Der Moment, der alles änderte. Julia Thurm

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Moment, der alles änderte - Julia Thurm страница 5

Автор:
Серия:
Издательство:
Der Moment, der alles änderte - Julia Thurm

Скачать книгу

„Nach dem Frühstück gehst du bitte mit Spike Gassi.“

      Ich wollte noch einmal zu protestieren anfangen, unterließ es aber, als ich den entschlossenen, keinen weiteren Widerspruch duldenden Gesichtsausdruck meiner Schwester bemerkte. „Ja, mache ich“, murmelte ich stattdessen genervt und wandte mich meinem Frühstück zu.

      Wie immer waren Spike und ich auf dem Weg zum Saint Mary’s Park, der nicht weit von zu Hause entfernt lag. Aus purer Neugier machte ich einen kleinen Umweg an meiner alten Schule vorbei, in der Hoffnung, vielleicht Drake über den Weg zu laufen. Was eigentlich ziemlich unwahrscheinlich war, denn es war 10.15 Uhr und Mittagspause war erst um 12.10 Uhr. Also spazierte ich weiter in Richtung Park, wo ich Spike auf der Hundewiese von der Leine nahm und mit ihm Fangen und Hol-das-Stöckchen spielte. Wir waren beinahe völlig alleine, denn vormittags war hier noch nicht viel los.

      Nach zwei Stunden intensiven Spielens und Kuschelns wurde es Zeit, nach Hause zu gehen. Wieder machte ich den Umweg an meiner alten Schule vorbei. Ich wusste nicht genau, was ich mir davon erhoffte, aber ich hatte so ein Gefühl, dass es richtig war, diesen Weg zu nehmen. Immerhin war es jetzt 12.06 Uhr. Also, warum nicht?

      Kurz vor dem Schulgelände blieb ich stehen. Nachdem ich einige Minuten vor mich hin starrend dort verweilt hatte, wollte ich weitergehen. Doch dann entdeckte ich das, was ich zu sehen gehofft hatte: Drake. Mich ihm nähern durfte ich nicht, denn es war mir nicht erlaubt, das Schulgelände zu betreten. Aber seit wann hielt ich mich an Regeln?

      Als ich gerade auf ihn zusteuern wollte, sah ich das, was ich nicht zu sehen gehofft hatte: Amy. Sie stolzierte auf Drake zu und fing an, ihn zu bequatschen. Doch das war nicht alles, denn plötzlich hielten die beiden Händchen und küssten sich innig.

      Autsch! Das tat weh.

      „Nur Freunde ... Alles klar“, murmelte ich verletzt. Das war zu viel für mich. Ich hastete weiter, immer noch völlig geschockt von dem, was ich eben gesehen hatte.

      Als ich zu Hause angekommen war, bemerkte ich, dass meine Schwester nicht da war. Am Kühlschrank hing ein gelber Zettel.

      Bin bei einem Bewerbungsgespräch. Komme in etwa einer

      Stunde wieder.

      Die Arme! Sie hatte schon so viele Absagen bekommen und gab trotzdem nicht auf. Wenn das mal kein Arbeitswille war!

      Ich setzte mich auf die Couch und schaltete den Fernseher ein. Spike legte sich zu mir und schmiegte sich an mich.

      „Komisch, das machst du doch normalerweise nur abends, Spike“, meinte ich ziemlich verwundert. Wahrscheinlich merkte er, dass mich die Sache mit Drake und Amy doch ziemlich mitgenommen hatte, und wollte mich trösten.

      Ich zappte mit der Fernbedienung durch einige Sender, bis ich bei CNN landete. Dort lief gerade ein Bericht von der Wall Street, wie es um den Börsenmarkt stand. Doch das interessierte mich nicht, ich war in andere Gedanken vertieft. Mir fiel auf, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben keinerlei Emotionen gezeigt hatte, obwohl ich sonst ständig wütend war und schnell ausrastete. Jedenfalls war dies seit dem Unfall, bei dem meine Eltern gestorben waren, so gewesen.

      Damals, vor etwa zehn Jahren an einem sonnigen Sommertag, spielten meine Schwester und ich im Saint Mary’s Park ausgelassen miteinander. Wir hatten sehr viel Spaß. Irgendwann rief meine Mom auf Christins Handy an und forderte uns auf, nach Hause zu kommen, da es schon spät wäre. Wir packten unsere Sachen zusammen, und da es nicht weit war, brauchten wir nicht lange für den Weg.

      Es war ein völlig normaler Tag. Wir aßen alle gemeinsam zu Abend, danach durften Christin und ich noch ein wenig fernsehen.

      Um 20 Uhr brachte mich Mom ins Bett und sagte zu mir: „Schlaf jetzt schön, mein Schatz, denn morgen machen wir zusammen einen Ausflug und dafür musst du ausgeruht sein. Okay?“ Sie gab mir einen Gutenachtkuss und verließ das Zimmer.

      Kurz darauf war ich auch schon eingeschlafen.

      Am nächsten Morgen erwachte ich sehr aufgeregt, denn der versprochene Ausflug sollte nach Philadelphia gehen, wo wir mit Delfinen schwimmen würden. Nach dem Frühstück packten wir alles zusammen und fuhren mit dem Auto los. Es war ein langer Weg bis nach Philadelphia und bis heute frage ich mich, warum wir eigentlich nicht geflogen sind. Das Geld dazu hätten wir gehabt.

      Nachdem wir New York verlassen hatten, ging es auf die Autobahn. Eine Weile konnte man frei fahren, doch nach etwa zwölf Meilen bildete sich ein kleiner Stau. Da die Straße mehrspurig war, erblickte ich direkt neben uns einen schwarzen Van, dessen Scheiben ebenfalls schwarz getönt waren. Er sah unheimlich aus und machte mir ein wenig Angst. Ich war ja erst vier Jahre alt. Plötzlich wurde das Fenster der Fahrerseite heruntergelassen. Aber nur so weit, dass man die dunkelbraunen Augen des Fahrers erkennen konnte. Diese starrten mich erst reglos an, dann zwinkerten sie mir zu, bevor das dunkle Fenster wieder hochfuhr.

      Ich sah mich um, keiner außer mir schien das gesehen zu haben. Weder meine Schwester, die neben mir saß, noch unsere Eltern.

      Meine Mom drehte sich zu mir um und fragte besorgt: „Alles okay, Katie? Du guckst so merkwürdig.“

      Ich antwortete: „Ja, Mommy, alles in Ordnung.“

      Sie strahlte mich an und drehte sich wieder in Fahrtrichtung.

      Nach einigen Minuten löste sich der Stau auf, was ziemlich ungewöhnlich war, und man konnte problemlos weiterfahren.

      Ich erinnere mich noch genau an diese Situation. Meine Schwester hörte Musik, meine Eltern ließen das Radio laufen, summten ihren Lieblingssong mit und ich spielte mit meinem Plüschhund Jack. Spike hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Plötzlich sah ich durch das Rückfenster den schwarzen Van wieder. Dieses Mal befand er sich hinter uns. Aber nicht lange, denn er überholte uns ziemlich schnell, mit mindestens 200 km/h rauschte er an uns vorbei. Eine Geschwindigkeit, die auf amerikanischen Autobahnen nicht erlaubt ist. Nach kurzer Zeit war der Van in der Ferne verschwunden und ich konnte ihn nicht mehr sehen.

      Und dann passierte es: Ich hörte einen lauten Knall, einen panischen Schrei und nahm wie in Trance ein helles Licht wahr.

      Dann nichts.

      Ich wurde bewusstlos und wachte erst wieder auf, als Feuerwehrmänner versuchten, mich aus dem Auto zu befreien. Das Komische war, dass sich alles in Zeitlupe bewegte. Außerdem sah ich die Welt falsch herum, da das Auto auf dem Dach lag. Man holte mich aus dem Wagen und ich sah, was den Knall ausgelöst hatte. Mindestens 20 qualmende Fahrzeuge standen auf der Straße und 50 weitere waren bereits völlig ausgebrannt. Man kann sich dieses traurige Bild nur schwer vorstellen, wenn man nicht selbst dabei war. Ich wurde in einen Krankenwagen verfrachtet und sah meine Schwester und meinen Dad. Beide wurden gerade wiederbelebt. Aber damals verstand ich das noch nicht, also schrie ich: „DADDY!“ Doch er antwortete nicht.

      Ich blickte zu meiner Schwester. Beide hatten Verbrennungen, bei meinem Vater waren sie so schlimm, dass man sogar schon teilweise seine Knochen sah. Ich blickte aus dem Krankenwagen hinaus und sah Mom. Sie war, körperlich betrachtet, kein kompletter Mensch mehr. Gerade wurden ihre sterblichen Überreste in einen Sarg gelegt. Das war zu viel für mich. Ich wurde erneut bewusstlos und kam erst im Krankenhaus wieder zu mir.

      Christin lag mit einer Atemmaske neben mir. Doch das war schon alles, was ich erkannte, denn ich war extrem schwach und schlief sofort wieder ein.

      Erst als ich am nächsten Morgen aufwachte, bemerkte ich,

Скачать книгу