Toni der Hüttenwirt Classic 41 – Heimatroman. Friederike von Buchner
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»Der Vertrag ist unterschrieben! Er kam vorab per Fax! Die Arbeitsplätze sind die nächsten fünf Jahre gesichert. Ach, was sage ich! Wir werden expandieren! Das hast du gut gemacht, Susi!«
In der Firma waren alle per du.
»Ich? Was habe ich gemacht? Wir haben alle daran gearbeitet!«
»Stimmt! Aber deine Argumente bei der Präsentation, die haben den Ausschlag geben. Der Reeder hat selbst angerufen und es mir erzählt. Er ist sehr angetan von dir. Wörtlich sagte er: ›Du vereinigst Verstand mit Herz und Gefühl.‹ Er will, daß du die Kampagne leitest! Nur du! Ich kann es nur so beschreiben, Susi: Der alte Herr hat den Narren an dir gefressen. Der Auftrag sollte erst im Januar anlaufen. Jetzt will er sofort damit beginnen. Du sollst gleich morgen bei ihm vorbeikommen! Damit bist du ab sofort Kreativ-Direktorin. Die vertraglichen Angelegenheiten regeln wir später. Jetzt wird unser Erfolg gefeiert. Wir sind gut, Leute! Und unsere Susi ist die Beste. Trinken wir auf Susi!«
Sie hoben Gläser. Susi lächelte etwas gezwungen und nippte an ihrem Glas. Sie nickte allen freundlich zu. Dann ging sie in ihr Büro und schloß die Tür.
»Was war das jetzt?« fragte ihr Chef sehr verwundert.
»Laß mich mal!«
Jasmin stellte ihr Glas ab und eilte Susi hinterher.
»Sag mal spinnst du? Du hast gerade den Gipfel erreicht und machst ein Gesicht, als hätte er dir gekündigt, statt dich zu befördern!«
»Schließ die Tür!« zischte Susi. »Ich wollte morgen in Urlaub gehen! Ich hatte letztes Jahr keinen Urlaub und das Jahr davor auch keinen. Karriere schön und gut. Aber meine Batterien sind leer! Mein Akku muß aufgeladen werden, verstehst du?«
»Ach, Susi, so geht es uns doch allen. Man hat eben schlechte Tage. Das geht vorbei!«
Jasmin, die als Sekretärin im Vorzimmer des Chefs arbeitete, lächelte.
»Außerdem wolltest du doch nicht verreisen!«
»Richtig! Ich will Urlaub auf Balkonien machen! Ich habe eine schöne kleine Wohnung. Aber die sehe ich seit Monaten höchsten fünf bis sechs Stunden täglich. Ach, was sage ich? Seit Jahren! Dann ist es Nacht. Ich komme heim, dusche und schlafe. Dann stehe ich auf, dusche, ziehe mich an und gehe hierher. Zum Glück macht mir meine Mutter sauber und kümmert sich um die Wäsche. Ich will einfach meine eigenen Wände genießen, frühstücken auf dem Balkon, lesen in meiner Kuschelecke, gut kochen und dich zum Essen einladen.«
»Dem gegenüber steht eine bezahlte Schiffsreise! Der Chef weiß, daß du unbedingt in Urlaub wolltest. Das hat er dem alten Reeder auch gesagt. Da hat er dich eingeladen. Ist doch toll, oder?«
»Du kannst fahren! Ich nicht«, seufzte Susi. »Ihr könnt mich alle für verrückt und undankbar halten! Aber ich will kein Meer sehen – kein Wasser – keine Wellen – keine Schiffe! Ich brauche Tapetenwechsel! Ich werde mich die nächsten fünf Jahre mit Wasser, und Schiffen beschäftigen. Außerdem, wer weiß, ob ich in dieser Zeit Urlaub machen kann?«
»Du riskierst viel, Susi! Einige sind ganz schön neidisch auf dich!«
»Um so besser! Dann können sie es machen!«
Jasmin mußte sich hinsetzen.
»Man könnte glauben, du bist krank.«
Susi holte tief Luft.
»Jasmin! Ich will deine Arbeit nicht schmälern. Sie ist bestimmt auch stressig. Ich weiß ja, was so im Vorzimmer abgeht. Aber ich muß ständig neue – geniale – noch nie dagewesene Ideen sprudeln. Mein Beruf macht mir Freude. Aber ich brauche meinen Urlaub, das muß der Chef einsehen.«
»Dann versuche es ihm zu sagen, Susi! Ich wünsche dir viel Glück!«
»Danke! Wenn die Feier vorbei ist, kannst du mich anrufen. Dann will ich mit ihm reden!«
»Du kommst nicht mit hinaus? Susi, das kannst du nicht tun!«
Susi gab ihrer Freundin keine Antwort. Sie begann einfach ihre tägliche Arbeit. Dazu gehörte auch, daß sie die großen Tageszeitungen durchblätterte. Sie schaute sich darin kurz die Anzeigen an, die die Konkurrenz für ihre Kunden gemacht hatte. Jasmin schaute Susi zu.
Plötzlich blätterte Susi nicht weiter.
»Das ist es doch! Jasmin!«
Susis Augen waren auf der Seite mit den geschäftlichen Kleinanzeigen hängen geblieben. Sie nahm einen roten Filzstift und kringelte eine Anzeige ein.
»Das ist es! Waldkogel!«
»Waldkogel? Was ist das?«
»Das muß ein Ort in den Bergen sein. Hier ist ein kleine Anzeige. Die Anzeige ist nicht groß. Doch sie ist ansprechend.«
Susi las sie vor:
»Worte können Waldkogel und die schönen Berge nur ungenügend beschreiben! Kommen Sie selbst! Erleben Sie Waldkogel!«
Schnell ging Susi ins Internet und schaute nach. Der Drucker summte.
»Okay! Ich hab alles! Anfahrtsbeschreibung und einige Adressen!«
Susi lächelte versonnen.
»Scheint ein kleiner, reizvoller, idyllischer, ruhiger Ort zu sein, am Ende eines Tales. Ich sehne mich nach Ruhe! Ruhe und Stille! Das gibt es dort bestimmt.«
Susi faltete die Blätter und steckte sie in ihre Handtasche.
Jasmin zuckte mit den Schultern und ging hinaus, um weiter zu feiern.
Susis Gespräch mit ihrem Chef am Nachmittag war nicht einfach. Aber so ehrgeizig Susi war, wenn es um einen Auftrag für die Firma ging, so hartnäckig war sie auch jetzt in eigener Sache. Als Kompromiß bot sie an, selbst mit dem alten Reeder zu reden. Das tat sie auch am nächsten Morgen. Das Gespräch war kurz, aber Susi wickelte den alten Reeder um den Finger. Um acht Uhr war Susi bei ihm. Um acht Uhr dreißig bestieg Susi ihr Auto und fuhr in Urlaub, in Richtung Berge, nach Waldkogel.
*
Nach sechshundert Kilometern und sieben, fast acht Stunden Fahrt erreichte Susi Waldkogel. Sie hielt auf dem Marktplatz an. Sie stieg aus ihrem Auto und sah sich um. Ein alter Bauer führte ein Pferd die Straße entlang.
»Guten Tag!« grüßte Susi.
»Tag ist es nimmer lang! Es ist bald abend!«
Der Bauer musterte die junge Frau von oben bis unten.
»Dann ›Guten Abend‹!«
»Naa! ›Grüß Gott‹ heißt des hier. Aber des kannst wohl net wissen, Madl! Man sieht ja gleich, daß net von hier bist. Hast dich verirrt?«
»Verirrt?« Susi fragte noch einmal nach: »Das hier – dieser Ort – das ist doch Waldkogel oder?«
»Freilich!«
»Gut! Dann bin ich richtig!«