Revolution und Heimarbeit. Frank Witzel

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Revolution und Heimarbeit - Frank Witzel

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Keine Frage. Schließlich ist Gott höchstpersönlich am Apparat.

      Oh Gott! Oh Gott! Warten Sie noch einen winzigen Augenblick, bevor wir Sie durchstellen, ich muß mich erst hinknien. Und schon hätte er erfahren, daß Tanny in ihrem roten Kostümchen nicht flucht, wie er behauptet, sondern einfach nur ab und zu ein paar Worte auf Khmer sagt, das ist alles.

      Außerdem war diese Idee noch nicht einmal auf ihrem eigenen Mist gewachsen, wie man sich bei so einer Sendung ja wohl vorstellen kann. Da kannst du überhaupt nichts selbst bestimmen. Keine einzige Bewegung. Kein Wort. Noch nicht mal dein Deo darfst du selbst auswählen. Da fragt man sich, warum sie es überhaupt mit Menschen in Kostümen machen und nicht gleich mit Puppen. Wahrscheinlich weil Menschen am Ende doch noch ein Stück billiger kommen. Da brauchst du die ganzen komplizierten elektronischen Apparate nicht, die den Kopf zum Wackeln bringen. Obwohl das Gehalt schon in Ordnung war. Wir fingen an, uns ein paar Sachen außer der Reihe zu leisten, und Tanny holte ihre Mutter aus dem Drecksloch und kaufte ihr einen automatisch verstellbaren Fernsehsessel.

      Man hätte nur ein Wort zu Tanny sagen müssen, sofort hätte sie aufgehört, irgendwas auf Khmer zu sagen. Sie hätte sich irgendeine Phantasiesprache ausgedacht oder den Text gesprochen, den man ihr gegeben hätte. Aber nein. Keiner fragt nach. Unser Ogottogott mit seinem Rüschenhemd nicht, und die in der geschlossenen Anstalt auch nicht. Gehört bestimmt zur Firmenpolitik. Wie heißt es so schön: Don’t ask – don’t tell. Oder es steckt was ganz anderes dahinter. So ein Prediger, der ist auch nicht auf den Kopf gefallen. Auch wenn er jeden Abend so tut. Der geht mit seinen Schweißfingern einfach eine Liste der Firmen, Fernsehanstalten oder berühmten Köpfe durch, die zur Zeit gerade mal ein bißchen Erfolg haben und eine Menge Kohle machen. Dann pickt er sich einen heraus und behauptet irgendwas. Es ist immer am besten, erst einmal irgendwas zu behaupten. Wenn man was behauptet, entsteht sofort Unruhe, und wenn Unruhe entsteht, dann kann man leichter abkassieren. Man trifft sich in der Chefetage oder nach Feierabend in einem Luxusschuppen und geht das ganze noch einmal durch, von Mann zu Mann. Okay, heißt es dann, ihr feuert die Schauspielerin, und ich krieg noch mal fünfzigtausend auf die Hand. Dann kommt keine Silbe mehr über meine Lippen. Mein Mund bleibt versiegelt bis zum jüngsten Tag. Amen.

      So läuft das ungefähr. Und da sie dem Kirchenheini mit einer Riesensumme das Maul stopfen mußten, haben sie sich bei Tanny natürlich um eine Abfindung herumgedrückt. Nicht mal viertausend hat sie bekommen. Bei den Kosten für die Wohnung ihrer Mutter ist das weg wie nichts. Und wie sollst du dich irgendwo vorstellen, um einen neuen Job zu finden, wenn noch nicht mal dein Name im Abspann genannt wird? Ich bin die Darstellerin von Klinky Minky, die mit dem roten Fell, die immer so geflucht hat, obwohl das noch nicht mal Flüche waren, sondern nur Kochrezepte auf Khmer. Da winkt doch jeder ab.

      Jetzt hat sie ihre Setkarten wieder zu den Agenturen gebracht. Und vielleicht kommt demnächst mal wieder was rein. Aber bis dahin kann ich nicht einfach untätig zusehen. Jetzt muß eben ich die Sache in die Hand nehmen.

      Nicht daß ich direkt was dagegen habe, mit einer Ingram M 10 im Rucksack herumzulaufen. Das Ding heißt nicht umsonst spray and pray gun. Ein Submaschinengewehr, um genau zu sein. Wirklich ein wunderbares Ding. Klein und handlich. Und vor allen Dingen leistungsstark. Zwölfhundert Schuß die Minute. Also fast doppelt soviel wie eine Uzi. Ich packe das Ding in den Rucksack und stelle mich an den verabredeten Punkt am Old Dominion Drive in McLean. McLean liegt ein Stück nordwestlich von Washington, gleich am Anfang der Bundesstraße sieben. Nein, keine Angst, ich bin noch nicht völlig durchgedreht. Auf das CIA-Gebäude dort hab ich es nicht abgesehen. Erstens wüßte ich überhaupt nicht, was ich da sollte, und zweitens wäre das wieder so eine Verzweiflungstat, mit der man es gerade mal in die Acht-Uhr-Nachrichten schafft. Natürlich nur als durchlöcherte Leiche. Und das ist mir nun wirklich zu blöd. Man muß einen Job als Job sehen. Da geht es ums Geld. Und um sonst nichts.

      Tanny hängt an ihrer Mutter. Und ich hänge an Tanny. So ist das nun einmal. Snake hängt an Tanny. Ein kleines zappelndes Männchen. Natürlich nicht allein, sondern zusammen mit einem Dutzend anderer Idioten aus dem Studio und der Schauspielschule und der Kleinkunstbühne. Obwohl die natürlich keine Ahnung haben. Die haben die Namen Aricept oder Exelon bestimmt noch nie gehört. Die sehen nur, wie Tanny sich aus dem roten Flanellkostüm schält, und finden das toll. Oder vielleicht noch nicht einmal das. Vielleicht ist ihnen einfach nur langweilig. Die meisten Seitensprünge, habe ich neulich im Fernsehen gehört, finden am Arbeitsplatz statt. Zusammen in verschiedenfarbigen Flanellkostümen über eine Kunstgraswiese hüpfen und Kochrezepte auf Khmer beziehungsweise irgendwas anderes Unverständliches daherbrabbeln, wer käme da nicht auf den Gedanken, seinen hohlen Kopf an die nächstbeste Schulter oder was auch immer zu lehnen?

      Jetzt ist es aber umgekehrt beileibe nicht so, daß ich völlig bescheuert bin, nur weil ich mich Snake nenne und mit einer Knarre rumlaufe. Oder nur weil ich geradeheraus sage, was ich denke und nicht lang drumherumrede oder versuche, besonders witzig und klug daherzukommen. Wahrscheinlich würde es die meisten völlig aus den Schuhen hauen und ziemlich schockieren, wenn sie wüßten, wer meine Eltern sind. Man kann sich bei einem Typ wie mir meistens gar nicht vorstellen, daß der überhaupt Eltern hat.

      Ja, ich habe Eltern. Und sie sind auch nicht geschieden oder so ein Zeug. Keine zerrüttete Familie, nicht mehr Alkoholismus als woanders auch, eben das übliche, auch wenn ich nicht wie all die anderen Existenzen bis Ende dreißig gewartet habe, um von zu Hause wegzuziehen, sondern das schon mit zwanzig erledigt habe. Genau vor fünf Jahren. Bis jetzt ist auch alles einigermaßen gut über die Bühne gegangen. Wenn nicht das mit Tannys Mutter wäre.

      Am Anfang war dem Arzt, der anscheinend nur die Wehwehchen aus den besseren Vierteln kennt, nichts besseres als depressive Verstimmung eingefallen. Gut, ich will hier niemanden schlecht machen, es gibt alle möglichen Krankheiten und die ganzen Gefäße und Organe, das ist schon ein harter Job. Außerdem, denn mittlerweile bin ich zum halben Fachmann auf dem Gebiet geworden, gibt es in den ersten Jahren auch keine richtigen körperlichen Anzeichen. Trotzdem, ich weiß nicht.

      Aber egal. Ich stand also da am Dominion Drive und versuchte, mich auf meinen Auftrag zu konzentrieren. Es war ungefähr halb vier. Immer noch bedeckt, fast düster. Manchmal können mich solche Nachmittage richtig schwermütig machen. Dann möchte ich mich am liebsten irgendwo verkriechen. Nur wo? Bei uns zu Hause ist es zur Zeit alles andere als gemütlich. Wenn Tanny nicht gerade am Apparat hängt, um mit Agenturen und Fernsehstationen zu telefonieren, dann rennt sie in der Wohnung herum und raucht eine nach der anderen. Dabei haben wir es so knapp nun auch wieder nicht. Natürlich ist das Ende abzusehen. Aber zwei Monate kommen wir noch locker durch. Nur darf ich sowas gar nicht erwähnen. Und ich erwähne es auch nicht. Dann sind wir immer gleich bei meinem kläglichen Beitrag zum Unterhalt. Ich gebe ja zu, daß ich mich das letzte halbe Jahr etwas ausgeruht habe. Aber es lief auch alles so gut. Dreimal die Woche die Aufzeichnungen für die Sendung, den Rest hatte sie frei. Wenn sie wohin mußte, habe ich sie gefahren. Jetzt darf ich überhaupt nicht mehr an den Wagen, als ob das so eine tolle Einsparung wäre, wenn er nur vor dem Haus herumsteht und keinen Zentimeter bewegt wird.

      Aber nicht nur deshalb habe ich darauf gewartet, daß Trickett mich abholt und hinfährt. Selbst wenn Tanny mir den Wagen gegeben hätte, hätte ich ihn nicht genommen. Ich bin doch nicht bescheuert und fahre mit dem eigenen Wagen zu einem Auftrag. Trickett hingegen scheint, was das angeht, ein ganz schöner Idiot zu sein. Ich frage mich, wie der in dem Geschäft überhaupt zurechtkommt. Als er mich am Abend vorher anrief und sagte, daß er mich fährt, dachte ich, er schickt jemanden vorbei, aber nein, er erschien höchstpersönlich. Und dann nicht in irgendeinem Wagen, sondern in einem Jowett Javelin. Ich kam mir gleich vor wie in einem Miss-Marple-Film, was mir, ehrlich gesagt, auch wieder etwas den Druck nahm. In den alten englischen Filmen sind die Verbrechen immer so harmlos. Wenn mein verdammtes Leben nur ein einziges Mal so harmlos wäre. Mit einer Melodie zum Mitpfeifen im Hintergrund.

      Na schön, die Fahrt da raus war ganz nett. Trickett lenkte mich ab. Denn ich wußte natürlich erstmal nicht, was ein Jowett Javelin überhaupt

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