Matrix-Liebe. Traian Suttles

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Matrix-Liebe - Traian Suttles

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Als solcher symbolisiert er die Erdoberfläche, die die Menschen bei ihrem Krieg gegen die KI-Systeme verloren haben – eine schreckliche Wahrheit, von der Neo nichts weiß, an die er aber Schritt für Schritt durch Morpheus’ Enthüllungen herangeführt werden soll. Morpheus wartet in einem der Hotelzimmer; direkt neben diesem Raum sind alle notwendigen Gerätschaften für Neos Abkoppelung aus der Matrix aufgebaut worden. Dort hält Cypher die Stellung und wartet auf die Rückkehr von Apoc, Switch und Trinity.

      Anders als Apoc und Switch begleitet Trinity Neo, als dieser auf die Zimmertür zugeht, hinter der Morpheus ihn erwartet. Nach wie vor also besteht Trinitys Rolle darin, dass ihre „verständnisvolle“ Gegenwart beruhigend auf Neo wirken soll. Direkt vor Betreten des Raumes gibt sie Neo den Rat, ehrlich zu sein, denn Morpheus wisse mehr, als man sich vorstellen könne. Neben der allgemeinen, beruhigenden Funktion geht es Trinity ersichtlich um eine „gerichtete“ psychologische Beeinflussung. Soll Neo Morpheus sein Vertrauen schenken, dann muss dies aus vollster Überzeugung geschehen, nicht aus Furcht oder fassadenhafter Freundlichkeit heraus. Es geht um Alles oder Nichts.

      Genau diese Alles-oder-Nichts-Entscheidung manifestiert sich kurz darauf in der Wahl zwischen der roten und der blauen Pille, vor die Neo gestellt wird. Nimmt er die blaue Pille, wird er alles vergessen und morgen in seinem Bett erwachen – was für ein Erwachen das sein könnte, haben wir beim Verschlafen nach seinem Clubbesuch bereits erlebt. Eigentlich ist klar, dass Neo sich nur für die rote Pille entscheiden kann. Trotzdem zögert er, wohl registrierend, dass die Sache irgendeine Kehrseite haben muss. Es reicht daran zu erinnern, dass Neo hier von Morpheus nicht zum ersten Mal vor eine Wahl gestellt wird: Morpheus tat dies bereits, als er es Neo überließ, entweder an der Fassade des Metacortex-Towers entlang in die Freiheit zu klettern oder von den Agenten festgenommen zu werden. Bekanntlich waren dies äußerst unangenehme Alternativen, und Neo sah sich letztendlich gezwungen, auf die angegebene Fluchtroute zu verzichten: er hatte Angst, abzustürzen und zu sterben. Ahnt er, dass die Entscheidung zwischen der roten und der blauen Pille ein ähnlich hohes Risiko beinhaltet?

      Falls ja, so müssen wir fragen, warum Morpheus überhaupt eine Wahl anbietet. Am Telefon hatte er Neo bereits mitgeteilt, warum er sich dringend mit ihm treffen will: »Because you are The One.« Und auch dort schon hatte Morpheus seinem Gesprächspartner Wahlfreiheit eingeräumt, statt ihn ultimativ an den Treffpunkt zu beordern: »Willst du mich immer noch kennenlernen?« Dies ist bemerkenswert, denn wenn Morpheus so absolut überzeugt von seinem „Kandidaten“ ist, und umgekehrt Neo beim Betreten des Raumes äußert, dass ihm das Kennenlernen »eine Ehre« sei – warum dann nicht das Verfahren vereinfachen und Neo sagen, dass es für alles folgende nötig sei, ein Medikament einzunehmen? Der charismatische Morpheus hätte kaum um Vertrauen werben müssen, um seinen Auserwählten zur raschen Einnahme der Pille zu bewegen.

      Wie wir später erfahren werden, ist das rot-blau-Ritual keineswegs speziell für Neo konzipiert: auch alle anderen befreiten Matrizianer standen einst vor selbiger Wahl. Explizit jedenfalls hören wir dies von Cypher, als er Neo gegenüber sein verschlagenes Lamento »why, oh why didn’t I take the blue pill?« anbringt. Daraus können wir einerseits folgern, dass Neo in diesem Punkt nicht anders behandelt werden soll als alle anderen in der Matrix gefangenen Menschen. Andererseits aber ist seine Entscheidung doch etwas besonderes, denn sollte er die blaue Pille nehmen, wäre die Menschheit ihrer vielleicht größten Hoffnung beraubt. Man muss also annehmen, dass Morpheus bei jeder Befreiungsaktion, und auch bei der des mutmaßlichen Auserwählten, unbedingt eine freie Entscheidung sehen will. Die Bedeutung des notorisch diffusen Freiheitsbegriffes führt er auf die Entscheidungsfähigkeit des Einzelnen zurück. Es hätte für ihn keinen Sinn, mit oder für Leute zu kämpfen, die nicht auf diese Weise auf ihre Entscheidungsfreiheit zurückverwiesen wurden (genau dies ist auch der Grund, warum Morpheus in Reloaded dem deterministischen Weltbild des Merowingers ein »Alles beginnt mit einer Entscheidung« entgegenhält).

      Was nun speziell Neos Wahl anbelangt, geht es Morpheus aber auch darum, seinen persönlichen Glauben an den „Auserwählten“ bestätigt zu sehen. Als Neo Anstalten macht, nach der roten Pille zu greifen, hält Morpheus ihn nochmals auf, indem er ihm ein »Alles was ich dir zeigen kann, ist die Wahrheit, nicht mehr« zu bedenken gibt. Es scheint ihm beinahe Freude zu bereiten, Neo nochmals vor die Wahl zu stellen und dabei zuzusehen, wie dieser kurz mit sich ringt. Morpheus lächelt undurchschaubar, als Neo die Pille einnimmt und zum Wasserglas greift: dem misstrauischen Publikum mag es wie der Triumph eines erfolgreichen Verführers27 erscheinen, doch in Wirklichkeit ist es pure Freude an Neos Entscheidungsprozess. Morpheus weiß genau, dass Neo bei der Erfüllung seiner Mission noch weitere schwierige Entscheidungen bevorstehen werden. In gewisser Weise sehen wir das Lächeln eines Vaters, der die ersten eigenen Schritte seines Sohnes beobachtet und sich fragt, wohin diese einmal führen könnten.

      26 Jedenfalls bemerkt man in den später dort spielenden Szenen keine Anzeichen dafür, es mit einem Stundenhotel wie beim Heart o’ the City zu tun zu haben. Allenfalls wäre denkbar, dass es sich um ein temporär stillgelegtes Hotel mit Dauermietern handelt: berühmtestes Beispiel der Gegenwart ist das Chelsea Hotel in New York. Dessen Bewohner betreten das Haus durch den Lieferanteneingang; auch Morpheus’ Leute sieht man vor dem Besuch beim Orakel diesen Weg nehmen.

      27 Das Bild des hilfreichen Verführers lässt sich in gnostische Ausdeutung von The Matrix einpassen, wie u.a. Seeßlen (2003, S.276) sie anspricht. Morpheus wäre hier die hilfreiche Schlange, die den Menschen gegen den bösen Demiurgen – den Architekt aus Reloaded – beisteht. Erwähnenswert sind z.B. auch gnostische Vorstellungen, nach denen Jesus keinen realen Leib besaß, sondern als Lichtstrahl geboren wurde (vgl. Blei 1930, S.69) – Neos spätere Transformation wird ja nur seinen virtuellen, nicht seinen realen Leib betreffen.

       Zerfließender Spiegel und zerreißender Kokon: Neos Abkoppelung

      Morpheus führt Neo in den Nebenraum, wo alle Vorbereitungen zur Abkoppelung getroffen wurden. Seine Erklärungen, etwa dass die rote Pille Teil eines Tracerprogrammes sei – wie ja auch die biomorphe Wanze in seinem Körper ein Programm war – kann Neo natürlich nicht verstehen (und auch der Zuschauer nicht: Lloyd 2003 S.108 erklärt, dass man es zur Ortung von Neos „Kokon“ benötigt). Wieder ist es Trinity, die sich demonstrativ um den zu Befreienden kümmert und ihm Elektroden anlegt, welche für die weitere Prozedur nötig sind. Neo scheint hier zum ersten Mal Dankbarkeit für ihre Zuwendung zu empfinden und fragt seine Helferin, ob sie all dies auch erlebt hätte, was sie kurz bejaht.

      Das Gegengewicht zu Trinitys „distanzierter Zuwendung“ bildet Cypher, der eine Frage Neos mit »buckle your seatbelt Dorothy, because Kansas is going bye-bye« beantwortet, also einer Stelle aus dem Wizard of Oz. In der deutschen Synchro wurde sie, da das Zitat dem hiesigen Kinopublikum nichts sagen dürfte, mit »hier wird es gleich sehr ungemütlich werden« übersetzt. Was Cypher wirklich damit meint, hat er Trinity beim Telefonat zu Beginn des Filmes ja ganz offen mitgeteilt: er erwartet, dass die Abkoppelungsprozedur Neo umbringen wird.

      Inzwischen verhält Neo sich wie jemand, der zum ersten Mal eine bewusstseinsverändernde Droge eingenommen hat – er versucht, sich zu entspannen, und wartet auf das Einsetzen der Wirkung. Schon bald merkt er, dass sich in seiner Umgebung etwas verändert – er blickt in einen alten, mittelgroßen Spiegel, der Sprünge aufweist. Durch diese Beschädigung ist Neos Gesicht mehrfach reflektiert, doch das Bild verändert sich: der Spiegel scheint zu zerfließen, die Sprünge verschwinden, so dass die Mehrfachspiegelung aufgehoben wird (für Schuchardt 2003, S.7 ein Symbol für die Findung des wahren Selbst). Als der verwunderte Neo den Arm ausstreckt und die Spiegelfläche berührt, ist es, als ob er eine Flüssigkeit touchiert – um seine im Spiegelglas verschwindenden Fingerspitzen bilden sich konzentrische Ringe (ein Through the looking glass-Moment). Diese „Spiegelflüssigkeit“ jedoch verhält sich anders als Wasser; sie ist schwerer, zäh-elastisch, und beginnt über Neos Hand zu kriechen. Abermals handelt es sich um eine Hommage,

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