AVOGADRO CORP.. William Hertling

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AVOGADRO CORP. - William Hertling Singularity

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Auf Wiedersehen.« Gary scheuchte ihn mit einer Handbewegung aus seinem Büro wie eine streunende Katze.

      Mike verließ Garys Büro, stürmte an seiner verblüfften Sekretärin vorbei und widerstand dem Drang, die Türen hinter sich zuzuschlagen, bevor er sich auf den Weg zurück ins F&E Gebäude machte.

      Er stapfte fünf Stockwerke nach unten, noch voll unverbrauchtem Zorn, überquerte eine Straße, lief den Block hinunter und wieder hoch, um schließlich, durch ein Labyrinth von Korridoren, sein eigenes Gebäude zu erreichen.

      Er beruhigte sich langsam, während er lief, was einer der Vorteile des weitläufigen Campus war. Avogadro Corp. war so stark expandiert, dass es sich nun über sieben Blocks im nordwestlichen Teil Portlands erstreckte, auf dem ehemaligen Gelände einer alten Spedition. Ein Dutzend Gebäude, die meisten neu, ein paar alt und ständig im Ausbau befindlich.

      Da das Unternehmen und seine Profite in den letzten fünfzehn Jahren stetig gewachsen waren, baute man ein neues Gebäude nach dem anderen. So schnell, dass sogar die Mitarbeiter den Überblick verloren, wer oder was gerade wo war. Selbst Mike hatte in den wenigen Jahren, die er für die Firma beschäftigt war, den Bau von drei neuen Gebäuden erlebt. Es war ein ständiger Quell der Neugierde unter den Angestellten zu erkunden, was die verschiedenen Gebäude beherbergten. Während die meisten der Bürokomplexe eigentlich ganz normal waren, gab es auch ein paar skurrile Entdeckungen zu machen, wie etwa das Observatorium auf dem Dach eines der Gebäude, das sich nur für bestimmte, offenbar zufällig ausgewählte Mitarbeiterausweise öffnete. Da gab es angeblich ein Billardzimmer, das zwischen Gebäuden und Etagen wechselte. Mike hatte es sogar selbst gesehen. Ob dieses Zauberkunststück aber durch einen Raum bewerkstelligt wurde, der sich tatsächlich bewegte, ob die Haustechniker nur das Mobiliar bewegten oder ob der Raum womöglich dupliziert wurde, wusste niemand zu sagen. Natürlich konnten auch die Programmierer von Avogadro Rätseln nicht widerstehen und hatten so ziemlich alles gemacht: Vom Verstecken von Wi-Fi-Einwahlknoten, bis hin zu Mobiliar, das mit RFID-Chips versehen war. Die lieferten beim Auslesen seltsame Resultate, die jeden nur noch mehr verblüfften.

      Es gab das nicht ganz ernst gemeinte Gerücht unter den Mitarbeitern, dass jemand aus der Geschäftsleitung unter dem Winchester House Syndrom litt. Mike hatte das Winchester House in San Jose einmal besucht, als er noch aufs College ging. Im Auftrag von Sarah Winchester, der Witwe des Waffenmagnaten William Winchester, war es von 1884 bis 1922 ständig um- und ausgebaut worden, da sie glaubte, sterben zu müssen, wenn die Bauarbeiten je abgeschlossen würden. Der Gedanke, dass einer der Bosse von Avogadro unter demselben Aberglauben litt und daher ähnliches mit dem Avogadro Campus machte, zauberte immer ein Lächeln auf sein Gesicht. Im Ganzen betrachtet aber waren, so dachte er, die seltsamen Aspekte auf dem Gelände eher gewollt. Es war ein Spiel, um die Entwickler bei Laune zu halten. Es brauchte schon etwas mehr, um hochintelligente aber leicht gelangweilte Nerds zu motivieren.

      Als er den Gebäudeübergang im 2. Stock benutzte, um zurück zu F&E zu kommen, verschwand sein Lächeln, während er überlegte, wie er es David erklären sollte. Er würde nicht glücklich über Garys Ultimatum sein.

      Ihr Referenzalgorithmus, der so simpel erschien, wenn ihn David einem Laien erklärte, basierte auf dem Herunterbrechen enormer Datenmengen. Der Text jeder einzelnen E-Mail musste analysiert und mit Millionen anderer E-Mails verglichen werden. Anders als bei den Algorithmen zur Empfehlung von Spielfilmen, die an Hand von etwa hundert Charakteristiken analysiert und bewertet werden konnten, war die Analyse der Mails um ein Vielfaches komplexer. Es benötigte einhundert mal mehr Rechenzeit, Speichervolumen und, was das Wichtigste war, Zugriff auf die Datenbanken. Nach dem Treffen konnte kein Zweifel bestehen, dass Gary längst an der Grenze dessen war, was er ihrem Team zugestehen wollte. Unglücklicherweise hatte Mike Gary belogen. Mike zuckte mit den Achseln, war mit sich selbst nicht im Reinen. Wann waren Lügen Teil seiner Arbeit geworden? Ihm gefiel das nicht. Die Wahrheit war, dass er, David und weitere Teammitglieder seit Monaten daran arbeiteten, die Performance von ELOPe zu verbessern. Leider war das jetzige, serververschlingende Ungetüm das Beste, was sie erreichen konnten. Ganz egal, was sie auch anstellten, es würde keine nennenswerten Verbesserungen mehr geben. Daher war es schlichtweg unmöglich, Garys Ultimatum einzuhalten.

      Nein, David würde nicht glücklich sein. Mike seufzte. David würde stinksauer werden.

      Ein arbeitsreicher Vormittag ließ Mike von einem Termin zum nächsten hetzen, obwohl er dringend mit David sprechen wollte. Erst Stunden später konnte Mike sich freimachen. Er rannte praktisch in Davids Büro, bevor neue Probleme sie unterbrechen konnten.

      »Hast du eine Minute?«, fragte er vorsichtig.

      »Aber klar.«

      Genau wie Mikes Arbeitsplatz hatte auch Davids Büro Raum für drei bis vier Besucher, so lange alle nett zueinander waren und ein Deo verwendeten. Ein Whiteboard bedeckte die Wand hinter Mike und das nach Norden weisende Fenster bot einen Ausblick auf den dicht bewaldeten Forest Park. Mike war sich zwar sicher, dass die gerade einmal sechs Monate alte Büroaufteilung weniger effektiv für die Zusammenarbeit war als die vom letzten Jahr, wo alle aus dem Team gemeinsam einen großen Raum genutzt hatten, aber ihm gefiel die Veränderung. Außerdem würde es nächstes Jahr vermutlich wieder anders sein.

      Mike fasste das Treffen mit Gary Mitchell zusammen und sah, wie David schon während seiner Erzählung in Rage geriet. »Dann warf er mich aus seinem Büro, bevor ich auch nur die Gelegenheit hatte noch etwas zu sagen«, sagte er abschließend. »Aber was hätte ich denn sagen sollen? Du weißt, dass wir keine Performanceverbesserung erwarten können.«

      David saß an seinem Tisch, die Hände verschränkt und starrte auf seinen dunklen Bildschirm. Seit einer Minute hatte er sich weder bewegt noch etwas gesagt. Mike wusste, dass das ein schlechtes Zeichen war. Tux, der Pinguin, das Maskottchen von Linux, wackelte oberhalb von Davids Monitor im Luftzug der Klimaanlage. Mike erinnerte sich, dass Christine den Pinguin nach einem ihrer ersten Dates für David gekauft hatte.

      »Zwei Wochen also. Was gedenkst du zu tun?«, fragte ihn Mike nach einer Minute schmerzlicher Stille.

      »Wir reduzieren die Anzahl der Leute, die am Programm und an der Verbesserung des Algorithmus arbeiten«, sagte David schließlich, nachdem er zu einem Entschluss gekommen war. »Wie viele Leute kannst du Vollzeit auf die Optimierung ansetzen?«

      »Ich werde mich selbst rund um die Uhr einbringen«, sagte Mike und begann mit seinen Fingern zu zählen. »Mit Sicherheit Melanie«, fügte er hinzu, womit er eine ihrer besten Softwareentwicklerinnen erwähnte. »Zwei oder drei andere, denke ich. Wahrscheinlich fünf, alles in allem. Aber David«, er machte eine Pause, um ihm direkt in die Augen zu sehen, »wir werden keine Fortschritte machen.«

      »Also gut, fangen wir mit fünf Leuten an, die sich voll auf diese Sache konzentrieren«, sagte David, Mikes Protest ignorierend. »Wenn wir am Donnerstag unsere nächste Vorabversion getestet haben, sehen wir weiter.«

      Mike seufzte und verließ das Büro.

      Kapitel 2

      »Wie läuft es?«, fragte David, als er ein paar Tage später in Mikes Büro kam. Er setzte sich auf die Fensterbank.

      »Hervorragend«, sagte Mike und sah von seinem Bildschirm auf. »Jeder im Team hat seinen Teil der Arbeit für den Testlauf beendet, der Programmcode ist gecheckt und die Einbindungstests laufen. In ein paar Minuten sollten wir wissen, ob alles stabil läuft.«

      »Nein, nein, an der Effizienzfront meine ich«, sagte David frustriert. Er zerknüllte ein Post-it und warf es in Mikes Papierkorb. »Wenn wir unsere Performance nicht verbessern, haben wir größere Probleme als die anstehende Programmprüfung.«

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