Revolution und Heimarbeit. Frank Witzel

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Revolution und Heimarbeit - Frank Witzel

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Aufhalten können wir das ganze ohnehin nicht mehr. Aber Tannys Mutter soll wenigstens noch ein paar schöne Jahre haben.

      Ben behauptet, Trickett sei selbst noch in einem Verein gewesen, wo sie einem bei der Aufnahme ein Stück vom Finger abgeschnitten haben. Nicht weil sie damit irgendeinen Hokuspokus anstellen wollten oder glaubten, daß sie auf ewig die Macht über dich haben wie in den Horrorstreifen, sondern aus einem ganz einfachen, aber sehr praktischen Grund. Wenn du nämlich aussteigen wolltest, oder wenn du dich sonst irgendwie daneben benommen hast, dann bekamen die Bullen einfach deinen Finger zugeschickt. Die hatten dann einen astreinen Fingerabdruck und konnten dir alles mögliche anhängen. Die konnten dir sogar Sachen anhängen, mit denen du gar nichts zu tun hattest. Sie haben deinen Finger genommen, und wenn sie irgendwo nicht weiter kamen, dann haben sie mit deinem Finger einfach ein paar Abdrücke am Tatort hinterlassen. Und mittlerweile geht es ja schon lang nicht mehr nur um Fingerabdrücke. Mit der DNA, die man aus so einem Finger ziehen kann, können sie dir sämtliche ungeklärte Morde aus dem Umkreis von Washington unterschieben. Ben hat sich das auch so ähnlich vorgestellt und irgendwann mal Trickett davon erzählt. Aber der hat sich angeblich halb tot gelacht darüber.

      Ein bißchen muß man sich dann doch auskennen. Diese hirnlosen Kleinkriminellen mit ihren Einmachgläsern, was die aus den Zeitungen so aufschnappen. DNA. Zufällig weiß ich haargenau, daß die ihre Finger in Formalin einmachen. Da geht die DNA sofort kaputt. Alkohol müssen sie nehmen. Aber davon haben die doch keine Ahnung. Und so sehen dann auch die Geschäfte aus, die sie betreiben.

      Trickett hat sich einen eigenen Namen gemacht, indem er weitgehend aus dem Drogen- und Waffengeschäft ausgestiegen ist. Er hat sich auf speziellere Sachen verlegt. Soviel ich weiß, illegale Pferderennen, Beschaffung von Tieren, die am Aussterben sind, und sowas in der Art. Als sie vor ein paar Wochen unser Wappentier von der Liste der bedrohten Tiere genommen haben, da war das ein ganz schöner Einbruch für Trickett. Plötzlich tauchen über Nacht an allen Ecken und Enden Seeadler auf und bringen die Preise zum Purzeln. Aber Trickett hat so viel am Laufen, daß das schon nicht sein Ruin sein wird. Ansonsten muß er eben eine von seinen Karossen verkaufen. Und an mir verdient er ja auch ne Kleinigkeit. Außerdem hat er noch das, was er Ben gegenüber mal seinen Reliquien- und Devotionalienhandel genannt hat. Meistens geht es dabei um Knochen oder sogar Schädel von Toten. Amelia Earhart zum Beispiel, die in den dreißiger Jahren während ihrer Weltumrundung irgendwo im Bermudadreieck abgestürzt und verschollen ist. Für fast eine Million hat er zwölf Knochen, einen Schädel, einen Damenschuh und einen Sextanten, alles zusammen in einem Earhart-Set verkauft. Keine Ahnung, wo er den ganzen Kram aufgetrieben hat. Aber das ist seine Sache. Für sowas hat Trickett ein Händchen.

      Über das Bermudadreieck habe ich übrigens neulich was im Fernsehen gesehen. Das ist eine riesige Gasblase im Meer. 125 Meter hoch. Ein Riesending, voll mit Methangas. Wenn man das anzapfen könnte, hätte man ausgesorgt. Ich frage mich, warum das nicht gehen soll. Aber wahrscheinlich braucht man da alle möglichen teuren Geräte. Und die Regierung hängt natürlich auch mit drin. Auf alle Fälle ist dieses Gas dafür verantwortlich, daß die ganzen Schiffe und Flugzeuge verschwinden. Das Meerwasser wird einfach zu dünn und kann die Schiffe nicht mehr tragen. Und die Gaswolken bringen die Flugzeuge zum Verbrennen. Wundert mich, daß von Amelia überhaupt noch was übrig geblieben ist.

      ⇓

      Wolle man mit diesem Dokument den Bericht oder die Sendung eröffnen, seinetwegen auch das Feature, so sei es kein Problem, sich entsprechende Bilder zu besorgen. Man müsse gar nicht noch einmal nach Arlington zurückfahren, denn im Grunde sehe Arlington aus wie tausend andere amerikanische Orte auch. Tausendfach liege entsprechendes Bildmaterial in den Archiven, so daß man einfach nur in die Archive hinabsteigen und dieses Material entsprechend zusammensuchen und anschließend zusammenschneiden müsse. Für Fernsehmitarbeiter sei dieses Zusammenschneiden von Material Alltag, und für ihn selbst liege in diesem zusammengeschnittenen Material eine gewisse Befreiung, weil er mit diesem zusammengeschnittenen Material auf seine bescheidene Art das Abgleichen der Bilder verhindere. Natürlich könne man das den Fernsehleuten nicht mit diesen Worten schildern, denn das gehe über deren Horizont, doch wenn man die Sache einigermaßen geschickt verpacke, dann kämen sie schon von selbst auf die Idee und würden in die Archive hinabsteigen, weil sie ohnehin keiner anderen Verrichtung als dem ewigen Zusammenschneiden von Material nachgingen, oder eben dem Nachstellen von Material, wogegen er auch nicht das Geringste einzuwenden habe.

      Man solle ruhig zwei Schauspieler nehmen und diese beiden Schauspieler vor einer unverputzten Studiowand auf zwei Sessel plazieren und ihnen auf einem Beistelltisch ein paar Biere und ein Aufnahmegerät hinstellen. Snake könne man von diesem einen jüngeren Typen spielen lassen, dem die Vorderzähne fehlten, der aber dennoch ständig in allen Filmen mitmache. Mit der gut sichtbaren Tätowierung einer Schlange auf dem Arm würde man ihn sofort als Snake erkennen, obwohl Snakes Tätowierung nicht sichtbar gewesen sei, was aber nichts mache, da man im Fernsehen ohnehin alles etwas anders darstellen müsse, um einen realistischen Eindruck zu erzielen. Ihn hingegen könne dieser etwas pockennarbige Schauspieler verkörpern, der auch schon in Amerika Filme gedreht habe und überhaupt recht erfolgreich sei. Vom Alter her käme das einigermaßen hin, auch wenn er keinerlei Ähnlichkeit mit diesem Schauspieler habe, der durchaus eindrucksvoll und bestimmend wirke, was für eine Fernsehadaption nur von Vorteil sein könne.

      Um das alles abzudrehen, müsse man nicht extra in die USA fahren, obwohl sich natürlich immer ein Ressortleiter oder Produzent finde, der darauf bestehe, extra in die USA zu fahren, natürlich nur, weil er auf diese Weise noch einmal bequem in die USA kommen würde, und nicht aus Gründen der Authentizität und Stofftreue, von der er hiermit jedermann entbinde. Wenn man dann schon einmal in den USA sei, erschiene einem Arlington einfach zu unbedeutend, denn in Arlington könne man am Ende eines anstrengenden Drehtags nichts unternehmen, weshalb man sich eine Stadt aussuchen würde, die etwas mehr hermache, und zu dieser Stadt würde man dann fahren und dort die entsprechenden Szenen abdrehen.

      Man könne auf diese Weise eine ganze Menge aus den Aussagen herausholen, wenn man wolle. Man könne das ganze dokumentarisch aufziehen oder eben gleich zu einem Roadmovie umarbeiten oder zu dem, was eben gerade in Mode sei. Und wenn es Bolivien sein müsse, dann eben Bolivien. Passenderweise könne er in einem der noch folgenden Dokumente sogar mit einem Stück Südamerika dienen, zwar nicht Bolivien, sondern Paraguay, das aber gleich um die Ecke von Bolivien liege, und wenn man schon Arlington durch eine interessantere Stadt ersetzt habe, warum dann nicht ein südamerikanisches Land gegen ein anderes austauschen?

      In seinem Dokument gehe es um ein riesiges Stück Land mit Namen Gran Chaco, und dieses Stück Land, das so groß sei wie in Europa ganze Staaten, sei Grund einer Auseinandersetzung zwischen Paraguay, Argentinien und Bolivien gewesen, wobei er sich nicht mehr genau erinnern könne, auf wessen Seite Bolivien gestanden oder welche Rolle Bolivien gespielt habe, aber wenn man schon einmal da unten sei, dann könne man das auch gleich mitrecherchieren, obwohl es letztlich egal sei, denn Südamerika sei nun einmal Südamerika, ob man nun in Paraguay einen Kameraschwenk vom blauen Himmel zu den ausgemergelten Gesichtern mache oder in Bolivien. Selbst Mittelamerika sei für die meisten Südamerika, und man brauche nur die entsprechenden Bilder von Indianern herauszusuchen und den staubigen Straßen und schon habe man das Feature fertig.

      Und wenn man das Feature fertig habe, dann könne man auch gleich noch ein paar Worte zur Revolution verlieren und sich und den Lesern, Hörern und Sehern ein gutes Gefühl verschaffen, weil man mit Hilfe eines historischen Bildabgleichs wieder einmal daran erinnert habe, was alles schief gegangen sei, seinerzeit, und warum es immer noch weiter schiefgehe. Allein diese oberflächlich angeritzte Ursachenforschung mit dem entsprechend vollmundig formulierten Resümee verschaffe allen Beteiligten ein befreiendes Hochgefühl, weil man plötzlich ganz anders aus dem Fenster auf die Straße schaue und plötzlich auch wieder mit sich selbst in Kontakt komme, mit dem Proletarier, der damals den Aufstand geprobt habe und der es immer noch bedauere, daß es bei der Probe habe bleiben müssen, obwohl er schon in Kostüm dagestanden habe, in Mantel und Degen, aber dann sei in letzter Sekunde etwas dazwischen gekommen, man wisse

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