Toni der Hüttenwirt Classic 38 – Heimatroman. Friederike von Buchner
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Nach zwei Stunden war alles leer und frisch gestrichen. Tante Else nahm Julia an der Hand. Sie gingen ins Haus. Nach weiteren zwei Stunden waren die Lieblingsmöbel ihres Vaters im Altenteil aufgestellt. Der Rest des Schlafzimmers, des Eßzimmers und des Wohnzimmers schleppten die Helfer bis nachts in die Scheune.
Zum Schluß türmten sich in den Räumen nur noch Körbe, Truhen und Tüten mit Kleinzeug.
»So, das kannst du morgen auch in die Scheune bringen lassen. Dort hinten kann es erst einmal stehen. Die Scheune ist groß genug. Du kannst später entscheiden, was damit geschehen soll. Jetzt kümmerst du dich erst einmal um dich! Tue nur, was dir gefällt, was für dich wichtig ist.«
Tante Else schloß Julia fest in die Arme.
»So, Madl! Das war es! Das war es für heute! Der erste Schritt ist getan. Es ist spät. Ich fahre jetzt heim. Wir sehen uns die nächsten Tage. Ich hoffe, du kommst. Dann gehen wir zusammen einkaufen.«
Julia lächelte. Sie war müde. Es war alles etwas viel gewesen. Doch sie war froh, daß ihre Tante ihr so viel Druck gemacht hatte. Alleine hätte sie es wohl nicht so schnell angepackt. Zu groß war die Scheu davor gewesen.
Nachdem Else Grundmayer abgefahren war, wanderte Julia alleine durch die möbellosen Räume.
»Sollen wir dir noch etwas helfen, Julia?«
Die Männer standen bei der Tür im Wohnzimmer.
»Morgen müssen diese ganzen Sachen noch in die Scheune. Danke, daß ihr so lange geholfen habt.«
»Morgen noch einmal damit anfangen? Naa!« sagte der alte Knecht, der am längsten auf dem Hof war.
Er ging auf Julia zu und drückte sie auf einen Hocker, der vergessen in der Ecke stand.
»Sitzen bleiben! In einer halben Stunde sind wir auch damit fertig!«
Die Männer spannten einen Rollwagen an den Traktor. Damit hielten sie direkt vor dem Haus. Sie bildeten eine Kette und reichten alles Kleinzeug aus dem Fenster. Es ging einfach ruck zuck! Anschließend schoben sie den Wagen rückwärts in die Scheune.
»Den laden wir morgen früh ab!«
Julia stand auf und brachte selbst den Hocker in die Scheune. Sie dankte den Männern und wandte sich um. Sie ging ein paar Schritte, dann kam sie zurück. Auf dem Wagen lag die Familienbibel. Julia klemmte sie unter den Arm. Die will ich auch in den Altenteil bringen, dachte Julia. Das wollte sie am nächsten Morgen gleich tun. So nahm sie das dicke Buch mit in ihr Zimmer.
Müde von dem langen Tag, legte sich Julia erst einmal mit den Kleidern auf das Bett. Sie wollte sich nur einen Moment ausruhen, bevor sie eine Dusche nahm. Doch sie schlief sofort ein.
*
Stunden später erwachte Julia. Vom Innenhof drangen Geräusche durch die offenen Fenster ihres Zimmers in der ersten Etage. Es dauerte eine Weile, bis sie ganz wach war. Mit einem Ruck sprang sie aus dem Bett und rannte ins Badezimmer.
Den Lärm, den die große schwere Bibel mit dem Goldschnitt machte, als sie vom Bett auf den Boden fiel, überhörte Julia.
Das Buch auf dem Fußboden fiel Julia erst auf, als sie fertig angezogen war. Bevor sie zum Frühstück hinunterging, legte sie immer ihr Bettzeug zum Lüften über einen Stuhl am Fenster.
»Ach ja, die wollte ich ja noch hinüberbringen in den Altenteil!« sagte Julia leise vor sich hin.
Sie hob die Bibel auf. Sie war alt, sehr alt, über einhundert Jahre.
»Oh, jetzt ist sie auseinandergefallen!« bedauerte Julia. »Na ja, vielleicht kann ich sie kleben.«
Sie klemmte die Bibel unter den Arm und ging in die Küche. Schnell machte sie sich das Frühstück. Dabei betrachtete sie die alte Bibel, die auf dem Küchentisch lang. Die schwarzen Buchdeckel waren abgegriffen, die Ecken geknickt. Das Blattgold des Goldschnittes leuchtete an einigen Stellen, während es an anderen Stellen sehr abgegriffen war.
Julia war mit dem Frühstück zu Ende. Sie schob ihren Teller zur Seite und griff nach der Bibel. Sie machte sich Gedanken, wie sie den eingerissenen Buchdeckel der Rückseite wieder befestigen könnte. Julia holte durchsichtiges, breites Klebeband aus dem Küchenschrank und klebte außen über den Riß ein langes Stück. Sorgfältig drückte sie den Klebestreifen fest. Er hielt. Die überstehenden Ränder schlug sie nach innen und drückte sie auch an.
Als sie damit fertig war, begann Julia die Seiten mit der Chronik durchzublättern. Schon als Kind hatte sie das gern getan. In der Chronik waren alle Ereignisse der Familiengeschichte aufgeschrieben, seit der Zeit, als die Bibel in die Familie Grundmayr gekommen war.
Julia überlegte einen Augenblick. Dann entschloß sie sich, selbst einen Eintrag vorzunehmen. Sie holte den Füllhalter aus ihrem Zimmer. Sie schlug die letzte Seite auf. Ihr Vater hatte dort den Todestag ihrer Mutter notiert. Die Seite war voll. Julia blätterte um. Sie schrieb den Namen ihres Vaters und seinen Todestag. Dahinter schrieb sie, daß er nach einem Sturz vom Pferd gestorben war. Die Tinte trocknete auf dem alten Papier nur langsam. Julia griff nach der nächsten Seite, hob sie an und bewegte sie hin und her, damit die Tinte auf dem gegenüberliegenden Blatt von der Luftbewegung schnell trocknen sollte.
Dabei sah sie, daß auf der Rückseite des Blattes etwas geschrieben stand.
Ihr Vater hatte einen Eintrag gemacht. Julia starrte auf das Papier. Ihr Herz klopfte. Es war eindeutig die Handschrift ihres Vaters. Er hatte den Eintrag erst vor wenigen Monaten vorgenommen.
Julia spürte einen Kloß im Hals, als sie die Zeilen las.
Das konnte doch nicht sein!
Warum hatte ihr Vater nicht mit ihr darüber gesprochen?
Nein, das kann nicht sein, dachte Julia. Doch im selben Augenblick wußte sie, daß es die Wahrheit sein mußte. Ihr Vater hätte es sonst nicht in die Bibel geschrieben.
Julia drehte sich alles im Kopf. Ihr schwindelte. Ihr wurde heiß, dann lief ihr wieder ein kalter Schauer über den Rücken. Ihre Hände zitterten leicht. Sie war blaß geworden. In Gedanken ging sie blitzschnell die vielen fremden Gesichter durch, denen sie nach der Beerdigung die Hände geschüttelte hatte.
War er dabei gewesen?
Wußte er es?
Warum weiß ich nichts davon?
Vater, warum hast du nicht mit mir darüber gesprochen?
Vater, wie konntest du mir dies verschweigen?
Julia verschränkte die beiden Arme über die offene Seiten und legte den Kopf darauf, als könnte sie dadurch in die Botschaft hineinhören. Ihr Herz klopfte stark. Sie versuchte gleichmäßig zu atmen und sich zu beruhigen. Es gelang ihr nur langsam.