Matrix-Liebe. Traian Suttles

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Matrix-Liebe - Traian Suttles

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Jahr 1999 sein, die Weckzeit wäre dann als 9 und 1+8 zu lesen, sprich, 9 und 9. Nicht vergessen darf man aber, dass für Trinitys Anruf zu Beginn des Filmes der Februar 1998 angezeigt wurde. Wenn man die Annahme vermeiden will, dass seit Trinitys damaliger Flucht aus der Matrix mehr als zehn Monate vergangen sind (etwa, da die Rebellen sich über ihre Ortung wunderten und die geplante Befreiung Neos verschoben), so spielt die Wecker-Szene wohl ebenfalls noch 1998. Sie könnte aber darauf verweisen, dass Neo gut ein Jahr später von Morpheus lernen wird, wo in der Zeit er sich wirklich einzuordnen hat (sein „wahres“ Erwachen also, insofern Erwachen aus einem Traum mit raumzeitlicher Neuorientierung einhergeht).16

      Dass Neo sein „Normalleben“ als unerträglich empfindet und sich aus genau diesem Grunde seit Jahren auf nächtlicher Sinnsuche befindet, unterstreichen die folgenden Szenen. Gezeigt wird das Hochhausgebäude, in dem sein Arbeitgeber Metacortex situiert ist. Der Firmenname bezieht sich auf die Hirnrinde, den Cortex, in dem die absolute Mehrheit der informationsverarbeitenden Neuronen ihren Platz hat (diese Zellen werden übrigens als „kortikale Säulen“ bezeichnet; sie sind, wenn man so will, „turmförmig“). Meta-Cortex lässt sich demnach als „über der Hirnrinde“ lesen, was doppelsinnig ist: einmal verweist es auf das technokratische Streben nach Rechnern und Programmen, die spezielle menschliche Leistungen imitieren oder übertreffen können – mit dem erhofften Klimax einer KI –, zum anderen darauf, dass diese Entwicklung schon längst stattgefunden hat und sämtliche Gehirne der Matrizianer einem Kontrollsystem untergeordnet sind, welches ihre Hirnrinde ununterbrochen mit einer täuschenden Realitätssimulation überflutet (interessant ist, dass man im Inneren des Gebäudes einen modifizierten Namen liest: »MetaCorTechs«, mit offensichtlichem Anklang an core – die Bedeutungsverschiebung von „Rinde“ zu „Kern“ wirkt intendiert).

      Nachdem der hoch aufragende Metacortex-Tower aus „Passantenperspektive“ gezeigt wurde, geht in der nächsten Einstellung der Kamerablick durch eines seiner Fenster. Ermöglicht wird er in gleichsam demonstrativer Manier, da gerade Fensterputzer am Werk sind: Die Reinigungswerkzeuge und das ablaufende Spülwasser geben den Blick des Zuschauers durch das blitzblanke Glas frei, und von innen schaut der vor dem Schreibtisch seines Chefs stehende Neo auf den Betrachter zurück. Diese Fensterputzidee ist von eigentümlichem Reiz; Clover (2004, S.60 f.) erkennt in ihr einen Neo, der sieht und gleichzeitig nicht sieht17 – was, in aller Kürze zusammengefasst, das Dilemma seines bisherigen Lebens und die Quelle seiner Leiden ist. Interpretatorisch noch einen Schritt weiter – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes – geht Di Filippo (2003, S.66). Er deutet die Szene als (wenn so intendiert, dann genial zu nennende) Verbildlichung von William Blakes berühmtem Aphorismus »if the doors of perception were cleansed, everything would appear to man as it is: infinite«. Di Filippos Vorschlag hat einiges für sich, da er darauf verweisen kann, dass Neo nur kurze Zeit später eines der Hochhausfenster als „Tür“ benutzen wird, um die Begegnung mit der Tiefe zu wagen. Wie aus einer Anmerkung bei Schuchardt (2003, S.7) ableitbar ist, dürfte diese cineastische Umsetzung des Blake-Zitates schon an Neos Zimmertür (sic!) vorbereitet worden sein, nämlich, als sein Kumpel Choi von Meskalin schwärmte: Aldous Huxleys einflussreicher Bericht über dessen Meskalinerfahrungen hieß The Doors of Perception (und inspirierte wiederum Jim Morrison zum Bandnamen The Doors). Es wirkt nur konsequent, wenn wir von Felluga (2003, S.82f.) erfahren, dass die Wachowskis all dies mit einem Cameo-Einsatz als Fensterputzer krönen wollten – was leider an Sicherheitsauflagen scheiterte.

      Doch zurück zu Neo, der sich nicht zum ersten Mal verspätet hat. Offenbar kommt er mit seinem Job nicht zurecht, ist gleichzeitig unterfordert und überlastet, da unangepasst an die Arbeitszeiten. Sein Chef, Mr. Rhineheart,18 macht ihm klar, dass dies seine letzte Chance sei: entweder Neo findet sich ab sofort pünktlich an seinem Arbeitsplatz ein, oder er wird entlassen. Schaut man sich den Film zum wiederholten Male an, wohnt der eigentlich frostigen, mit „kühlem“ Farbfilter aufgenommenen Szene ein schönes ironisches Leuchten inne, und zwar in Rhinehearts zurechtweisenden Worten: »Sie haben ein Problem mit Autorität. Sie halten sich für etwas Besonderes; jemanden, für den keine Regeln gelten. Aber da liegen sie definitiv falsch.«19 Der Kontrast zu Neos Transformation am Ende des Filmes könnte kaum größer sein, und fast wünscht man, dass Neo seinem Chef – um der alten Zeiten willen – noch einmal einen Besuch als „der Auserwählte“ abstatten wird.

      An diesem Morgen aber ist Neo so weit von seinem wahren Selbst entfernt wie nur irgendwie denkbar. Er ist wieder Thomas A. Anderson, eine unfreie und unglückliche Existenz, die er als trauriges Gegenteil seines Hacker-Ichs Neo empfinden muss. Neo ist ein Anagramm für One, doch noch weiß er nichts davon, dass (beziehungsweise in welchem Sinne) er einmal The One sein wird. Die Wachowskis bieten uns mittels seines bürgerlichen Namens eine Vorgeschichte zur Alias-Entstehung an. Zunächst einmal steht der Aliasname für das neue Dasein, von dem Neo träumt – er sehnt sich danach, seine Lohnsklaven-Existenz hinter sich lassen und seinen wahren Talenten nachgehen zu können. Gelänge ihm dies, würde er aus seinem alten Ich aussteigen: sein eigentliches Innerstes, seine Essenz sozusagen, käme ans Licht. Dieses essenzielle Ich, das Neo realisieren will, verbirgt sich in seinem Nachnamen Anderson, worauf z.B. Lawrence (2004, S.203) hinweist. In dieser Lesart umhüllen und verbergen die zu streichenden Buchstaben A, d, r, s und n Neos innerstes Selbst. Wenn Neo später, nach Entkoppelung aus der Matrix, aus der kokonartigen Umhüllung ausbricht, in der er seit seiner Zeugung gelegen hat, so wäre dies nichts weniger als der lang ersehnte Moment, in dem mit der Kokonhülle auch seine alte „Namenshülle“ zerrissen wird.20

      Besagte Kokons, in denen die schlafenden Körper der Matrizianer liegen, korrespondieren bildlich mit den Arbeitswaben, in denen Angestellte von Neos Rang ihrer stumpfsinnigen Tätigkeit nachgehen müssen (mehr hierzu im Kapitel »Zwischenbetrachtung I«). Nach der Maßregelung durch seinen Chef sehen wir Neo müde und deprimiert in einer solchen Wabe vor seinem Rechner sitzen. Sein Sinnieren wird von einem Paketboten unterbrochen, der einen größeren Umschlag für Thomas Anderson abliefert (bei Fontana 2003, S.162 wird auf biblische Vorbilder verwiesen, in denen von Gott/Engeln angesprochene Menschen ähnlich wie Neo antworten: »Yes, that’s me«). Neo quittiert die Übergabe ohne großes Interesse, doch als er den Umschlag öffnet, erweist sich dieser als Wundertüte: enthalten ist ein Handy, das sogleich zu klingeln anfängt. Und damit nicht genug, denn als der verblüffte Neo den Anruf entgegennimmt, hat er keinen geringeren als Morpheus am Apparat.

      Eine Vorstellung ist hierbei nicht nötig, es genügt, dass Neo gefragt wird, ob er seinen Gesprächspartner erkenne. Als Betrachter kann man schließen, dass Neo nicht nur durch Trinitys Worte – bei denen der Name Morpheus außen vor blieb – auf diesen Anruf eingestellt wurde. Es ist ziemlich klar, dass Neo bei seinen Hackeraktivitäten nach allem suchte, was irgendwie mit Morpheus zu tun hat, und dabei wahrscheinlich auch gesprochene Botschaften dieses „Terroristen“, platziert in geschützten Zonen des www, begierig anhörte – so wäre zu erklären, dass er die Stimme seines Anrufers sofort erkennt. Nicht zu vergessen ist hierbei das Ende des Filmes, als Neo selbst eine Audiobotschaft ins Internet zu schicken scheint.

      Morpheus warnt Neo vor der bevorstehenden Verhaftung durch Agent Smith und seine beiden Helfer. Diese drei „Matrixwächter“ haben das Großraumbüro soeben betreten, so dass höchste Eile geboten ist. Der geheimnisumwitterte Anrufer dirigiert Neo durch die Arbeitswaben hindurch in ein Zimmer, das nahe an einem Baugerüst liegt. Um vor den Agenten fliehen zu können, müsste Neo aus dem Fenster steigen, an der Fassade entlang klettern und von dort aus das Gerüst erreichen. Neo lehnt empört ab, da er mit so einer Kletterpartie einen tödlichen Sturz riskiert. Morpheus erwidert, dass Neo eine Wahl habe und diese selbst treffen müsse: Verhaftung durch die Agenten oder den einzig verbleibenden Fluchtweg.

      Das Telefonat ist beendet, und Neo bewegt sich zwischen Tür und Fenster hin und her wie zwischen seinen beiden unerfreulichen Optionen. Schließlich entscheidet er sich für den Kletterversuch – ein Zeichen, welch idolhaften Einfluss Morpheus auf ihn ausübt. Doch als ein Windstoß den tapferen Neo beinahe in die Tiefe befördert, erweist sich seine Angst zu sterben als stärker.

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