Matrix-Liebe. Traian Suttles

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Matrix-Liebe - Traian Suttles

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mit dieser Hintergrundschwärze kontrastierender, in vertikalen Bahnen herabfließender Zeichenstrom liefert im Anschluss daran die ersten Bilder der Handlung; fünf Buchstaben, die den Filmtitel bilden, gehen aus dem Code hervor. Von jetzt an, die gesamte Trilogie hindurch, werden wir diese vertikalen Ströme aus teils bekannten, teils fremdartigen Zeichen mit der Matrix assoziieren (womit auch schon die erste Bedeutung des Titels gegeben ist, denn in der Mathematik steht eine „Zahlenmatrix“ für ein entsprechend arrangiertes Ordnungsschema).

      Faller (2004, S.15) verweist auf den technisch-kulturellen Bezug der hiermit etablierten Matrix-Optik, indem er von den ältesten Computern (CRTs) mit ihren monochromatischen Bildschirmen berichtet. Damals, so Faller, wurden grünliche Schriftzeichen vor schwarzem Hintergrund als angenehm lesbar empfunden (ebd.):

      »So it was all green on black. The big bang of the computer revolution and evolution cast a soft, green glow. The particular shade of green lies somewhere between familiar and eerie. It lodges in our brains somewhere between nostalgic and unnatural.

      This careful sensibility and sensitivity guided every choice behind the look and feel of the Matrix movies.«

      Faller spielt darauf an, dass die in der Matrixwelt situierten Szenen mit speziellen Grünfiltern aufgenommen wurden, während man für die reale Welt, wie sie den Gegensatz zur Matrix bildet, Blaufilter bevorzugte. Der erste zoom, durch ein dynamisches Zahlengitter hindurch, führt uns bezeichnenderweise in eine Lichtquelle: diese erweist sich als die Taschenlampe eines Polizisten, der zusammen mit dem Rest seiner Einheit an das Hotelzimmer 303 heranschleicht, um Protagonistin Trinity zu verhaften.

      Die Ziffern, die wir vor dem Erscheinen dieser ersten „realen“ (wie man später lernt: virtuellen) Objekte sehen, sind in derselben grünlichen Farbe gehalten wie der Matrix-Code. Trinity ruft Cypher an; sie befindet sich in der Matrix (und dort wiederum in dem virtuellen Hotelzimmer mit der Nummer 303), er dagegen auf einem realen Hovercraft Namens Nebukadnezar. Der Zuschauer weiß von alledem nichts, sieht auch keine Personen, nur Dunkelheit und einen blinkenden Cursor – er muss sich fühlen wie der Mithörer eines geheimen Telefonats. Tatsächlich wird gleich nach der Einblendung von Datum und Uhrzeit – es ist der 19.2.1998 – ein Tracerprogramm aktiviert, welches die Nummer des Telefonanschlusses ermitteln soll: das Gespräch zwischen Trinity und Cypher wird abgehört. Dynamische Zahlenkolonnen beginnen zu arbeiten, und eine ermittelte Nummer nach der anderen wird oberhalb der Kolonnen festgehalten. Es handelt sich wohl um das erste cineastische Zitat, welches der Film anzubieten hat (und auch weiterhin in enormer Fülle4 offerieren wird): man fühlt sich an den Computer W.O.P.R. aus Wargames (1983) erinnert, wie er beim Finale dieses Achtziger-Jahre-Klassikers versucht, die Abschusscodes von Atomraketen zu knacken und dabei aus einem hochdynamischen Zeichengeflirre ein Passwordelement nach dem anderen herausfiltert.

      Trinity und Cypher unterhalten sich über eine Person, die offenbar unter ihrer Beobachtung steht. Selbst gerade abgehört, sind sie also ihrerseits observierend tätig. Die von ihnen verfolgte Person wird für den »Auserwählten« gehalten, aber – so wie es das Telefonat impliziert – weniger von Trinity und Cypher als von einer dritten Person Namens Morpheus. Zumindest Cypher teilt diese Sicht nicht: er meint sogar, dass man letztendlich für den Tod des Beobachteten verantwortlich sein wird (»wir werden ihn umbringen, kapiert?«) und scheint Trinity auf seine Seite ziehen zu wollen. Dann aber merkt Trinity, dass die Leitung »unsauber« sein könnte, und beeilt sich, das Gespräch zu beenden. Tatsächlich ist das Tracerprogramm dabei, die Rufnummer zu komplettieren. Die Kamera fährt an die ermittelten Zahlen heran, bis schließlich bildschirmfüllend links eine 5 und rechts eine 6 zu erkennen ist. Dann bildet sich im Leerraum zwischen diesen Ziffern eine Null – die Verbindung ist ermittelt, es kommt zum zoom durch die Null hindurch in die Taschenlampe des Polizisten, wie oben schon beschrieben.

      Das Gespräch zwischen Trinity und Cypher war kurz, und inhaltlich für Unwissende nur bruchstückhaft nachvollziehbar. Noch weniger erkennbar ist – außer kinogeschichtlichen Anspielungen wie eben der Verweis auf Wargames – die Zahlensymbolik, die bereits mit dieser Eröffnungssequenz transportiert wird: man vermag sie erst als solche zu erkennen, wenn man mit Matrix Reloaded den zweiten Teil der Trilogie gesehen hat. Mit dem Wissen um das dortige Gespräch zwischen Neo und dem Architekten kann man die Zahlen 5 und 6, zwischen denen sich die Kamera hindurchbewegt, als inhaltlich aufgeladene Zeichen verstehen: sie verweisen auf die fünf Vorgänger, die „der Auserwählte“ Neo bereits hatte, und damit auf die bevorstehende Herankunft des sechsten Erlösers – eben Neo.

      4 »Für die Cinephilen (…) gibt es einige Eckdaten: 60 Filme, so heißt es, werden „ernsthaft“ zitiert, 40 weitere erhalten die Ehre, immerhin parodistisch gestreift zu werden.« (Seeßlen 2003, S.113)

       Heart o’ the City-Hotel

      Die nächtlichen Außenaufnahmen vom Heart o’ the City-Hotel lassen zunächst nicht klar erkennen, ob es überhaupt noch in Betrieb ist. Der Flur mit dem Zimmer, von dem aus Trinity soeben telefonierte, ist eindeutig stillgelegt, doch die großen Neonbuchstaben an der Fassade leuchten, und nicht nur der Eingangsbereich, sondern auch die untersten Stockwerke sind erhellt. Zudem funktioniert der Lift, mit dem einer der mittlerweile hinzugekommenen „Agenten“ (drei Anzugträger mit Sonnenbrillen und Ohrempfängern, die wohl nicht umsonst an die FBI-Agenten in Wargames erinnern) sowie weitere Polizisten in den dritten Stock vordringen, um der Gesuchten habhaft zu werden. Die Kamerafahrt entlang der Leuchtreklame endete an dem unbeleuchteten Schild hourly rates, welches man erst am Ende des Filmes noch einmal deutlich lesen kann: es handelt sich um ein Stundenetablissiment.

      Das „reduzierte“ Hotel gleicht einer Fassade, hinter der ein Teil des eigentlichen Inhaltes entfernt wurde, um es auf einen neuen Zweck auszurichten. Diesem aussagekräftigen Bild begegnet man bald wieder: bei der ersten Szene in Neos Bude, als er Jean Baudrillards Essaysammlung Simulacra and Simulation hervorholt – auch diese ist letztendlich nur eine Hülle (natürlich mit einem grünen Einband, wie auch das Heart o’ the City-Leuchten grün ist). Dem Zuschauer, der The Matrix zum ersten Mal sieht, sind solche Hinweise auf Zweckentfremdung und Virtualität nicht verständlich, er muss die angebotenen Bilder für „die Realität“ halten. Dies ändert sich freilich mit Trinitys versuchter Verhaftung: innerhalb weniger Sekunden schaltet sie alle vier Polizisten aus, welche – unvorsichtigerweise – noch vor dem Eintreffen der Verstärkung in das Zimmer vorgedrungen waren. Hier wird zum ersten Mal das tricktechnische Mittel der bullet time angewandt, in der das normale menschliche Zeitmoment – gleichsam jenes der Polizisten – eingefroren ist,5 während Trinity in zeitlupenhafter Bewegung zu einem ersten, vernichtenden Kick ansetzt. Der paradoxen Trennung von Zeitebenen geht ein zweites filmisches Mittel einher, das bei der Premiere für Furore sorgte, nämlich die kreisende Kamera, wie sie einmal um Trinity und ihr erstes Opfer herumfährt, bevor sie den Tritt ausführt. Clover (2004, S.25) zeigt sich begeistert von dem damals neuen6 cineastischen Mittel und zieht Parallelen zu anderen künstlerischen Revolutionen: er sieht »something like Cubism, pictorially revealing all perspectives of a still life on a two-dimensional surface.« Der Kubismus-Vergleich ist schon deshalb witzig, da Trinity nach Ausknocken ihrer ersten beiden Gegner in einer Art Vertikalbipedie7 die Wand des Hotelzimmers hochläuft, scharf wendend seitlich an den Zimmerwänden weitersprintet und den nächsten Kontrahenten attackiert, während die Kugeln des vierten Polizisten ihr Ziel verfehlen. Die Sehgewohnheiten des Zuschauers werden also durch gleich drei Novitäten verwirrt: bullet time, kreisende Kamera und die „unmögliche“ Laufbewegung entlang der Hotelzimmerwände. Zeitliche Sukzession und räumliche Perspektiven erscheinen wie artifiziell getrennt und in neuer Form zusammengesetzt.

      Trinitys „Wandläufer“-Attacke läuft wieder in Realzeit ab, ebenso wie die Ausschaltung ihrer letzten beiden, chancenlosen Gegner. Ihr finaler Kick über die eigene Schulter geschieht so blitzschnell, dass er für den Zuschauer kaum zu erkennen ist: dieser kann erst mit

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