nicht, seine Rosel so an sich zu binden. Er hätte dafür sorgen müssen, dass sie sich ein eigenes Leben aufbaut. Sicher träumte Rosel davon, hatte wahrscheinlich eigene Wünsche und Sehnsüchte. Die hat sie unterdrückt, weil dafür kein Platz war. Sie war die aufopfernde selbstlose Tochter. Jeder Mensch hat Sehnsüchte, Träume und Wünsche. Wenn die ein ganzes Leben, meinetwegen Jahrzehnte lang, wie bei der Rosel, unterdrückt werden, dann kann des schon sein, dass sie jetzt als Schmerzen aus der Tiefe der Seele kommen.«
Martin schaute Walli nachdenklich an.
»Du hast recht, Walli. Rosel leidet an Einsamkeit. Sie wird mit der Leere in ihrem Leben nicht fertig. Geld hat sie genug, sodass sie nicht arbeiten muss. Da sind, in gewissem Sinn, andere besser dran, die ihrem Beruf nachgehen müssen und ihren Mann oder ihre Frau stehen müssen. Mei, Walli, warum habe ich das nicht so gesehen?«
»Mach dir keine Vorwürfe! Die Rosel ist eine sehr schöne Frau, war immer gut angezogen. Sie hat nie geklagt, hat sich mit ihrem Leben abgefunden und nach außen hin immer so getan, als wäre alles in Ordnung. Da lässt man sich leicht blenden.«
Martin rieb sich das Kinn.
»Du hast recht, Walli! Jetzt muss ich mir eine Therapie überlegen. Sie braucht eine Aufgabe. Vielleicht rede ich mal mit Marie Weißgerber. Es gibt immer Engpässe bei den Gemeindehelferinnen. Marie ist sicher froh, wenn sie in Urlaubszeiten oder wenn eine der Dorfhelferinnen krank ist, einen Ersatz hat. Rosel Horbach würde sich bestimmt dafür eignen.«
Katja stimmte zu. Aber in ihren Augen war das zu wenig.
»Rosel braucht eine Aufgabe, die sie jeden Tag fordert. Sie sollte mehr Kontakt zu anderen Menschen haben, Martin«, sagte Katja.
»Du meinst, im Grunde fehlt ihr jetzt die eigene Familie, die sie nie hatte.«
»Genau das denke ich, Martin. Andere Frauen in ihrem Alter haben Kinder, vielleicht schon Enkelkinder. Was weißt du über irgendwelche Verwandte?«
Doktor Martin Engler zuckte mit den Schultern. Er wusste darüber nicht Bescheid.
Walli vermutete, dass es keinen näheren Angehörigen gab. Der alte Horbach hatte keine Geschwister. Sicher gab es noch Seitenlinien der Verwandtschaft, aus der Generation der Urgroßeltern. Doch zu den weitläufigen Verwandten hatte Rosel keinen Kontakt. Katja, Martin und Walli erinnerten sich an die Beerdigung des alten Horbachs. Da waren keine weiteren Verwandten gekommen.
»Katja, Walli, uns muss etwas einfallen«, sagte Martin.
»Zu dumm auch, das die Rosel so vermögend ist. Wenn sie wenigstens gezwungen wäre, Ferienwohnungen zu vermieten, dann wäre Leben auf dem Hof«, sagte Walli. »Aber so wie ich Rosel einschätze, würde sie den Vorschlag ablehnen. Ihr Vater wollte nicht an Feriengäste vermieten. Als braves Madl kommt sie auch noch nach dem Tode ihres Vaters seinem Willen und Wunsch nach. Es ist leider so, dass die nächste Generation die Träume ihrer Eltern verwirklicht und nicht ihre eigenen. Das habe ich oft erlebt.«
»Das ist eigentlich traurig, Walli«, seufzte Martin.
»Ja, das ist traurig«, stimmte Katja zu.
Dann hatte Martin eine Idee.
»Leute, mir kommt gerade ein Gedanke. Eines weiß ich mit Sicherheit, die Rosel hat ein großes, weiches Herz. Wir müssen bei ihr jemand einquartieren, am besten für längere Zeit, der Hilfe braucht. Vielleicht jemand, der sich aus gesundheitlichen Gründen eine längere Zeit in den Bergen erholen soll. Am besten jemanden, den Rosel richtig umsorgen kann. Essen kochen und zu Spaziergängen begleiten, so in der Art.«
»Bist du sicher, dass du sie dazu überreden kannst, Martin?«, fragte Katja.
»Ich appelliere an ihr gutes Herz. Ich bitte sie um Aufnahme der betreffenden Person, erst einmal nur für den Übergang. Sie wird mir die Bitte bestimmt nicht abschlagen, Katja.«
»Einen Versuch ist es wert, Martin«, stimmte Walli zu.
Katja und Walli hatten alle Bohnen geschnitten.
Katja räumte den Tisch ab.
»Mit den Bohnen machen wir nachher weiter. Erst überlegen wir, wie wir Rosel helfen können.« Katja hielt mitten in der Bewegung inne. »Und mir kommt gerade die Lösung, Martin.«
»So? Raus damit!«
»Wie lange ist es her, dass Felix dich besucht hat? Er hat damals von einer kleinen Patientin erzählt, deren Schicksal ihm sehr naheging. Wie war der Name des Mädchens gleich?«
»Lena«, sagte Martin.
Seine Gesichtszüge hellten sich auf. Er verstand Katja sofort, auch ohne viele Worte.
Martin ging zum Telefon. Die Telefonnummer seines Studienkollegen, der in München eine Kinderarztpraxis hatte, war einprogrammiert. Doktor Felix Linder hatte Abendsprechstunde. Es dauerte etwas, dann war er am Hörer.
»Grüß dich, Martin!«, sagte er. »Entschuldige, dass du einen Augenblick warten musstest. Ich hatte noch einen kleinen Patienten hier. Aber jetzt habe ich Zeit, Schluss für heute. Willst du mich an mein Versprechen erinnern, euch öfters zu besuchen?«
»Das natürlich auch, Felix. Aber ich rufe aus einem anderen Grund an. Katja, Walli und ich sitzen gerade zusammen und reden so über Patienten und dies und das. Da haben wir uns an deinen Besuch erinnert. Ja, wir sollten mal wieder eine schöne Wanderung oder eine Klettertour machen. Übrigens, ich soll dir Grüße von Toni ausrichten und von Anna. Wenn er rechtzeitig weiß, wann du kommst, wird er es einrichten, dass wir zusammen zum Gipfel des Engelssteigs klettern können.«
»Richte allen auf der Berghütte Grüße aus! Ich werde bald mal wieder kommen. Ich gebe rechtzeitig Bescheid. Also an den nächsten drei bis vier Wochenenden