Die Weissen Männer. Arthur Gordon Wolf

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Die Weissen Männer - Arthur Gordon Wolf

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Clownsmund nur frech an.

      »Guten Tag, Mr. Brandon«, kicherte er. »Ich bin sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.«

      Mit zwei seiner dürren Finger klaubte er einen Rest Marmelade aus dem Glas und streckte ihm dann den Arm auffordernd entgegen.

      »Auch mal probieren? Ist leeecker!«

      »Rumpelstilzchen!«, schrie Brandon nun.

      Das Alexander-Ding kicherte lauter. Bösartiger.

      »War das jetzt ein Ja oder ein Nein?«

      Nur mühsam unterdrückte Brandon einen Fluch. Der Replikant hatte weit mehr als nur eine Fehlfunktion, er unterlief offenbar gezielt unzählige von Not- und Abschaltvorgängen und handelte ausschließlich nach seinem eigenen Ermessen. Er benahm sich fast wie ein selbständiges Individuum. Oder wie ein störrisches kleines Kind.

      Mit einem tiefen Seufzer wandte sich Brandon von dem unheimlichen Wesen ab. Geschlagen und müde schlurfte er mit hängenden Schultern Richtung Ausgang. Er hatte noch keine drei Schritte gemacht, als er plötzlich herumfuhr und sich mit einem lauten Schrei auf den Zwerg stürzte. Der Replikant war über den Angriff so erstaunt, dass er nur unkoordiniert mit seinen Armen fuchtelte. Brandon presste sein ganzes Körpergewicht gegen die kleine Gestalt und entging so den meisten seiner Attacken. Der Schein trog. Das Geschöpf mochte zwar die Größe eines Kindes haben, seine Kräfte überstiegen die eines Erwachsenen aber mindestens um das Doppelte.

      Eine klebrige Faust erwischte Brandons Schläfe und ließ ihn fast die Besinnung verlieren. Viel schlimmer als das wilde Schlagen war das Kreischen, das die Kreatur nun unablässig wie eine Sirene ausstieß. Brandon versuchte, den Schwindel und die Schmerzen in seinen Ohren zu unterdrücken und tastete blind im Nacken seines Gegners herum. Endlich fand er die richtige Stelle. Er drückte fester und alles Kreischen erstarb. Glücklicherweise funktionierte immerhin noch die manuelle Abschaltung. Alexanders Arme klatschten wie tote Schlangen laut auf den Boden. Seine offenen Augen hatten jeglichen Ausdruck verloren und starrten ins Nichts. Brandon verpasste ihm dennoch einen Kinnhaken.

      »Verdammter Mistzwerg!«, keuchte er.

      Es störte ihn nicht, dass er sich dabei über und über mit Marmelade besudelte. Er spürte auch nicht, dass seine Haut an den Knöcheln bei den weiteren Hieben aufplatzte.

      »Verfluchte Missgeburt!«

      Es tat einfach zu gut, immer und immer wieder in diese teuflische Clownsfratze zu schlagen. Jeder Treffer ließ das Replikantenblut spritzen, bis das Gesicht in Rot zu verschwimmen schien.

      Nachdem er seine Wut abreagiert hatte, kehrte Brandon zu seiner Nachbarin zurück und setzte sie vorsichtig in einen Sessel. Glücklicherweise war Miss Brookdahl bis auf ein paar blaue Flecken nichts Ernsthaftes geschehen. Der psychische Schaden war dagegen beträchtlich. Immer wieder wurde sie von Weinkrämpfen geschüttelt.

      »Wie konnte das denn nur geschehen?«, jammerte sie. »Alexander war doch ein so lieber Freund. Immer höflich und hilfsbereit. Und dann … dann … wie aus heiterem Himmel … !«, ihre Worte verloren sich in einem weiteren Schluchzen. »Er … er fing plötzlich an, Dinge kaputt zu machen! Einfach so. Warum hat er das nur getan? Und wieso reagierte er nicht mehr auf meine Anweisungen, nicht einmal auf das Codewort?«

      Das waren Fragen, die sich auch Brandon stellte. War das von allen gesuchte Hyper-Y2K etwa auch hierfür verantwortlich? Konnte es sein, dass er übergesprungen war und nun auch bioelektronische Lebensformen befiel? Er hatte nicht die geringste Ahnung.

      »Es war wahrscheinlich nur ein blöder Kurzschluss«, antwortete er. »Irgendwelche Steuerkreise haben einfach schlappgemacht. Solche Störfälle geschehen zwar nur äußerst selten, doch es gibt sie.«

      Er war überrascht, wie leicht ihm die Lüge über die Lippen kam. Von derartigen Ausfällen bei Replikanten hatte er bislang jedenfalls noch nie etwas gehört.

      »Die Nachrichten bringen davon natürlich nichts, denn man hat wenig Interesse daran, derartige Dinge an die Öffentlichkeit zu tragen.«

      Hier war er sich dagegen absolut sicher. Mit »man« meinte er natürlich die UMC und falls es in der Vergangenheit tatsächlich derartige Aussetzer gegeben haben sollte, so würde der Konzern tausendprozentig nichts davon nach außen dringen lassen. Die Replikanten waren ein Multi-Billionen-Dollar-Geschäft, und in dieser Liga wurde mit harten Bandagen gekämpft. Im Vergleich zu schlechter PR war die Kernschmelze eines Atomreaktors nur eine momentane Irritation.

      Brandon brühte seiner Nachbarin einen Ingwertee, und während sie sich langsam wieder beruhigte, ging er daran, das Chaos in der Wohnung zu beseitigen. Miss Brookdahl würde einige neue Möbel und neues Geschirr benötigen, ansonsten aber hielt sich der Schaden in Grenzen. Am schlimmsten waren die klebrigen Schmierereien an den Wänden; selbst mit heißem Wasser und Reinigungsmitteln ließ sich nur die äußere Schicht entfernen. Zurück blieben blasse, grün-braune tachistische Wirbel, die eher in das Atelier eines übergeschnappten Künstlers als die Wohnung einer Seniorin gepasst hätten. Nach weiteren vergeblichen Versuchen zuckte Brandon schließlich mit den Schultern.

      »Was soll’s! UMC wird’s wohl verkraften, auch noch einen Anstreicher kommen zu lassen.«

      »So billig wird mir die Firma nicht davonkommen!« Der Tee schien zu wirken, denn Miss Brookdahls Stimme klang jetzt wieder sehr viel kräftiger. »Die werden noch ihr blaues Wunder erleben, das können Sie mir glauben, Brandon! Ich mag ja eine alte Frau sein, aber ich bekomme es immer noch mit, wenn jemand glaubt, mich für dumm verkaufen zu können.« Sie fuchtelte energisch mit den Armen. »Was sage ich ›für dumm verkaufen‹ – einen ›Anschlag‹ haben sie auf mich verübt! Wer weiß, was noch hätte geschehen können, wenn Sie nicht rechtzeitig zu Hilfe gekommen wären. Alexander … er ließ mich nicht mal ans Videophone. Ich war regelrecht seine Gefangene! Und dann dieses schreckliche Lachen! Die ganze Zeit über hat er nur gelacht!«

      Nachdem das Zimmer wieder einen bewohnbaren Eindruck machte, blieb nur noch die Ursache des ganzen Chaos übrig. Brandon beugte sich über den grinsenden Zwerg und starrte ihn nachdenklich an. Vergeblich versuchte er in den toten, leeren Augen ein Motiv für das destruktive Verhalten zu finden. Der Replikant wirkte jetzt so leblos und unschuldig wie ein ausgestopfter Teddy. Wenn da nicht dieses wissende, hämische Grinsen gewesen wäre. Durch die plötzliche Ausschaltung waren die Gesichtszüge erstarrt und in eine dämonische Fratze verwandelt worden.

      »Was soll mit Alex … mit diesem Ding hier geschehen?«, fragte er schließlich.

      Miss Brookdahl vermied es, auch nur in die Richtung des künstlichen Geschöpfes zu blicken.

      »Packen Sie es in den Schrank im Flur«, antwortete sie nun wieder mit zittriger Stimme. »Und schließen Sie um Gottes Willen die Tür gut ab!«

      Da seine Nachbarin offensichtlich weder Verwandte noch nähere Freunde besaß, fragte Brandon sie auch nicht danach, ob sie die Nacht in einer anderen Wohnung verbringen wollte. Sie weigerte sich auch strikt dagegen, einen Arzt in Anspruch zu nehmen.

      »Ich weiß, Sie meinen es nur gut, Brandon«, entgegnete sie auf seinen Vorschlag, »aber mir fehlt wirklich nichts. Nach all der Aufregung muss ich jetzt nur ein wenig zur Ruhe kommen. Und morgen werde ich den Leuten bei UMC die Hölle heißmachen.«

      Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie mit dem Notwendigsten versorgt war, verließ er schließlich

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