Matrix-Liebe. Traian Suttles

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Matrix-Liebe - Traian Suttles

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eine in der Bibel nicht einheitlich verwendete, überwiegend auf Jesus bezogene Wendung, etwa wenn er in verhüllender Rede von sich selbst spricht (Worm 1993, S.48; vgl. ferner Yeffeth 2003, S.244f.). Damit die Dreieinigkeit Morpheus/Neo/Trinity aber Wunder wirken kann, muss sich der holy spirit in Gestalt Trinitys erst noch entfalten, genauer gesagt ihre Liebe zu Neo. Wie durchdacht diese Namensgebung ausfällt, zeigt sich spätestens beim – weiter oben schon erwähnten – Hinweis von Emig (2006, S.200), wonach die hebräische Entsprechung für den Heiligen Geist, nämlich ruach, ein Femininum ist.

      Neo kann den anderen Besatzungsmitgliedern erst vorgestellt werden, nachdem er medizinisch wiederhergestellt ist – durch seinen lebenslangen Aufenthalt im Kokon sind seine Muskeln atrophiert, und auch andere Organsysteme müssen auf ein neues Aktivitätslevel gehoben werden. Im Gespräch mit Morpheus erläutert dieser, dass Neo bislang glaubte, im Jahr 1999 zu leben. Zum weiteren Verlauf des Filmes passt diese Jahreszahl, da Neo ganz am Ende eine „Audiobotschaft“ abschickt, für die die Aufzeichnungssysteme das Jahr 1999 anzeigen. Sie widerspricht jedoch in gewisser Hinsicht dem Anfang des Filmes, also dem Telefonat zwischen Trinity und Cypher, als dieselben Systeme den Februar 1998 anzeigten. Auf diesen Punkt wurde im Metacortex-Kapitel schon hingewiesen, wir nahmen dort an, dass Neo wohl 1998 befreit wurde, dann aber so lange auf der Krankenstation der Nebukadnezar zubringen musste, dass mittlerweile die Matrix-Zeit 1999 gilt. Morpheus übernimmt im Gespräch also diese „aktuelle“ Jahreszahl, nur um Neo gleich darauf mitzuteilen, dass diese ohnehin illusorisch sei und man de facto wohl eher im Jahr 2199 leben würde.

      30 Der biblische Nebukadnezar wurde von schlechten Träumen geplagt, die seinen Untergang ankündigten – der Name verweist so gesehen auf den Kapitän des Schiffes, da Morpheus ja für den Gott des Schlafes und der Träume steht (vgl. aber auch Fontana 2003, S.174f.). Zu den Namen der anderen Crewmitglieder siehe Haupttext.

      31 Der auffälligen Häufung von „Neuner“-Jahren – 1999, 2069, 2199 – kommt Zitatcharakter zu, wenn man an die thematisch verwandten Vorgänger Blade Runner (spielt 2019) und Terminator (KI-Katastrophe im Jahre 2029) denkt. Wenn man will, kann man auch noch Harry Harrisons New York 1999 hinzufügen (die Romanvorlage für den Endzeit-Klassiker Soylent Green), sowie Lems Der Futurologische Kongress (spielt 2039).

       Im Konstrukt

      Bekanntlich hatte Morpheus im Hotel Lafayette behauptet, dass man niemandem erzählen könne, was die Matrix sei – man müsse sie selbst gesehen haben. Diese Formulierung mag nicht unbedingt wörtlich zu nehmen sein, doch sie bringt zum Ausdruck, wie schwierig es wäre, die Matrizianer rein argumentativ vom Täuschungscharakter ihrer Wahrnehmungen zu überzeugen. Solche gut gemeinten Argumente müssen mit Erfahrungen verbunden werden, und hierfür dient das sogenannte Konstruktprogramm – Neo soll es betreten, um zu lernen, was die Matrix ist. Ein analoges Verfahren wurde bereits im berühmten Platonschen Höhlengleichnis befürwortet: Gesetzt, dass jemand wie Morpheus einst der Matrix (= der Höhle) zu entkommen vermochte, das Licht und die Erscheinungen außerhalb derselben sah und nun zu jenen paralysierten Höhlenbewohnern zurückkehren würde, um ihnen die Wahrheit über ihr irregeleitetes Wirklichkeitsbild mitzuteilen, so bestünde deren Reaktion in blankem Unglauben, wenn nicht sogar in physischer Gewalt gegen den Wahrheitsbringer. Die bessere Methode besteht folglich darin, einen dieser Zweifler hinaus ans Licht zu geleiten, so dass er mit seinen eigenen Sinnen die Höhle und ihre trügerischen Schattenbilder zu begreifen lernt. Wenn der Zweifler erst einmal mit eigenen Augen sieht, wie das Sonnenlicht reale Körper anstrahlt und deren Schatten erzeugt, so wird ihm unweigerlich klar werden, dass er sein ganzes bisheriges Leben lang reale Körper mit deren Schattenbildern gleichsetzte und aus diesem fundamentalen Irrtum heraus sein unzutreffendes Realitätsver-ständnis entwickelte. Keine mündliche oder schriftliche Erklärung könnte vergleichbar stark und überzeugend wirken wie dieses eigene Erfahren der wahren Zusammenhänge.

      Der Gang in das Konstruktprogramm dient also dazu, 1) die Matrix „von außen“ betrachten zu können (durch einen im Konstrukt stehenden Fernseher, s.u.) und 2) dabei zu lernen, wie ihre bislang als perfekt empfundene Sinnestäuschung zustandekommt. Ganz so, wie der Höhlenbewohner beim Verlassen des Ausganges von der Sonne geblendet wird, betritt Neo eine rein weiße Welt, in der er sich erstmal nur verblüfft umsehen und nach Orientierungspunkten suchen kann. Sein Begleiter Morpheus wird zu einem ersten solchen Objekt, dann ein altmodisches Fernsehgerät, ein Tischchen mit Fernbedienung und zwei verschlissene rote Sessel, die den Sesseln im Lafayette-Hotel entsprechen, in denen Neo und Morpheus beim red pill/blue pill-Ritual Platz genommen hatten.

      Das „Nichts“, in dem Neo sich bewegt, wird also nur durch wenige Sinneseindrücke relativiert. Die Ausrichtung seiner Schuhsohlen verschafft ihm eine erste Grundorientierung: er scheint auf einem ebenen, nicht geneigten Boden zu gehen, auch wenn dieser unsichtbar ist. Das Gegenbild zu diesem „Nichts“ unter den Füßen sehen wir etwas später, als Morpheus das Hochladen des Sprungprogrammes befiehlt: von unten kommt ein Hochhausdach auf die in Großaufnahme gezeigten Schuhe der beiden Konstruktgänger zu, bis diese Dachfläche den unsichtbaren Boden des Konstrukts substituiert.

      Lawrence (2004, S.185) erliegt dem Reiz, das anfänglich leere Konstrukt in Anlehnung an Immanuel Kants Wahrnehmungstheorie darzustellen:

      »Basically, the Construct is a program that loads the necessary preconditions for any perceptual experience whatsoever – that is, it loads the grids of time and space.«

      Kantianisch inspiriert wäre dem aber die Frage entgegenzuhalten, warum etwas geladen werden muss, was im angeborenen Erkenntnisapparat ohnehin schon vorhanden sein soll. Der Anfang der Konstruktszene erinnert daher eher an einen polemischen Einwurf des Kantianers Schopenhauer (aus seiner Vorrede zu »Über den Willen in der Natur«, 1836):

      »Holt mir einen Bauern vom Pfluge, macht ihm die Frage verständlich, und er wird euch sagen, daß, wenn alle Dinge am Himmel und auf der Erde verschwänden, der Raum doch stehn bliebe, und daß, wenn alle Veränderungen am Himmel und auf der Erde stockten, die Zeit doch fortliefe.«

      Morpheus hält sich natürlich nicht mit solchen erkenntnistheoretischen Feinheiten auf. Stattdessen versucht er den erstaunten Neo davon zu überzeugen, dass beide sich tatsächlich gerade in einem Computerprogramm aufhalten, also in einem gänzlich virtuellen, „leeren“ Raum, der mit beliebigen Gegenständen beladbar ist: etwa Waffen und Kleidung. Morpheus nennt daher das Konstrukt auch »unser Ladeprogramm«. Im Moment sind mehrere solcher Gegenstände geladen: die erwähnte „TV-Ecke“ mit zwei Sesseln. Neo berührt eine der beiden Sitzgelegenheiten und muss feststellen, dass sie sich genau so anfühlt wie ihr abgewetztes Pendant im Lafayette. Doch sie ist nicht real, und genau darauf will Morpheus in seinen Erläuterungen hinaus: auch die Sessel im Lafayette waren nicht real. Das ganze Hotel war nicht real. Die Stadt und das darüber hinwegziehende Gewitter waren nicht real – die ganze Welt war es nicht. Gezielt verabreichte elektrische Impulse, die Neos Hirn Pseudo-Sinneseindrücke verabreichten, haben ihm sein Leben lang eine „Realität“ vorgetäuscht, ebenso wie Platons Höhlenbewohnern eine Realität aus interagierenden Schatten vorgegaukelt wurde.

      Wenn Neos anfänglicher Eindruck eines „leeren“ Raumes durch den unsichtbaren, festen Untergrund, auf dem er und Morpheus stehen, sowie die dort platzierten Objekten aufgehoben wird, letztere jedoch einfach „hineinprogrammiert“ wurden, dann weiß Neo nun scheinbar alles, was er erfahren sollte: auch die Objekte der Matrixwelt waren samt und sonders programmiert. – Doch was ist mit den Subjekten der Matrixwelt? Um diese mit Hilfe des Konstrukts richtig einordnen zu können, stehen Neo gerade nur die eigene körperliche Erscheinung sowie jene von Morpheus als Maßstab zur Verfügung. Hier jedoch ist etwas Eigenartiges zu bemerken, worauf Morpheus ihn auch umgehend aufmerksam macht: Beide sehen anders aus als noch Sekunden vorher im Hovercraft; sie tragen andere Kleidung, haben keine Anschlüsse mehr am Körper, und Neo hat sogar die vormalige

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