Revolution und Heimarbeit. Frank Witzel

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Revolution und Heimarbeit - Frank Witzel

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      Was heißt fast?

      Na, wie soll ich es sagen, die Zulieferfirmen, mit denen Jowett damals zusammengearbeitet hat, waren etwas unzuverlässig.

      Ja und?

      Das Design ist vollkommen erhalten, aber ich mußte es praktisch, na sagen wir mal, unterfüttern lassen. Nicht gerade wenig Arbeit bei einem stinknormalen Aluminium-Vierzylinder-Motor und einer Sechssitzer-Einheitskarosserie. Was schätzt du, von wann er ist?

      Fünfziger?

      1947. Jowett hat das Auto noch im Krieg konstruieren lassen. Als Nachkriegsauto. Auch Gerald Palmer natürlich.

      Natürlich. Alles klar. Ich verstand kein Wort von dem, was er mir da erzählte, obwohl Ben mal irgendwas in der Art erwähnt hatte, von wegen Trickett sammle nicht bestimmte Marken, sondern Designer. Und unter den Designern schien dieser Gerald Palmer für Trickett so irgendwas wie ein Halbgott zu sein. Er verbrachte auf alle Fälle die halbe Autofahrt nach McLean damit, mich mit Details vollzustopfen. An zweiter Stelle rangierte ein gewisser William Lyons, der für Jaguar gearbeitet hatte. Mir schwirrten die Namen im Kopf herum, und ich bekam langsam so meine Zweifel, ob Trickett noch alle Tassen im Schrank hatte, oder ob er es am Ende darauf anlegte, mir den Kopf dermaßen leer zu reden, daß ich im entscheidenden Moment auf alles knallen würde, was sich in meiner Reichweite bewegt.

      Ich kann mit Autos nun einmal nichts anfangen. Und mit britischen Wagen kenne ich mich schon gar nicht aus. Das Steuer auf der anderen Seite, daran erkenne ich sie. Das ist aber auch schon alles. Ben hingegen hat sich so an Trickett rangemacht. Als der ihm nämlich mit stolzgeschwellter Brust seine Sammlung von Wagen vorführte, einen Deroy aus der Zeit, als Palmer noch bei Scammell arbeitete, und dann die aus der Morris Produktion, mehrere MGs, zwei Rileys, drei Wolseleys und so weiter, da spielte Ben nicht nur den tief Beeindruckten, sondern schenkte es sich auch nicht, am Ende der Führung schnurstracks auf einen uralten Mercedes zuzugehen, stehen zu bleiben und zu sagen: Aber der kann doch unmöglich von Palmer sein.

      Ich würde immer denken, daß man es mir sofort ansieht, wenn ich so einen Mist rede. Aber Trickett fiel prompt drauf rein. Er lachte und klopfte Ben generös auf die Schulter. Nein, natürlich nicht, dieser Wagen hat 1924 den Targa Florio gewonnen. Damals war Palmer gerade mal 13.

      Ben verzog keine Miene und setzte noch einen drauf. Trotzdem ein sehr schönes Auto. Kunstpause. Ganz wie auf der Bühne. Und dann: Wenn es auch nicht ganz in die Sammlung paßt.

      Damit hatte er Trickett am Haken. Und Trickett merkte noch nicht mal, wie sich die Spitze durch seinen vorgereckten Hals bohrte, sondern zappelte fröhlich daran herum, überglücklich, endlich jemanden gefunden zu haben, der in der Lage war, den Clou seiner Sammlung zu begreifen.

      Mein lieber Ben, hob er feierlich an, du kannst schon davon ausgehen, daß bei mir alles zusammenpaßt. Den Wagen, den du da siehst, den hat Palmer nämlich höchstpersönlich restauriert.

      Tusch und Applaus.

      Mit sowas kann ich natürlich nicht aufwarten, obwohl mir Ben, der von seinem Erfolg richtig angespornt wurde und sich immer weiter in die Materie reingearbeitet hat, einige Tips hat zukommen lassen, die es mir vielleicht etwas einfacher machen würden. Aber das ist nicht meine Art. Ich kann nicht, so wie er, ganz nebenbei was vom Oxford Hoist oder dem Oxford Vaporizer fallen lassen, auch wenn das noch so effektvoll wäre. Irgendwie sind das zwei Sachen von diesem Palmer, die er im zweiten Weltkrieg gebaut hat. Mit dem ersten Ding kann man, glaube ich, Leute ohne Beine hochhieven und mit dem zweiten die dann gleich betäuben, falls man ihnen noch auf dem Schlachtfeld etwas rausschneiden muß. Alles durchaus interessant, aber erstens kann ich mir Namen schlecht merken und dann kommt das einfach komisch rüber bei mir. So blöd ist selbst Trickett nicht. Der würde sofort denken, daß ich ihn auf den Arm nehmen will.

      Wenn ich mit ihm über Waffen reden könnte … Aber Waffen, das hab ich auch von Ben, interessieren wiederum Trickett nicht. Was ich, ehrlich gesagt, ein bißchen seltsam finde. Über meine Browning 9 mm oder den Heckler-und-Koch-Karabiner, den übrigens auch die englische Polizei benutzt, könnte ich schon einiges sagen. Und das wäre doch ein Verbindungspunkt. Schließlich soll Tricketts Alter bei denen da drüben sogar gelernt haben. Und wahrscheinlich kommt mein Karabiner sogar genau aus dieser Quelle. Aber wenn Trickett damit nichts am Hut hat, dann halte ich lieber meinen Mund, schaue nach draußen und lasse ihn reden.

      Es war schon erstaunlich, wie die Leute uns nachgafften. Trickett schien sich ziemlich sicher zu sein, daß niemand ihn mit mir, und vor allem mit dem Ding, was noch anstand, in Verbindung bringen würde. Oder er hatte mehr Vertrauen in mich als ich selbst und dachte, daß ich meinen Auftrag erledigen würde, ohne auch nur eine Spur zu hinterlassen.

      Gibt es Radio? fragte ich.

      Trickett lächelte und drückte auf einen neben dem Handschuhfach versenkten Knopf. Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, irgendein Lied von Bowie zu hören. Das wäre zwar ein enormer Zufall, aber manchmal gibt es so Zufälle ja. Stattdessen kamen nur Nachrichten und Schnulzen. Für einen Moment sah ich das als schlechtes Zeichen an, obwohl es schon ein enormer Zufall gewesen wäre, genau in dem Moment und genau auf dem eingestellten Sender irgendwas von Bowie zu hören. Nachdem ich mir das so ausgerechnet hatte, wurde ich auch gleich wieder ruhig. Das mit dem schlechten Zeichen, mit dem Schicksal und diesem ganzen Kram, ist sowieso nicht meine Sache. Tanny steht auf so etwas. Da heißt es ständig, was das wohl bedeuten mag und jenes. Und daher hatte ich das wohl auch in diesem Moment.

      Trickett trug Lederhandschuhe und eine dunkle Sonnenbrille, sonst war er eher normal gekleidet. Jackett, sogar Turnschuhe. Ben schätzt ihn auf Anfang fünfzig, aber Ben ist, was das angeht, ein richtiges Kind. Trickett war noch nicht mal vierzig, würde ich sagen. Tannys Mutter war ja noch nicht einmal fünfzig. Und doch hatte es sie schon erwischt. Und gerade weil sie eben noch vergleichsweise jung ist, kamen die Ärzte auch nicht sofort auf den Grund für ihre Beschwerden. Außerdem hat sie nicht nur Alzheimer, sondern zusätzlich noch etwas anderes, das selbst die Ärzte erst seit ein paar Jahren kennen und das Dementia irgendwas heißt. Außerdem erklär mal einem Arzt, was mit dir los ist, wenn du kaum ein Wort von seiner Sprache verstehst und er garantiert kein einziges Wort von deiner Sprache. Jetzt ist es außerdem so, daß man bei dieser irgendwas Dementia ohnehin alle möglichen Wörter vergißt. Für mich war es ganz normal, daß Tannys Mutter viele Worte nicht kannte. Nur Tanny fiel es schließlich auf, als sie sich mit ihr auf Khmer unterhielt, obwohl umgekehrt Tanny da ganz schöne Lücken hat, weshalb es auch eine Zeitlang brauchte, bis ihr dämmerte, daß da etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Also hat Tanny ihre Mutter zum Arzt geschleppt, und der hat sie gleich ins Krankenhaus geschickt, wo sie ihr das Hirn durchleuchtet haben. Bei dem Ergebnis waren dann selbst die Ärzte ziemlich überrascht und auch entsprechend konfus. Beide Krankheiten zusammen, sowas hatten sie noch nie gesehen. Und dann mit noch nicht einmal fünfzig.

      Tanny hat drei Tage lang nur geheult. Sie kam einfach nicht darüber hinweg, daß ihre Mutter mit Not den Schweinen da unten entkommt, um dann hier krank zu werden. Ich wußte darauf auch nichts zu sagen. Ich fand es auch eine Sauerei und wahnsinnig ungerecht. Aber auf der anderen Seite ist eben ganz schön viel ungerecht. Zum Beispiel die Leute, zu denen ich unterwegs bin. Die haben zwei kranke Kinder. Da hilft ihnen ihr Geld auch nichts. Und die sind wirklich steinreich und so berühmt, daß jeder sie kennt, wenn ich nur den Namen sagen würde, was ich natürlich nicht mache. Obwohl, manche kämen einfach nicht drauf, selbst wenn ich den Namen verraten würde, daß die tatsächlich was mit dem Schokoriegel zu tun haben, den jeden Tag Millionen in sich hineinstopfen, weil, ich wußte auch nicht, daß die Leute genau so heißen wie das, was sie herstellen. Aber egal. Die Kinder haben eine seltsame Krankheit und das eben ist Tricketts Plan. Da gibt es kein langes Gefackel, da geht es um wenige Stunden. Da können sich die Eltern nicht großartig was überlegen. Und wenn man schnell ist und die Forderungen auch nicht überzieht,

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