Der Moment, der alles änderte. Julia Thurm

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Der Moment, der alles änderte - Julia Thurm

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setzte mich auf meinen Platz, ohne ein Wort zu sagen. Mr White schrieb unser nächstes Geschichtsthema an die Tafel:

      Die Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.

      „Wow, wie spannend!“, entfuhr es mir genervt.

      Während alle anderen darüber lachten, sah Mr White mich streng an und drohte: „Wenn du willst, Ms Smith, kannst du gleich dem Rektor einen Besuch abstatten.“

      „Ist ja gut, ich bin schon still“, raunte ich überrascht. Normalerweise ignorierte der Geschichtslehrer meine Kommentare.

      Nach einer absolut langweiligen Stunde (man möchte gar nicht glauben, wie langsam die Zeit vergehen kann) ging ich, in Gedanken schlummernd im Bett liegend, zu meinem Spind mit der Nummer 210.

      Als ich meine Geschichtsbücher hineinräumte, tauchte hinter mir mein Freund Drake auf. Er begrüßte mich mit einem langen Kuss. „Hey, wie geht’s, wo warst du vorher?“, fragte er mit freundlicher, doch gleichzeitig besorgter Stimme.

      Drake hatte braune, etwas längere Haare und ich liebte es, wenn er sie zur Seite schüttelte, damit sie richtig saßen. Außerdem war er ziemlich groß und hatte wunderschöne braune Augen, und wenn er lächelte, bekam er ein süßes Grübchen auf seiner rechten Backe.

      „Ich hab verschlafen, tut mir leid“, murmelte ich mit schlechtem Gewissen.

      „Schon okay, was machst du heute Abend?“, wechselte er geschickt das Thema.

      „Keine Ahnung, ich dachte, ich helfe meiner Schwester, Bewerbungen zu schreiben. Du weißt doch, dass sie seit vier Monaten arbeitslos ist und wir noch die Raten für das Auto und das Haus abbezahlen müssen.“

      Christin war Journalistin bei der New York Times gewesen, bis sie sich beschwerte, dass sie zu viel Arbeit habe und zu wenig Geld verdiene. Danach hatte man sie entlassen.

      „Okay, ich hol dich um sieben ab. Mit ein paar Freunden. Bis später.“ Dann war Drake wieder verschwunden.

      Hatte er mir überhaupt zugehört? Eher nicht, er schien in Gedanken woanders zu sein. Aber egal, damit konnte ich mich nun nicht beschäftigen, denn es klingelte und ich musste zur nächsten Stunde.

      Ich hatte Mathe. Wie ich diesen Unterricht hasste. Allerdings machte es keinen großen Unterschied, weil ich eigentlich ausnahmslos alle Fächer verachtete. Ich ging nur zur Schule, um ein paar Streiche zu spielen, natürlich wegen meines Freundes, aber auch, weil ich zu Hause nichts zu tun hätte und mir langweilig wäre.

      Ich setzte mich ganz nach hinten, um hundertprozentig nichts mitzubekommen. Während der gesamten Mathestunde langweilte ich mich zu Tode. Als ich aus dem Fenster sah, entdeckte ich etwas, das mir nicht besonders gut gefiel. Ein rothaariges Mädchen flirtete sehr offensichtlich mit meinem Freund Drake und dieser hatte sichtlich Spaß dabei. Ich spürte, wie die Wut in mir hochkroch.

      „Das gibt Rache“, schwor ich mir selbst in Gedanken. „Niemand nimmt mir meinen Freund weg!“

      Jede Schülerin hier wusste, dass er mit mir zusammen war. Er war einer der beliebtesten Jungs der Schule. Ich merkte mir das Gesicht des unbekannten rothaarigen Mädchens und konnte während der ganzen Mathestunde nur daran denken, wie ich diese Schlange fertigmachen würde. Na gut, ich gebe zu, dass ich mich auch davor nicht gerade für Mathe zu begeistern versuchte.

      Nachdem es endlich geklingelt hatte, machte ich mich umgehend auf die Suche nach dem rothaarigen Mädchen und wurde tatsächlich ziemlich schnell fündig. Die Tussi stand vor ihrem Spind und fischte Bücher heraus.

      „Dann spreche ich sie mal an“, dachte ich und tippte ihr auf die Schulter. Sie drehte sich zu mir um. „Hey ... ähm ... hör mal, ich hab vorher ganz zufällig gesehen, wie du dich an meinen Freund rangemacht hast. Oder war das etwa keine Absicht? Auf jeden Fall fände ich es gut, wenn du dich bei mir entschuldigen würdest.“ Ich hoffte für sie, dass es keine Absicht gewesen war, sonst würde ich sie in Kleinholz verwandeln, dieses arrogante Miststück.

      Nachdem sie seelenruhig ihre Nägel überprüft hatte, blickte sie mich arrogant an und meinte: „Nein, nein, das war schon Absicht. Ich angle mir, wen ich will und wann ich will. Dass ich mich bei jemandem wie dir entschuldige, wird nicht mal in deinen Träumen passieren. Nicht mal bei deiner Mutter würde ich mich entschuldigen, ganz besonders nicht, wenn sie genauso hässlich ist wie du.“

      Ich konnte es nicht fassen. Diese miese Kuh kannte meine Mutter noch nicht mal und nannte sie und mich hässlich. Die Wut kochte in mir hoch. Ich versuchte trotzdem ruhig zu bleiben. „Wie hast du meine Mutter und mich gerade genannt?“

      „Deine Mutter ist genauso hässlich wie du, hast du’s jetzt geschnallt?“, schleuderte sie mir hämisch entgegen.

      Jetzt hatte ich mich nicht mehr unter Kontrolle. Ich schlug ohne Vorwarnung zu, als meine Kontrahentin auf dem Boden lag, trat ich auf sie ein. „DU MISTSTÜCK!!!“, beschimpfte ich sie immer wieder. Erneut schlug ich wie von Sinnen auf sie ein.

      Doch plötzlich packten mich zwei starke Hände und zogen mich weg. Sie gehörten zu meinem Geschichtslehrer Mr White. Immer noch vor Wut zitternd, stand ich hinter ihm und musste mit ansehen, wie er meiner rothaarigen Gegnerin aufhalf. Sie hatte eine Platzwunde auf der Stirn und eine blutige Nase. Aber sonst war ihr wohl nicht mehr passiert (wie schade). Ich wollte erneut auf das rote Gift losgehen, aber Mr White hielt mich fest.

      Völlig schockiert darüber, dass ich sie angegriffen hatte, ging sie mit ein paar Leuten, die ihr zu Hilfe geeilt waren, zur Krankenschwester.

      Während mich Mr White zum Rektor schleppte, erklärte er mir, wie enttäuscht er von mir wäre und dass er gedacht hätte, ich hätte mich geändert.

      Er spielte auf einen Vorfall an, der sich einen Monat zuvor ereignet hatte, damals war ich schon einmal so ausgetickt. Ich hatte meine Englischlehrerin mit einem Buch geschlagen, weil sie mir eine Sechs gegeben hatte, ich aber eigentlich eine Fünf verdient gehabt hätte. Der Rektor, der Mr Conner hieß, hatte mich deswegen zu sechs Wochen gemeinnütziger Arbeit verdonnert, die ich noch nicht mal vollständig abgearbeitet hatte, und gedroht, falls so etwas noch mal vorkäme, würde er mich von der Schule werfen.

      Ich setzte mich wartend auf einen Stuhl vor Mr Conners Tür, auf dem ich jedes Mal Platz nahm, wenn ich etwas angestellt hatte. Das kam ungefähr dreimal pro Woche vor.

      Mr White klopfte an die Bürotür des Rektors, und kurz bevor er diese hinter sich schloss, drehte er sich zu mir um. „Warte hier, ich will nichts hören, bis wir dich hohlen.“

      Ich nickte brav. Anschließend wippte ich nervös auf meinem Stuhl hin und her. Wie ich das Gefühl hasste, auf mein Urteil warten zu müssen.

      Nach ungefähr zwanzig Minuten bat mich Mr White in das Rektorenzimmer. Ich setzte mich auf den Stuhl vor Mr Conners Schreibtisch, der mich mit ernstem Blick musterte, als wäre ich der Staatsfeind Nummer eins. Mr White schloss die Tür und stellte sich direkt hinter mich. Für einen Moment herrschte Stille.

      Doch dann ergriff der Rektor das Wort. „Katie, Katie, Katie! Was soll ich bloß mit dir machen? Wieso schlägst du ein Mädchen, das dir nichts getan hat?“

      „Das ist so nicht richtig, Mr Conner ...“ Noch ehe ich den Satz beenden konnte, kam meine Schwester zur Tür herein. Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber ich erkannte an ihrem Blick, wie wütend sie auf mich

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