Ebbe und Blut. Peter Gerdes

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Ebbe und Blut - Peter Gerdes

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gekauft, um endlich etwas Konkretes tun zu können, etwas mit den Händen, etwas »unmittelbar Erfahrbares«, so sagte man wohl.

      Man hatte ihm ein schnelles Scheitern prophezeit, denn Toni war kein Kaufmann und alles andere als ein umgänglicher Typ, eine Fehlbesetzung hinter jeder Art von Theke. Dass es seinen Laden trotzdem noch gab, war wohl nur seiner Hartnäckigkeit zu verdanken. Man konnte auch von Besessenheit reden, und Sina kannte Leute, die das taten.

      Er hatte sich Nanno zugewandt, und Sina konnte in Ruhe sein Profil studieren. Fast klassisch mit scharfer Nase und ausgeprägtem Kinn. Die Haut stark pigmentiert, die Haare fast schwarz, halblang, dicht und lockig. Äußerlich ein reizvoller Gegensatz zur lichten Melli, charakterlich zwei von einem Holz: zielstrebig, selbstbewusst, selbstverliebt, mit einem leichten Hang zum Fanatismus. Kreuzritter alle beide.

      Sie erschrak, als sie plötzlich direkt in seine dunklen Augen schaute. »Und wie geht’s dir bei der Zeitung? Kommst du zurecht?« Das war wieder typisch, und Sina spürte die Wut in sich aufsteigen. Klar, die kleine Sina fragte man nicht, ob sie denn Erfolg habe. Bei der war es schon was, wenn sie nur zurecht kam. Sie packte ihr Rotweinglas, das noch zur Hälfte gefüllt war, und leerte es hastig. »Kein Grund zur Klage«, sagte sie dann. »Ich habe jetzt das Wochenend-Journal übernommen. Eigenverantwortlich. Jede Woche eine Reportage, Sonderseite, vierfarbig. Die von voriger Woche handelte übrigens von Wal-Strandungen, und nach meinem Urlaub will ich etwas über Windenergie machen.«

      Die letzten Worte schienen einen Funken Interesse bei Toni hervorzurufen, aber eigentlich hatte er nichts von dem verstanden, was sie da gesagt hatte. Zeitungmachen schien allzu weit außerhalb des Reservats derjenigen Gedanken zu liegen, für deren Lauf er Interesse aufbrachte. Verachtung, die in der Beschränktheit wurzelt, dachte sie wütend. Auch so eine alte Rechnung, die noch nicht beglichen ist.

      Schon hatte er sich wieder Nanno zugewandt, und die beiden sprachen über Literatur. Nannos Gedichte schienen Gnade vor Tonis Augen zu finden, und Sina stellte verärgert fest, dass das diese Texte, von denen sie immer noch keinen Einzigen kannte, auch für sie selbst aufwertete. Sie ignorierte Nannos Versuche, sie in das Gespräch einzubeziehen, lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und winkte der Bedienung mit ihrem leeren Weinglas.

      Das Café schien zu brodeln. Alle Tische waren dicht belagert, die Theke doppelreihig umstellt, und im Eingang ballte sich eine Traube von Platzsuchern. Wahrscheinlich wäre an einem Abend wie diesem auch der Biergarten besetzt gewesen, wenn man nur die Dreistigkeit besessen hätte, im Februar die Stühle rauszustellen.

      Dass sich im Taraxacum die unterschiedlichsten Leute trafen, wusste sie; mit Kornemann hatte sie hier allerdings nicht gerechnet. Aber da schob er sich gerade herein, in seinem Kielwasser eine Frau, die wohl die seine war. »Sie: fruchtig-herb, er: wuchtig-derb«, schlagzeilte sie im Kopf – ein Reflex aus ihrer Zeit als Gesellschaftsreporterin bei der Regionalen Rundschau.

      Diese blonden Locken! Echt konnten die nicht sein. Oder? Jedenfalls verliehen sie Kornemanns Erscheinung etwas Unwirkliches. Lächerlich sah er aber nicht aus, o nein, nicht mit diesem Gesichtsausdruck, diesem Blick.

      Ganz anders als der da, der eben gerade aufstand und Kornemann die Hand schüttelte. Älter war er und größer und hatte fast den gleichen Kopfputz. Der sah aus wie ein Clown, und er führte sich auch so auf. Nickte devot, wohl weil für eine Verbeugung kein Platz war, und bot Kornemann seinen Stuhl an. Kornemann setzte sich hin wie selbstverständlich, zog die Frau auf seine Knie und beherrschte augenblicklich die Tischrunde. Der andere Blondgelockte stand dahinter, grinste stolz und verlegen, wusste nicht wohin mit den Händen, griff sich schließlich sein Glas und wühlte sich zur Theke durch.

      »Das ist Rademaker.« Nannos Blick war Sinas gefolgt, und auch Toni hatte sich halb umgedreht. »Kornemanns Mann fürs Grobe. Eine unglaubliche Zecke. Überall steckt der mit drin, und überall lachen sie über ihn. Allerdings nicht mehr ganz so laut, seit er für Kornemann den Laufburschen macht.«

      Sina fiel auf, das Toni nicht zu Rademaker schaute. Sein Blick war an Kornemann haften geblieben, und als er sich etwas später wieder zurück zum Tisch drehte, schienen seine Augen mehr denn je zu glühen.

      »Eine von Kornemanns Stärken ist es, dass er immer die Konfrontation sucht«, sagte Nanno. »Ich bin sicher, dass er auch nur deswegen heute hier ist. Er will’s immer am liebsten ungefiltert. Und wer auf Gegenkurs geht, den nimmt er frontal. Ansonsten hat er ja Rademaker, zum Aufstöbern.«

      »Hört sich so an, als wolltest du was über ihn schreiben«, sagte Sina.

      Nanno lächelte. »Das könnte gut sein. Ich weiß nur noch nicht was. Entweder ich nehme ihn nur als Typus, verschlüsselt also, oder ich schreibe eine nette Enthüllungsgeschichte.«

      »Hast du da was?« Sina beugte sich vor: »Aufpassen, du sprichst mit einer Enthüllungsjournalistin übelster Sorte!«

      »Ich werd’s dir bei Gelegenheit mal enthüllen.« Nanno ließ keinen Zweifel daran, dass er diese Gelegenheit hier nicht für gegeben hielt. Obwohl Toni äußerst interessiert schaute. Oder gerade deshalb? Toni Mensing kniff die Lippen zu einem Strich zusammen.

      »Ohne Kornemann wäre Boelsen nie das geworden, was er heute ist.« Nanno spann den Faden weiter. »Nicht nur wegen des Kapitals, das hätte er sich auch anderswo besorgen können, und alles Geld kam ja außerdem auch nicht von Kornemann.«

      »Von wem denn?«

      »Keinen Schimmer, da wird ein ziemliches Geheimnis draus gemacht. Aber wie auch immer: Ohne Kornemann hätte Boelsen sich hier niemals so durchsetzen können, in der Öffentlichkeit wie in der Bürokratie. Kornemann hat ihm die Bahn freigemacht wie ein Caterpillar.«

      »Boelsen hat aber doch so eine nette Ausstrahlung. Müsste doch gut ankommen.« Sina erinnerte sich an den Turnhallen-Auftritt kurz vor dem Tumult.

      »Das kann man nicht vergleichen.« Nanno argumentierte mit Eifer, so, als sei er soeben in sein wahres Fachgebiet eingestiegen. »Er ist nett, und er ist kompetent. Aber dieses gewisse Ausgefuchste, das hat er nicht, und das brauchst du, wenn du in Ostfriesland etwas Neues durchsetzen willst. Die Aura, dass du weißt, wie der Hase läuft, verstehst du? Das und die Volkstümlichkeit, die Basisnähe, den Stallgeruch. Korne­mann hat das. Und darum ist er auch heute Abend hier und Boelsen nicht.«

      Mit einem Ruck stand Toni auf. »Macht’s gut, man sieht sich«, sagte er und drängelte sich Richtung Kasse.

      »Was ist denn jetzt los?« Sina war über diesen plötzlichen Abgang nicht unbedingt traurig, hätte ihn sich aber gerne erklären können. »Ich dachte, er wollte hier auf Melanie warten?«

      Nanno zuckte die Achseln.

      11

      Seine Finger öffneten sich, ohne dass er es wollte, und der Werkzeugkasten krachte auf die Stegplanken. Schraubenschlüssel sprangen heraus wie kleine silbrige Fische, hüpften über seine Schuhe, prallten vom Holz ab, klingelten aneinander, schlidderten, fielen über die Kante, plumpsten aufs Eis. Eilert Iwwerks bemerkte es nicht. Er blickte starr geradeaus, auf sein Schiff. Auf sein schönes, sein altes, sei frisch erworbenes Schiff. »Gottverdammich«, sagte er leise.

      Vrouwe Alberta hieß das Schiff, das er bei sich nur »die Tjalk« nannte, weil ihm der Name nicht zusagte und weil er noch nicht wusste, ob er sich trauen sollte, ihn zu ändern. Das brachte ja Unglück, hieß es, und wenn er selbst auch nicht daran glaubte, andere taten es.

      Dabei war »Tjalk« noch nicht einmal die korrekte Bezeichnung. Diese Plattbodenschiffe holländischer Herkunft waren eine Sache für sich, ein richtiger

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