Die Weissen Männer. Arthur Gordon Wolf

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Die Weissen Männer - Arthur Gordon Wolf

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Gefühl ›ES‹ zu berühren. Liebe machte offenbar tatsächlich blind und betäubte sämtliche Sinne.

      Müde stapfte er ins Wohnzimmer, wo ihn das sanft beleuchtete Holoporträt von Danah anlächelte. Brandon stieß ein höhnisches Kichern aus. Er war nun wirklich genau der Richtige, um anderen Leuten Blindheit vorzuwerfen. Wenn er damals nicht so verschossen in diese Frau gewesen wäre, hätte er sofort erkannt, was für eine billige, berechnende Schlampe sie in Wirklichkeit war. Ohne zu zögern, ging er hinüber zum Rahmen und drückte auf ERASE. Augenblicklich erlosch das sanfte Licht und damit auch Danahs falsches Lächeln. Brandon bedauerte, dass er kein Papierfoto von ihr besaß. Zu gerne hätte er das Bild langsam verbrennen sehen. In Gedanken malte er sich aus, wie die Flammen ihr falsches Lächeln auffraßen, ihre grünen Augen erblinden ließen und ihr Haar in einem wundervollen Halo zu Asche transformierte.

      Mit einem Mikrowellengericht auf dem Schoß schaute er sich eine Tiersendung über seltene Brüllaffen im Amazonasgebiet an. Da der Anblick wirklicher lebendiger Tiere im Alltag zur Seltenheit geworden war, faszinierten ihn diese Beiträge für gewöhnlich. Diesmal allerdings musste er seiner Erschöpfung Tribut zollen; mitten in einer hoch dramatischen Szene, in der ein Affe mit einer Baumschlange kämpfte, dämmerte er ein. Sein Schlaf wurde aber weder durch die Geräusche des Dschungels, noch irgendwelche anderen Laute aus benachbarten Wohnungen gestört.

      In den folgenden zwei Wochen begann sich die Lage in Brandons Firma langsam wieder zu entspannen. Die gefürchtete Woge des mutierten ›Hyper-Y2Ks‹ war nach und nach im Sande verlaufen. Immer weniger Firmen berichteten von Störfällen. Wie durch ein Wunder zeigten manche der defekten Programme sogar eine Form von ›Heilung‹. Prozesse, die noch vor wenigen Tagen nicht oder nur fehlerhaft abgelaufen waren, funktionierten mit einem Mal wieder tadellos und das ohne jede Umprogrammierung. Noch immer wusste man nicht, was die Ausfälle eigentlich verursacht hatte, und so blieb auch das ABEC-Phänomen (der Vorgang der ›Abrupt Bio-Electronic Convalescence‹, wie es schon bald überall in Fachkreisen genannt wurde) ein Buch mit sieben Siegeln. Jeder freute sich zwar darüber, dass die Epidemie überwunden war, der Umstand allerdings, dass man den Erreger nicht gefunden hatte, hinterließ bei nicht wenigen ein Gefühl permanenter Bedrohung. Was würde geschehen, wenn sich die komplexen Einheiten beim nächsten Mal nicht wieder von alleine kurierten? Und wo lag die Verbindung zu den jeweils vollkommen unterschiedlichen elektrischen und bioelektronischen Systemen? Wer oder was bewog einen Toaster dazu, sich auf 500 Grad zu erhitzen und sich und die umgebende Wohnung in Brand zu setzen, ohne die eingebaute Notabschaltung und den Online-Notwarnruf zu betätigen, während es ein intelligentes, autark arbeitendes Verteilungsnetzwerk der Wasserversorgung dazu »überredete«, trotz fünffacher redundanter Sicherung eine tausendfach höhere Menge an Chlordioxid beizumischen? Von »Zufall« wagte angesichts der Häufung und Zielgerichtetheit der Vorfälle jedenfalls niemand mehr zu sprechen. Doch mit was hatte man es dann zu tun? Mit einer bislang unbekannten neuen Form von Terrorismus? Warum aber fanden sich dann keine der typischen Bekennerschreiben oder politischen Forderungen?

      Brandon versuchte, möglichst wenig darüber zu grübeln. Es freute ihn erst einmal, dass er deutlich weniger Überstunden machen musste; und was die großen Probleme dieser Welt betraf, so sollten sich damit Leute beschäftigen, die zehnmal mehr als er verdienten. Die Tatsache, dass in den Medien keine Berichte über terroristische Anschläge aufgetaucht waren, hatte jedenfalls nichts zu bedeuten. Schließlich war bislang auch nichts über größere Störfälle bekannt geworden. Wäre er nicht tagtäglich mit dem Programmierchaos konfrontiert gewesen, er hätte glauben können, alles sei in allerbester Ordnung. Eine widerlich lächerliche Illusion. Das menschliche Wesen und das Prinzip der Ordnung waren einfach nicht kompatibel. Schon als die ersten Höhlenmenschen einen anderen Stamm wegen seiner Waffen, seines Landes oder seiner Frauen überfallen und unterworfen hatten, war der Begriff der Ordnung mit Füßen getreten worden. Und seitdem hatte die Menschheit jede Menge dazu gelernt!

      Brandons beruflicher Stress mochte zwar abgenommen haben, an seiner momentanen privaten Misere hatte sich allerdings nichts geändert. Nachdem Danah mit ihm Schluss gemacht hatte, war er nach der Arbeit immer wieder durch diverse Bars und Kneipen gezogen, doch entweder waren die anwesenden Mädchen nicht nach seinem Geschmack oder aber sein Charme zeigte nicht die gewünschte Wirkung. Charme – dass er nicht lachte! In den seltenen Fällen, in denen einmal eine ihm genehme Dame ohne Begleitung seinen Weg kreuzte, war er meist bereits schon so vollgedröhnt, dass er kaum mehr als zwei vollständige Sätze zustande brachte. Und diese bestanden dann aus solch rhetorischen Juwelen wie: »So ganz alleine, junge Frau? Wollen Sie uns beiden nicht Gesellschaft leisten – mir und meinem Vodka Sour?« Bei dieser Methode waren die Erfolgsaussichten in etwa so hoch wie der Gewinn des Jackpots bei der wöchentlichen One Billion Dollar Lottery.

      Brandon war an diesem Abend fast noch nüchtern. Er hatte sich in seiner Stammbar nur zwei Drinks gegönnt, um für sein nächstes Vorhaben etwas Mut zu schöpfen. Zu Hause setzte er sich dann mit einer erschreckend kurzen Liste seiner Verflossenen vor den Holoscreen und tätigte den ersten Anruf.

      Die ›Reaktivierung‹ seiner Ex-Freundinnen erwies sich als noch katastrophaler als alle vorherigen Versuche zusammen. Viele hatten seine Kennung offenbar geblockt, da er nicht einmal eine der sonst üblichen Holomails hinterlassen konnte. Und die wenigen, die er antraf, überschütteten ihn abwechselnd mit beißendem Hohn oder derben Beschimpfungen. Manche bedachten ihn auch mit beidem.

      Er befand sich gerade in einer ›anregenden‹ Diskussion mit Sheelah Pratt, geschiedene van Hooftstraat, als ihn ein Geräusch aus der Nachbarwohnung ablenkte. Es hörte sich an, als sei eine schwere Vase oder ein Schränkchen umgefallen.

      »Mein Ex war auch so ein Loser wie du«, bemerkte Sheelah soeben.

      In ihrem kunstvoll hochgestecktem Haar glitzerten mehrere Mini-Diademe, von denen eines sicher mehr kostete, als Brandon in einem halben Jahr verdiente.

      »Aber immerhin war Luuk nicht unvermögend«, fügte sie recht gelangweilt an. »Nach der Scheidung hat mir der Mistkerl immerhin eine saftige Abfindung zahlen müssen. Wir Frauen haben ja schließlich auch unsere Bedürfnisse …«

      Ein lautes Klirren durchdrang die defekte Schallmembrane in Brandons Wohnzimmer. Was war da drüben nur los? Feierte man nebenan etwa eine jüdische Hochzeit?

      »Brandon!«, schrie Sheelah plötzlich. »Du hörst mir ja gar nicht zu! Das ist ja wieder mal sooo typisch! Hörst du? Das ist ein weiterer Makel an euch Männern. Nie könnt ihr uns Frauen zuhören! Da ist es doch kein Wunder … «

      »Alexander! Nicht!! ALEXANDER!!!«, Miss Brookdahl kreischte das letzte Wort förmlich heraus.

      Brandon spürte sofort, dass die Sache diesmal ernst war. Seine Nachbarin schwebte ganz offensichtlich in akuter Gefahr. Ohne zu zögern, hastete er hinaus auf den Flur und hämmerte gegen ihre Tür. Sheelahs empörtes Geschrei bildete dazu die Begleitmusik.

      »Brandon?«, dröhnte es bis hinaus auf den Flur. »Was tust, du da? Du wirst doch jetzt nicht einfach weggehen, hörst du? Bislang bin noch immer ich es, die ein Gespräch beendet, kapiert? Brandon? Wage es nicht, jetzt nicht … BRANDON!!!«

      Er schlug so fest gegen die Tür, dass seine Faust schmerzte.

      »Miss Brookdahl? Machen Sie bitte auf!! MISS BROOKDAHL!!!«

      Niemand öffnete.

      Stattdessen stürzte erneut etwas Schweres um. Es klang, als ob ein fetter Sumo-Ringer auf den Boden gefallen wäre. Kurz darauf hörte er einen noch unheimlicheren Laut: ein hämisches Kinderlachen.

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