Matrix-Liebe. Traian Suttles

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Matrix-Liebe - Traian Suttles

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Verwirrung, sondern auch die des Zuschauers ist komplett, als der verflüssigte Spiegel Neos Arm hinaufkriecht, seinen Hals erreicht und sich seinen Lippen nähert. Zwar hat Morpheus versucht, Neo anzudeuten, dass er in einer Art Traumwelt lebe, doch in der konkreten Situation kann der Angesprochene dies nicht mehr verarbeiten (und der Betrachter ebensowenig). Die Spiegelschicht stürzt über seine Lippen in sein Körperinneres, während Neo einen bizarr verzerrten, panikartigen Schrei ausstößt – begleitet von einer Kamerafahrt durch seine Luftröhre, die den zoom durch die röhrenartig ausgezogene Null zu Beginn des Filmes fortsetzt (und auch später noch mit allerlei dynamischen Tunnel- und Höhleneinstellungen ergänzt wird). Dann findet er sich in einem länglichen, halbdurchsichtigen Kokon wieder, in dem er in einer Art „Amnionflüssigkeit“ schwimmt.

      Wie bereits festgehalten, war Neo der geheimnisvolle Matrixbegriff schon länger bekannt. Sollte er eine etymologische Entschlüsselung versucht haben, so entnahm er den Wörterbüchern sicherlich, dass sich »Matrix« u.a. vom lateinischen mater herleitet. Diesen Aspekt darf Neo jetzt unmittelbar kennenlernen, denn er ist nackt, wie ein Embryo im Mutterleib.28 Als er die weiche Hülle des Kokons durchstößt und sich aus seiner liegendschwebenden Position heraus aufsetzt, muss er voller Entsetzen registrieren, dass um ihn herum, an den Außenwänden gigantischer, turmartiger Konstruktionen, unzählige solcher Kokon-Behältnisse angebracht sind, in denen sich jeweils ein einzelner, regungsloser menschlicher Körper in einer Flüssigkeitsfüllung befindet.

      Lloyd (2003, S.105) zieht aus der Tatsache, dass Neo in diesem Moment – den ersten bewussten Sekunden in seinem realen Leib – optische Informationen verarbeiten kann, Rückschlüsse über die Übertragungswege der Matrixdaten, welche bislang sein Nervensystem stimulierten:

      »The fact that he can see and hear proves that the visual and auditory cortices of his brain are working. This wouldn’t be possible if the Matrix had put its sensory data into the deeper centers of his brain. For then his sensory cortex would have been bypassed: it would never have received any stimulation, and would have wasted away.«

      Viel Zeit, seine ersten optischen Eindrücke in der Realität zu verarbeiten hat Neo jedoch nicht, da von oben etwas auf ihn zu kommt. Der Top-Shot in dieser Szene nimmt dieselbe „Deckenperspektive“ auf, aus der wir den schlafenden Neo vor seinen Monitoren gesehen haben. Die Nachricht »the Matrix has you«, welche auf seinem Bildschirm erschien, kann Neo auch jetzt, kurz nach seinem Erwachen im Kokon, nicht verständlich sein. Sie könnte ihm aber ein wenig dabei helfen, den über ihn hereinbrechenden Schrecken psychisch zu überstehen. Morpheus hatte versprochen, ihm zu zeigen, was die Matrix ist, aber ihm gleichzeitig angedeutet, dass es nicht angenehm sein würde. Für den Moment manifestiert sich diese Ankündigung in dem insektoiden Überwachungsroboter, der – wie eine aufgeschreckte Arbeiterin in einem Ameisenstaat – zur schadhaften Stelle hinabgeeilt ist und Neo mit einem Greifarm am Hals packt, dessen Aussehen und Bewegungsweise an die Fangmaske einer Libellenlarve erinnern. Die Anschlüsse an Neos Körper springen ab, und auch der Roboter lässt ihn sofort wieder los: Neo ist „unbrauchbar“ geworden und von der Matrix entkoppelt. Er wird zusammen mit seinem pseudouterinen Flüssigkeitskissen abgesogen (Fontana 2003 S.182 weist darauf hin, dass hier ein optisches und akustisches „Echo“ zur Fensterputzszene vorliegt) und rutscht eine lange Röhre hinab29 in ein Gewässer, welches die riesigen Kokontürme umfliesst. In diesem abwasserartigen Strom – inter faeces urinamque nascimur – wäre sein Tod durch Ertrinken besiegelt, würde sich von oben nicht erneut ein Greifarm auf ihn herabsenken, der Neo herauszieht und im Rumpf eines großen Fahrzeuges verschwinden lässt.

      28 Biowissenschaftlich hat der Terminus „Matrix“ stets mit Einbettung zu tun. So scheiden etwa spezielle Zellen eine Extrazelluläre Matrix ab (übliches Kürzel: ECM) und betten sich zuweilen selbst in diesen faserigen „Verbundwerkstoff“ ein. In Deutschland wurde sogar eine Evolutionstheorie entwickelt, deren Argumentation ganz entscheidend auf den Eigenschaften der tiertypischen ECM fußt: sie wird als eine Art Konstante im Evolutionsgeschehen betrachtet; alle evolutionären Abwandlungen sind an dieses unverzichtbare Bauelement gekoppelt. Auch die Wahrnehmung unserer Umwelt wird auf Grundlage dieser „Matrixtheorie“ (ihre Entwickler sprachen präziser von Gallertoid-Hydroskelett-Theorie) erklärt, wobei es zu unüberbrückbaren Differenzen mit der – viel populäreren – „Evolutionären Erkenntnistheorie“ kommt (vgl. Edlinger et al. 1989).

      29 Die Geburtskanalsymbolik ist evident. Vorangegangene und spätere Bilder des Filmes replizieren die Ästhetik H. R. Gigers, in dessen Werk nicht selten die künstlerische Dauer-Verarbeitung eines Geburtstraumas vermutet wird. Beginnend mit der Kokon-Szene jedenfalls ist die psychoanalytische Bedeutungsebene des Filmes installiert, welche bis zum Ende der Trilogie (Neos Gang in die Maschinenstadt) durchgehalten wird.

       Auf der Nebukadnezar

      Beim Fluggerät, von dem aus Neo vorm Ertrinken gerettet und in Sicherheit gebracht werden konnte, handelt es sich um ein Hovercraft, welches auf dem Namen Nebukadnezar30 getauft wurde (die für uns ungewohnte englische Originalschreibweise Nebuchadnezzar sei im Folgenden vermieden). Baugleiche Hovercrafts der Rebellen bewegen sich durch alte Abwasserkanäle und andere Schachtsysteme, die tief ins Erdinnere führen, sie können aber auch nahe an die riesigen Energietürme, in deren Kokonreihen Neo soeben erwachte, herankommen (zu einer möglichen Erklärung hierfür siehe das Deep Image-Kapitel). Bei der Kamerafahrt über das Deck sieht man die Seriennummer Mark III No.11 (ein Hinweis auf das Markusevangelium Buch 3 Vers 11 – von den Hovercrafts Osiris, Logos und Hammer sind entsprechende Verweise auf Markus 6,16, 14,14 und 14,62 bekannt, vgl. Lawrence 2004 S.210) sowie die Herstellerangabe »Made in the USA Year 2069«. Wie Morpheus, der Kapitän des Schiffes, vorher bereits Neo eingestehen musste, weiß keiner der Menschen, in welchem Jahr sie eigentlich leben: Das Herstellungsemblem der Nebukadnezar kann also nur auf eine grob eingrenzbare Mindestdauer verweisen, die seit dem Exodus von der Erdoberfläche vergangen sind. Morpheus selbst hält im Gespräch »2199« für möglich, aber diese Jahreszahl ist geraten31 und würde aus seinem Schiff einen ausgesprochenen Oldtimer machen.

      Morpheus’ Crew besteht aus sieben weiteren Besatzungsmitgliedern: neben Trinity, Switch, Apoc und Cypher, die Neo bereits im Rahmen seiner Abkoppelung aus der Matrix kennenlernte, befinden sich an Bord noch der Operator Tank und dessen großer Bruder Dozer, sowie der Programmierer Mouse. »Trinity« und »Apoc« sind Namen, die ebenso wie Nebukadnezar einen biblischen Bezug haben (sofern man Apoc als Kurzform von Apocalypse lesen mag, wie es z.B. Lawrence 2004 S.199 vorschlägt). Alle anderen verweisen eher auf Computertechnik; sie repräsentieren damit Teilaspekte von Neos Persönlichkeit, seinem wahren „Hacker-Ich“ (worauf Hammann 2007 S.249 hinweist). »Tank« und »Dozer« stehen in Informatikerkreisen für die großen, langsamen Rechner der 1960er Jahre (Lawrence 2004, S.201). »Cypher« birgt mehrere Bedeutungen (siehe im Kapitel zu Cyphers Verrat); im Programmiererjargon steht es für die „Null“ – somit das Gegenstück zur „One“ bildend, wie sie Neo als The One zuzuordnen ist (Lawrence 2004). »Mouse« dürfte die gleichnamige Bedieneinheit repräsentieren, und »Switch« wird von Lawrence (ebd. S.205) sowie Yeffeth (2003, S.254) als Wechsel zwischen Nullen und Einsen beziehungsweise Sukzession der Elemente des binären Codes gedeutet. Bei der good girl/bad girl-Nummer, die Switch zusammen mit Trinity gegenüber Neo abzog, übernahm Switch bekanntlich den Part des „bösen Mädchens“: in ihrem Namen steckt ja auch eine witch, also eine Hexe. Trinity hingegen würde in der christlichen Trinitätsvorstellung von Vater, Sohn und Heiligem Geist für letzteren stehen, sofern man „Vater“ Morpheus und „Sohn“ Neo zuordnet. Dass Morpheus nicht nur Kapitän des Schiffes ist, sondern von den meisten Besatzungsmitgliedern als Vaterfigur empfunden wird, spricht Tank im späteren Handlungsverlauf stellvertretend für die anderen aus. Neo, der nun als achtes Besatzungsmitglied mit an Bord ist (oder als neuntes, wenn man den Kapitän Morpheus mitzählt), stellt unter diesen „Kindern“ natürlich ein besonderes dar. Sein Matrizianername verweist ebenfalls auf diesen

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