Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift

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Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten - Jonathan Swift

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ist das beste Einkommen für ihren Unterhalt. Dergleichen gibt es in mehreren Teilen Europas.

      Mein Herr erwiderte: »Was Ihr mir über den Krieg gesagt habt, zeigt wirklich auf bewunderungswürdige Weise, daß ihr der Vernunft entbehrt, worauf ihr dennoch Anspruch macht; es scheint jedoch ein glücklicher Umstand, daß die Schande größer ist als die Gefahr und daß die Natur euch so gebildet hat, daß ihr nicht viel Unheil anrichten könnt. Da nämlich euer Mund flach im Gesicht liegt, so könnt ihr ohne gegenseitige Einwilligung einander nicht beißen. Eure Klauen ferner, an euren Vorder- und Hinterpfoten, sind so kurz und weich, daß einer unserer Yähus ein Dutzend der euren vor sich hertreiben kann. Berechne ich deshalb die Anzahl derjenigen, die Ihr als in einer Schlacht getötet anführtet, so muß ich glauben, daß Ihr etwas gesagt habt, was nicht existiert.«

      Ich konnte es nicht unterlassen, über seine Unwissenheit den Kopf zu schütteln und ein wenig zu lächeln. Da ich nun selbst mit der Kriegskunst nicht unbekannt war, gab ich ihm eine Beschreibung von Kanonen, Feldschlangen, Musketen, Karabinern, Kugeln, Pistolen, Pulver, Degen, Schlachten, Belagerungen, Rückzügen, Angriffen; Minen, Konterminen, Bombardements, Seeschlachten, Schiffen mit tausend Mann, die untergingen, zwanzigtausend Mann, die auf beiden Seiten fielen, dem Wimmern der Sterbenden, Gliedern, die in die Luft flögen; von Rauch, Lärm, Verwirrung, wie Menschen durch Pferdehufe zertreten würden, von Flucht, Verfolgung, Sieg; wie die Felder dann mit Leichen besät seien, die als Fraß für Wölfe, Hunde und Raubvögel liegenblieben; vom Plündern, Berauben, Notzüchten, Verbrennen und Zerstören.

      Um die Tapferkeit meiner teuern Landsleute darzulegen, fügte ich hinzu: Ich habe gesehen, wie sie hundert Feinde bei einer Belagerung auf einmal in die Luft sprengten und dieselbe Zahl auf einem Schiffe; die toten Körper seien zur großen Ergötzung der Zuschauer stückweise von den Wolken herabgefallen.

      Ich wollte noch mehr Einzelheiten hinzufügen, als mein Herr mir zu schweigen befahl. Er äußerte: Jeder, der mit der Natur des Yähu bekannt sei, werde bei einem so elenden Tiere alles, was ich gesagt habe, für möglich halten, wenn Körperkraft und List ihrer Bosheit gleichkämen. Während nun aber mein Vortrag seinen Abscheu gegen das ganze Geschlecht vermehrt habe, sei dadurch zugleich in seiner Seele ein störendes Gefühl entstanden, das er bis jetzt durchaus nicht gekannt habe. Er glaube, seine Ohren möchten sich allmählich an so schändliche Worte gewöhnen und sie dann auch mit geringerem Abscheu anhören; obgleich er die Yähu dieses Landes hasse, tadle er sie nicht mehr wegen ihrer Eigenschaften als einen Gnnayh (einen Raubvogel) wegen seiner Grausamkeit oder einen scharfen Stein, weil er seinen Huf ritze. Wenn aber ein Geschöpf, das Anspruch auf Vernunft erhebe, Fähigkeiten zu solchen Scheußlichkeiten besitze, so besorge er, die Verderbnis dieser Eigenschaften werde noch schlimmer sein als die bloße tierische Roheit. Er sei deshalb vollkommen überzeugt, daß wir anstatt der Vernunft nur irgendeine Eigenschaft besäßen, die sich dazu eigne, unsere natürlichen Laster zu vermehren, so wie der Widerschein einer gestörten Wasserfläche das Bild eines schlechtgebildeten Körpers nicht allein größer, sondern auch entstellt wiedergebe.

      Er fügte hinzu: Sowohl in dieser wie in anderen Unterhaltungen habe er schon zuviel über Krieg gehört. Jetzt könne er noch einen anderen Punkt nicht recht begreifen. Ich habe ihm gesagt, einige Matrosen meiner Mannschaft hätten ihr Vaterland verlassen, weil sie durch das Recht ruiniert seien. Ich habe ihm die Bedeutung des Wortes schon erklärt, er könne jedoch nicht begreifen, wie das Gesetz, das man doch zur Erhaltung aller bestimme, irgend jemand zugrunde richten könne. Deshalb wünsche er, ich möge ihm eine weitere Erklärung von dem geben, was ich unter Recht verstehe und welcher Art die Personen seien, durch deren Gesetzesanwendung das Eigentum anderer verlorenging, anstatt erhalten zu werden, und zwar nach dem gegenwärtigen Verfahren in meinem Vaterlande. Er glaube, Natur und Vernunft seien vernünftigen Tieren genügende Führer, und wir machten ja auf Vernunft sehr viel Anspruch. Beide zeigten uns, was wir tun und vermeiden müßten.

      Ich gab Seiner Gnaden die Versicherung, das Recht sei eine Wissenschaft, wovon ich nicht viel erlernt habe; ich habe nur bei manchen mir erwiesenen Ungerechtigkeiten Advokaten genommen, ich würde ihm jedoch alle mir mögliche Aufklärung geben.

      Es gibt, fuhr ich fort, bei uns eine Gesellschaft von Menschen, die von Jugend auf in der Kunst auferzogen werden, durch Worte, die man zu dem Zwecke vervielfacht, deutlich zu beweisen, Schwarz sei Weiß und Weiß sei Schwarz, natürlich in dem Verhältnis, wie man bezahlt. Zum Beispiel, wenn mein Nachbar meine Kuh zu haben wünscht, so findet er auch einen Rechtsgelehrten, der beweisen will, er müsse meine Kuh von mir erhalten. Dann muß ich einen anderen Rechtsgelehrten mieten, der mein Recht verteidigt. Es widerstreitet nämlich allen Rechtsregeln, daß irgend jemand für sich selbst sprechen darf. In diesem Fall bin ich, der rechtmäßige Eigentümer, zwei großen Nachteilen ausgesetzt; erstens ist mein Rechtsgelehrter, da er von der Wiege an gewöhnt war, Falschheiten zu verteidigen, durchaus nicht in seinem Elemente, wenn er als Advokat der Wahrheit auftreten soll. Dies ist nämlich ein unnatürlicher Dienst, den er mit großer Ungeschicklichkeit, wo nicht mit bösem Willen leistet. Zweitens muß mein Advokat mit großer Vorsicht verfahren, sonst erhält er einen Verweis von den Richtern und wird von den anderen Advokaten als ein Mensch verabscheut, der die Rechtspraxis gern schädigen möchte. Deshalb kann ich mir nur durch zwei Verfahrensarten meine Kuh retten. Die erste besteht darin, daß ich den Rechtsgelehrten meines Gegners durch ein doppeltes Honorar für mich gewinne. Dann wird er seinen Klienten dadurch verraten, daß er ihm zu verstehen gibt, ich habe das Recht auf meiner Seite. Die zweite Verfahrensart besteht darin, daß mein Rechtsgelehrter meine Sache so günstig wie möglich darstellt, indem er zugibt, meine Kuh gehöre meinem Gegner; geschieht dies mit Geschicklichkeit, so wird dadurch eine günstige Stimmung der Richter für mich gewonnen. Nun müssen Euer Gnaden wissen, daß diese Richter Personen sind, die der Staat dafür besoldet, daß sie alle Streitfragen über Eigentum entscheiden sowie auch die Strafen der Kriminalverbrecher bestimmen. Man wählt sie aus den geschicktesten Rechtsgelehrten, die alt und faul geworden sind. Da sie nun ihr ganzes Leben hindurch gegen Wahrheit und Billigkeit eingenommen wurden, sind sie der unglücklichen Notwendigkeit unterworfen, daß sie Betrug, Meineid und Unterdrückung begünstigen. Einige habe ich gekannt, die lieber eine große Bestechung von der Partei, die recht hatte, ausschlugen, als daß sie den ganzen Stand dadurch beleidigt hätten, daß sie eine der Natur ihres Amtes unwürdige Handlung begingen.

      Es ist Grundsatz unter diesen Rechtsgelehrten, daß alles, was früher geschehen ist, rechtmäßigerweise wieder geschehen darf. Deshalb zeichnen sie alle früheren Entscheidungen gegen Gerechtigkeit und den allgemeinen und gesunden Menschenverstand sorgfältig auf. Diese Urteile heißen Präzedenzfälle und werden fortwährend als Autoritäten vorgebracht, um die unbilligsten Meinungen zu rechtfertigen, und die Richter unterlassen es nie, nach jenen Bestimmungen zu entscheiden.

      Bei den Verhandlungen vermeiden die Advokaten und Richter sehr sorgfältig, auf die eigentliche Streitfrage ihres Prozesses einzugehen, sie werden laut, heftig und langweilig und verweilen bei allen Umständen, die nicht nur zur eigentlichen Sache gehören. Zum Beispiel in dem obenerwähnten Falle wollen sie niemals wissen, welchen rechtlichen Anspruch mein Gegner auf meine Kuh besitzt, sondern ob er gesagt habe, die Kuh sei rot oder schwarz, mit langen oder kurzen Hörnern; ob das Feld, worauf sie grase, rund oder viereckig sei; ob sie im Stall oder auf der Weide gemolken werde; an welchen Krankheiten sie leide usw. Dann werden die Präzedenzfälle um Rat gefragt, der Prozeß wird von Zeit zu Zeit vertagt und nach zehn, zwölf, dreizehn Jahren endlich entschieden.

      In Prozessen von Personen, die wegen eines Verbrechens gegen den Staat angeklagt wurden, ist die Verfahrensart bei weitem kürzer und empfehlenswerter.

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