Ostfriesische Verhältnisse. Peter Gerdes

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Ostfriesische Verhältnisse - Peter Gerdes

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also Gruft. Er tastete nach dem Lichtschalter, verfehlte ihn; seine Finger zuckten zurück, als sie die Steckdose unter dem Schalter berührten. Als das Licht endlich brannte, erkannte er, dass die Steckdose geschwärzt und angeschmolzen war – durchgeschmort. Ob sich die gesamte Elektrik in diesem Haus in solch einem Zustand befand?

      Dann pfiff er durch die Zähne. »Arabische Schriftzeichen, guck an!« Bei Licht war das eindeutig. Stahnke spürte Gänsehaut auf seinen Unterarmen. Was denn, plötzlich so fremdenfeindlich, schalt er sich selbst. Dann zuckte er die Schultern. War das ein Wunder in Zeiten, da Allahu akbar gerne von Mördern gebrüllt wurde?

      Nun war aber Frederik Jaschinksy eindeutig kein Immigrant gewesen. Jedenfalls kein Araber oder Türke. »Ein Konvertit«, sagte Stahnke. »Zum Islam übergetreten. Oder glaubst du, der hat sich seine Wände nur aus Spaß so bemalt?«

      »Arabische Schrift beherrsche ich nicht«, antwortete Kramer. »Haben wir einen Kollegen, der sich mit sowas auskennt?«

      »Bestimmt. Wie heißt denn noch der Kleine von der Fahndung? Der, der immer diese schmutzigen Witze erzählt?«

      »Du meinst Nidal? Der ist Kurde. Aus der Türkei. Da schreiben die eigentlich kein Arabisch. Aber ich frage mal, vielleicht haben wir ja Glück.«

      Stahnke seufzte. Warum musste alles immer so kompliziert sein?

      Er scannte den Rest des Zimmers mit den Augen. Breites Bett, zerknüllte Laken, Wandschrank offen, Klamotten durcheinander. Hatten die lieben Kollegen hier gepflügt, oder war das schon vorher solch ein Chaos gewesen? Weiter: zwei Sessel, die nicht zueinander passten, auf einem davon eine Sporttasche. Umgedrehte Obstkiste als Tischchen, eine zweite neben dem Bett. Auf beiden standen und lagen leere Flaschen, Bier und Alcopops. Außerdem lagen da Portemonnaie, Schlüssel, ein Handy-Ladegerät, das offensichtlich durchgeschmort war, und … oho! Ein Butterflymesser. Daneben eine Jeans auf dem Boden. Richtig, der Tote hatte ja eine Trainingshose getragen.

      Ob ihm das Butterflymesser etwas genützt hätte?

      Neben dem Schlüsselbund lag noch ein einzelner Schlüssel. Stahnke bückte sich. Was war das für ein Schlüsselanhänger?

      Kramer kam ihm zuvor: »Ein Transponder.« Das Ding war so groß wie ein Einkaufswagen-Chip und hing mit einem kurzen Kettchen an dem Ring. Der Schlüssel daran schien zu einem Vorhängeschloss zu gehören.

      »Was steht denn da drauf auf dem Anhänger?«

      »Das ist von einem Fitnessstudio.« Kramer hielt ihm das Ding unter die Nase. »Gar nicht weit von hier. Ich trainiere da auch hin und wieder.«

      »Turbo-Fit«, las Stahnke. »Das ist doch dieses Billig-Ding, wo sich die ganzen Pickel-Hanseln und die Türsteher aufpumpen! Und da gehst du hin?«

      Kramer war nicht leicht in Verlegenheit zu bringen, aber jetzt schien er dicht daran zu sein. »Ist eben preiswerter als die anderen Studios. Und die Geräte sind ganz ordentlich.«

      »Stimmt, die können ja nichts dafür.« Stahnke fand, dass es weder Ort noch Zeit war, seinen Kollegen weiter aufzuziehen. Was er bedauerte. »Und, was heißt das jetzt für uns?«

      »Hingehen, Jaschinskys Umgang erfragen, Freunde, Kumpel und mit wem er sich eventuell gezofft hat«, rasselte Kramer herunter. »Mach ich gleich morgen.«

      »Außerdem müssen wir klären, wer hier eigentlich alles wohnt. Beziehungsweise gewohnt hat, denn die anderen Zimmer machen ja alle einen ziemlich verlassenen Eindruck. Teilweise fluchtartig, wie es scheint. Warum die anderen Bewohner wohl …« Stahnke unterbrach sich. Dumme Frage! Wenn das da im Wohnzimmer der Gipfel einer absehbaren Entwicklung war, dann verstand es sich von selbst, warum die anderen Mieter sich verdrückt hatten. Trotzdem musste das natürlich abgeklärt werden.

      »Machst du das?«, fragte Kramer.

      Stahnke nickte. »Da fange ich wohl am besten mit dem Vermieter an. Der steht ja sowieso auf unserer Liste, wenn auch in ganz anderem Zusammenhang.«

      Sie schwiegen, die Blicke ineinander verhakt. Zusammenhang? Gab es da einen? Zwischen dem Schuss in den Hintern eines verzogenen Kaufmannsbengels und der grausamen Ermordung eines Islam-Konvertiten?

      »Oliver Eickhoff soll hier verkehrt haben«, sagte Stahnke.

      »Der Anschlag auf den jungen Mann hat da unten auf der Straße stattgefunden, keine hundert Meter von hier«, ergänzte Kramer. »Damit erschöpfen sich zwar die Übereinstimmungen, aber ich finde, das ist schon etwas.«

      »Behalten wir im Auge.« Stahnke nickte. »Umso wichtiger, dass ich gleich mit diesem Christiansen rede.«

      »Sitzt unten, in seinem eigenen Lokal«, vermeldete Kramer, gut informiert wie immer. »Hoffentlich ist er nicht schon blau.«

      »Das sehe ich dann ja«, erwiderte Stahnke. »Und wen schicken wir in die Moschee?«

      »Moschee?« Kramer runzelte die Stirn. »Ist das dein Ernst?«

      »Verlass dich drauf«, sagte Stahnke.

      9.

      Unten im Restaurant war es, gemessen an der Fülle, auffallend still. Unterdrücktes Gemurmel hing über einander zugeneigten Köpfen. Wie bei einer Trauergesellschaft, fand Stahnke, als er das Lokal durch den hinteren Seiteneingang betrat. So fühlt sich das an, unmittelbar nach der Bestattung. Später wird es dann doch meist lauter und bisweilen sogar lustig.

      Ob das hier auch zu erwarten war? Vielleicht, schließlich waren die meisten Gäste sicher nicht aus Betroffenheit hier, sondern aus schnöder Neugier. Verständlich, war dies doch vermutlich die grausigste Mordtat in Leer seit dem Machetenmörder. Der hatte sein Opfer übrigens gar nicht weit von hier geköpft und den Kopf dann in einem Rucksack durch die Gegend gefahren, bis er, total zugedröhnt, einen Unfall baute und dabei starb. Von wegen friedliches Ostfriesland! Zuweilen lagen die Verhältnisse hier ganz anders.

      Abgetrennter Kopf – dabei fielen ihm die goldenen Schriftzeichen oben an den Wänden ein. Diese Gedankenkette funktioniert in beiden Richtungen: Islam, Islamismus, Terrorismus, grausamer Mord, bevorzugt durch Köpfen. Angesichts der Weltlage fielen solche Assoziationen leicht, fand der Hauptkommissar. Verlockend leicht. Gefährlich leicht.

      Mit ausgestreckter Hand stoppte Stahnke eine vorbeihastende Bedienung, deren Tablett mit Bier- und Weingläsern befrachtet war. »Wo finde ich Herrn Christiansen?«

      »Im Roten Salon«, antwortete die junge Frau knapp, pustete sich eine Haarsträhne aus der Stirn und hastete weiter. Als sie bemerkte, dass sich der Hauptkommissar nicht vom Fleck rührte, drehte sie sich noch einmal zu ihm um und machte eine deutende Kopfbewegung. Aha, weiter vorne, Richtung Buchladen und dann links.

      Der Rote Salon entpuppte sich als mittelgroßer Clubraum, der seinen Namen wohl den halbhohen, bordeauxrot gestrichenen Holzpaneelen an den Wänden verdankte. Die altersschwachen Schiebetüren waren geschlossen. Zwei uniformierte Beamte erhoben sich von ihren Stühlen. Wurde dieser Raum etwa bewacht?

      Die beiden Graubärte waren dem Hauptkommissar wohlbekannt. »Schau an, Rieken und van Dieken.« Stahnke legte grüßend zwei Finger an die Stirn. »Was macht ihr denn hier? Und wer ist das?« Aus den Augenwinkeln hatte er noch eine dritte Gestalt in Unform entdeckt, die in einer Nische stand.

      Rieken lachte kollernd. »Nun hör dir das an, der fällt da auch drauf rein!«, rief

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