Frauenmorde. Remo Kroll

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seinen strafbaren Handlungen vorhanden. Man kam zum Ergebnis: »Die Art und Weise der Durchführung seines Vorhabens entspricht so recht seinem abnormen Charakter, ist von sadistischen, brutalen, kaltblütigen, unglaublich egoistischen, antisozialen, demonstrativ-hysterischen Elementen getragen.«

      Bei den von Switalla in seinen Vernehmungen erwähnten eigenartigen oder sonderbaren Zuständen bei der Tatausführung handelte es sich nach Meinung der Gutachter um automatische Handlungen, die in klarer Ausbildung bei demonstrativ-hysterischen Psycho­pathen in nicht allzu häufiger Form auftreten. Eine psychologische Erklärung für die sektionsartige Schnittführung könne im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als Sektionsgehilfe stehen – einem sogenannten Blutrausch, der jedoch keinen Einfluss auf die Frage seiner Zurechnungsfähigkeit habe.

      Zusammenfassend kamen die Gutachter zu folgendem Schluss: »Wir konnten aber trotz des Charakters der Delikte, aber sehr wohl aufgrund ihrer Planung und Motivierung, den besonderen Tatumständen, aufgrund der Durchführung und Absicherung, noch dazu bei der Berücksichtigung des Zeitfaktors, und des Rechtsverständnisses, wie bei der vorhandenen allseitigen Orien­tierung und Erinnerungsfähigkeit des Täters, keinen Krankheitswert zur Zeit der Tat feststellen, wie ein solcher auch früher nicht vorlag.«

      Eine verminderte Zurechnungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat nach Paragraph 16 Absatz 1 StGB der DDR wurde ausgeschlossen. Hilmar Switalla war somit für seine Taten voll verantwortlich und stellte nach Auffassung der Gutachter eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

      Am 8. August 1969 wurde durch den Generalstaats­anwalt von Groß-Berlin die Anklageschrift an das Stadtgericht übersandt. Die Staatsanwaltschaft klagte Hilmar Switalla an, in Berlin am 14. Februar 1969

      – um circa 0.30 Uhr die 46 Jahre alte Frau Inge Schubert in ihrer Wohnung,

      – um circa 1.30 Uhr die 38 Jahre alte Frau Ursula Kaschube in ihrer Wohnung,

      – um circa 14 Uhr seine 28 Jahre alte Ehefrau Rosemarie Switalla, die vom Beschuldigten getrennt lebte, in ihrer Wohnung

      durch Würgen in Bewusstlosigkeit versetzt und mittels Messerstiche in das Herz und schwersten Schnittverletzungen am Körper vorsätzlich getötet zu haben.

      Der Rechtsanwalt von Hilmar Switalla beantragte am 21. November 1969 zur Beurteilung der Frage, ob bei seinem Mandanten die Voraussetzungen der Paragraphen 15 und 16 des StGB der DDR vorlagen, ein psychiatrisches Zweitgutachten einzuholen. Switalla war gemäß Anklagevorwurf voll geständig, und somit hing seine Verurteilung ganz wesentlich vom psychiatrischen Gutachten ab.

      Der Rechtsanwalt machte auf Mängel im vorliegenden Gutachten aufmerksam. Dies betraf die Auswahl der Sachverständigen, Einwände gegen die Arbeitsweise des Gutachters, Einwände gegen Tatsachen, die im Gutachten nicht bewertet wurden, und Einwände gegen tatsächliche Feststellungen oder Wertungen des Gutachtens.

      Die Staatsanwaltschaft stimmte dem Antrag der Verteidigung zu, worauf das Gericht die Einholung eines Zweitgutachtens anordnete. Dieses sollte unter kritischer Würdigung des Erstgutachtens und des vorliegenden Aktenmaterials die Frage beantworten, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung und der Ausführung jeder Einzelhandlung Switalla die Fähigkeit besaß, sich nach den elementaren Regeln des menschlichen Zusammenlebens zu richten und damit anderes Menschenleben nicht zu vernichten. Weiterhin sollte die Frage geklärt werden, ob eventuell diese Fähigkeit gemäß Paragraphen 15 Absatz 1 und 16 Absatz 1 StGB der DDR oder infolge eines Affekts nicht oder nur vermindert vorlag. Der Zweitgutachter sollte unter anderem darauf eingehen, ob die bei Switalla auftretenden Charakter-, Trieb- oder Verhaltensbesonderheiten, die bei ihm festgestellte Psychopathie im Zusammentreffen mit einer offensichtlich ausgeprägten sexuellen Hörigkeit zur getöteten Ehefrau und das Zerbrechen ihrer Ehe die Zurechnungsfähigkeit verminderte oder ausschloss und wie unter diesem Gesichtspunkt die vom Angeklagten behaupteten »eigenartigen Zustände«, Wahnvorstellungen, das Sezieren der Leichen und seine Reaktion nach seiner letzten Tat bewertet werden mussten.

      Beim Zweitgutachter handelte es sich um einen Psychiater, der im Verlaufe der mehrwöchigen stationären Aufenthalte von Hilmar Switalla in psychiatrischen Kliniken die Möglichkeit hatte, ihn ausführlich zu beobachten und zu explorieren. Kurz vor seiner letzten Krankenhausentlassung war Switalla dem Ärztekollektiv als »typischer Psychopath mit hervorstechenden Zügen explosiver Erregbarkeit« vorgestellt worden.

      In der Beurteilung von Hilmar Switalla setzte sich der Gutachter auch mit den Vorwürfen der Verteidigung auseinander und widerlegte sie. Das Erstgutachten stand in völliger Übereinstimmung mit den beiden stationären Untersuchungen, die auf der Grundlage gezielter Methoden forensisch-psychiatrischer Begut­achtung zum Schluss gelangt waren, dass bei Switalla eine Psychopathie ohne Krankheitswert vorlag. Es hatten sich weder während der stationären Krankenhausaufenthalte noch sonst in seiner Vorgeschichte fachlich begründete Hinweise auf das Vorliegen einer endo­genen Psychose oder einer Epilepsie gefunden.

      Der Zweitgutachter fasste den psychischen Zustand des Angeklagten wie folgt zusammen: »Die psychische Desintegration des Switalla als Dauerzustand betrifft somit die Sexualität wie die gesamte Affektivität mit hervorstechender Tendenz zu explosiven, gewalttätigen Äußerungen, sie betrifft auch die Emotionalität mit ernsten Mängeln, die eine zeitweilige Zuneigung zu Tieren nicht ausschließen, sie betrifft die Stellung zur menschlichen Gesellschaft, so dass er aus seiner Außenseiterrolle nie herausgelangte und niemals ­echte Freundschaften schloss, sie betrifft auch die Willens­züge, so dass er trotz außergewöhnlicher Vitalität und gutem Intellekt niemals zum Abschluss einer Lehre oder sonstigen Qualifizierung gelangte. Sie betrifft schließlich auch die Stimmungslage, so dass er häufig zwischen aggressiven und weinerlichen Affektausbrüchen schwankte. Von einer Depression im klinischen Sinn kann angesichts einer solchen Labilität nicht gesprochen werden. Die wiederholten Suizidversuche boten einen demonstrativen Charakter. Es wäre auch zu erwähnen, dass durch die mehr als zwanzig Jahre währende Schlägereileidenschaft eine zunehmende Brutalität in Erscheinung trat.«

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