Der Werwolf von Hannover - Fritz Haarmann. Franziska Steinhauer

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Der Werwolf von Hannover - Fritz Haarmann - Franziska Steinhauer

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sie ihm diese Planung nahm. Als der Junge schwieg, setzte sie weinerlich hinzu: »Und wovon wollt ihr leben? Es ist nicht einfach, sich Nahrungsmittel zu besorgen, wenn man fremd in der Gegend ist und nicht weiß, wo man sie bekommen kann«, ergänzte sie ihre Bedenken.

      »Wir dachten, wir nehmen einen Grundvorrat mit und finden dann vor Ort heraus, wo wir was einkaufen können.«

      »Richtung Hannover, ja?«, fragte der Vater grantig nach.

      »Ja. Immer an der Leine lang. Und irgendwann machen wir kehrt und fahren zurück. Ich werde schon pünktlich wieder vor der Tür stehen!«

      »Ja, das bezweifle ich ja auch gar nicht. Aber deine Tante hat mir vor ein paar Tagen einen Brief geschickt – und dort steht, man habe an der Leine schon mehrere Totenschädel gefunden. Die Polizei rätselt noch, wie die wohl in den Fluss gelangen konnten.«

      »Ach Junge!« Die Mutter weinte leise, wischte dann hastig die Tränen mit dem Zipfel der Schürze fort. »Es ist gefährlich da draußen.«

      »Aber Mutter, ich bin ja nicht allein! Der Ludwig ist doch mit mir! Und wir sind schnell wieder zurück. Sie werden kaum bemerken, dass ich fort bin.« Theo spürte Ärger in sich aufsteigen. »Ich bin ja kein kleines Kind mehr! Und wenn wir nur den Frühsommer genießen, was soll uns da schon passieren?«

      Zu seinem Vater gewandt ergänzte er: »Schädel in der Leine! Du liebe Güte! Die können ja von Selbstmördern stammen! Warum sollen wir uns fürchten, wenn sich jemand seiner Schwierigkeiten wegen im Fluss ertränkt?«

      »Ich verstehe dich, aber die Leute in Hannover machen sich schon länger Sorgen. Es verschwinden so viele Menschen, tauchen nie mehr auf, man hört kein Wort von ihnen. Und tatsächlich gibt es Gerüchte darüber, dass sie nicht verschwunden, sondern ermordet worden sind. Sollte es finstere Gestalten in der Stadt geben, die wahllos töten, so betrifft es Ludwig und dich eben doch!«, gab der Vater aggressiv zurück.

      Theo wusste, wann er solche Gespräche besser beendete.

      Er stand auf und ging.

      Auch Ludwig stieß bei seinen Eltern nicht nur auf schiere Begeisterung.

      »Ach Ludwig. Was, wenn ihr euch verletzt? Krank werdet?«

      »Dann nehmen wir den nächsten Zug nach Hause und lassen uns vom Vater kurieren«, lachte der unbeschwerte junge Mann. »Was soll uns schon krankmachen? Wir sind jung und widerstandsfähig. Keine Sorge, es wird nichts geschehen.«

      »Aber mit dem Rad. Da ist man schnell gestürzt. Und wenn es regnet, werdet ihr nass. Erkältungen kann man nur mit Ruhe und Wärme vertreiben – beides wird euch bei einer Fahrt mit dem Rad abgehen.«

      Ludwig zeigte sich unbeeindruckt. »Wir wollten nicht bis Afrika kommen! Nur bis Göttingen vielleicht oder ein kleines Stück weiter. Wenn das Wetter gut ist, fahren wir etwa zehn oder zwölf Tage lang, schaffen es bis Hannover und nehmen den Zug für den Rückweg. Das haben Theo und ich schon besprochen.«

      5. Kapitel

      1918 Anfang Oktober / Fritz Haarmann

      Damit er nicht bei dem zusehen musste, was ich nun seinem toten Körper antun würde, legte ich ein Tuch über seine inzwischen milchig trüben Augen.

      Ehrlich gesagt, auch wegen des Gewürms, das sich schon munter tummelte.

      Aus der Küche holte ich ein weiteres Tuch, damit ich das Blut aufnehmen konnte, überprüfte auch die Schärfe der Messer und des Beils, um eine unnötige Unterbrechung der Arbeit ausschließen zu können.

      Die Sache duldete nun keinen Aufschub mehr, wollte ich vermeiden, dass jedermann ihn riechen konnte.

      Der Tote womöglich aufkam.

      Die Jungs hinter dem Café »Kröpke« erzählten gestern, ein Mann habe sich nach dem Verbleib seines Sohnes erkundigt. Friedel heiße der, und der Vater zeigte sogar ein Foto herum. Die Jungs sind bei diesen Nachfragen von Natur aus immer wortkarg, sind doch viele von ihnen entlaufene Fürsorgezöglinge – und man wusste ja nie, wer da tatsächlich fragte. Konnte ja jeder behaupten, er sei der Vater.

      Eile war also geboten.

      Aufschieben ging nicht mehr.

      Ich begann mit den Beinen.

      Schnell gelang es mir, die Unterschenkel aus den Kniegelenken zu lösen.

      Ich legte sie zur Seite.

      Begann dann sofort mit dem Trennen der Oberschenkel aus der Hüftpfanne.

      Mein kleines Messer war willig, und wo es nicht weiterkam, half das Hackebeilchen.

      Natürlich tat ich all das mit Grausen und Entsetzen.

      Es war eine widerliche Aufgabe, die Stunden dauern mochte, vielleicht Tage.

      Einfach eklig.

      Wenn ich mich zurückerinnere glaube ich, ich habe mich mehrfach in einen kleinen Eimer übergeben, weil es so schrecklich war.

      In den Eimer habe ich später auch das zerschnittene Gekröse geworfen. Schließlich sollte das ja durch den Abort …

      Die Arbeit war aber nicht nur abstoßend, sie strengte mich sehr an. Derartig, dass ich mich immer wieder hinlegen und ausruhen musste.

      Sobald es mir besser ging, machte ich weiter. Beeilen musste ich mich damit. Nicht auszudenken, wenn jemand gekommen wäre und ihn dort am Boden entdeckt hätte.

      Die Schnitte über die gesamte Körperlänge führte ich mit dem Messer aus – ich wusste ziemlich genau, wie sie zu setzen waren.

      Die Rippen – kein Problem.

      Die Arme drückte ich weit nach oben, löste sie aus den Schultergelenken.

      So wanderte Stück für Stück …

      Es ging gut, wenn ich erst mal alle Knochen herausgelöst hatte.

      Was blieb war nicht mehr als seine Hülle, die sich gut zerteilen ließ. In schmale Streifen und dann quer in winzige Quadrate.

      Die Größe der Stücke richtete sich nach ihrer Schwimmfähigkeit. Waren sie schwer genug, versanken sie sofort, das Leichte, das oben schwamm, durfte nur in geringer Menge in den Fluss gelangen. Das musste besser in den Eimer.

      Der Kopf. Wenn ihn jemand fand, konnte er erkennen, wem er zu Lebzeiten gehört hatte? Dem zuvorkommenden und willigen Freund meines Hübschen, dem fiele womöglich ein, wo man manchen Nachmittag und Abend in den letzten Wochen zubrachte. Dieses Risiko! Zu hoch!

      Erst die Haare – das erledigte sich nach Art der Indianer.

      Ich schabte alles Weiche ab, warf es ebenfalls in den Eimer.

      So verfuhr ich auch bei den Knochen.

      Die passten in eine Tasche aus Wachstuch.

      Den Eimer kippte ich, wie geplant, in den Abort. Damit niemand eine Blick auf seinen Inhalt werfen konnte, deckte ich einen Lappen drüber, als ich damit über den Hof

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