Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild. Carl Wilckens

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Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild - Carl Wilckens Dreizehn -13-

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hätte es wissen müssen“, sagte der Sänger voller Bitterkeit. „Du bist nicht End. Du bist bloß ein Tunichtgut. Ein Dieb. Oder Schlimmeres. Was sollte ich anderes von dir erwarten, als dass du meine Bezahlung nimmst und mich leer ausgehen lässt? Deswegen sitzt du ja schließlich ein. Deswegen oder wegen Schlimmerem.“

      End antwortete nicht. In aller Ruhe rauchte er seine Zigarette auf. Der Sänger zog sich ebenfalls zurück und ließ sich auf seine Matratze sinken. Er drehte sich auf die Seite und kehrte somit der Zellentür den Rücken zu.

      Und wieder waren Rauschen und Surren das Einzige, das man vernehmen konnte.

      Schließlich wandte End das Gesicht dem Sänger zu und stieß den Rauch seines letzten Zuges aus.

      „Ich bin er“, sagte er.

      Der Sänger hob überrascht den Blick. „Wer?“

      „End. Ich bin Godric End.“

      Ein Raunen ging durch den Gang des Zellenblocks. Der Junge schnappte vernehmlich nach Luft.

      „Er lügt“, sagte jemand.

      „Nein“, flüsterte der Sänger und erhob sich langsam von der Matratze. Den Blick behielt er unverwandt auf End gerichtet, als fürchtete er, er könne sich in Luft auflösen. „Er ist es. Er ist es wirklich.“

      „Unsinn. End ist tot.“

      „Er ist hier“, sagte der Junge. Seine Worte überschlugen sich fast vor Aufregung. „Er wird uns hier rausholen.“

      „Wieso bist du hier?“, flüsterte der Sänger. „Du solltest in Rust sein.“

      „Nein“, sagte End. Es war nur ein Wort, aber es hätte nicht mehr Bitterkeit darin liegen können. „Ich sollte hier sein. Wo immer das Schicksal mich haben möchte.“

      „Was ist passiert?“

      „Verrat.“ Ends Stimme war dunkel. „Das Leben hat mich eine weitere Lektion gelehrt. Ich glaube bloß nicht, dass ich lange genug leben werde, um davon zu profitieren.“

      „Verrat? Wer? Sag mir, wer es ist, und ich werde ihn mit den eigenen Händen erwürgen.“

      „Ruhig Blut, Junge. Solange du hier einsitzt, erwürgst du niemanden.“

      „Wer hat dich verraten, Genosse?“, fragte jetzt auch der Sänger mit gefährlich ruhiger Stimme. „Ich bitte dich, erzähl mir deine Geschichte.“

      „Geschichte?“, wiederholte End spöttisch. „Ich glaube nicht an Geschichten. Ebenso, wie ich nicht an den Mond glaube.“

      „Er ist verrückt. Ein Spinner, der sich für End hält. Hab ich nicht gleich gesagt, dass er es nicht ist? End ist tot.“

      „Was meinst du damit, du glaubst nicht an den Mond? Wir können ihn sehen, wenn sich an windigen Tagen die Rußwolken verziehen. Wie kann man nicht an den Mond glauben?“

      „Wir sehen ein silbernes Licht“, sagte End. „Aber ist es ein greifbares Objekt? Oder scheint es bloß durch ein Loch im Universum?“

      „Völlig verrückt …“

      „Erzähl mir deine Geschichte, Genosse“, bat der Sänger noch einmal. „Ich verlange nicht, dass du an die Vergangenheit glaubst. Ich möchte nur die Wahrheit erfahren.“

      In diesem Moment erhellte blauweißes Wetterleuchten den Himmel. Es raste über die Unterseite der Wolken bis zum Horizont, wo es gegen eine unsichtbare Barriere zu stoßen schien und zurückkehrte. Das bislang lauteste Donnergrollen füllte den Zellenblock 13 und die Ohren all seiner Insassen.

      „Die Wahrheit ist, dass ich nie die Interessen des Arbeiters geteilt habe.“ Ends Stimme knüpfte klar vernehmlich an das Grollen des Donners an. „Ich habe immer nur meine eigenen Interessen verfolgt. Dieser Aufstand hätte niemals zu einem Bürgerkrieg werden müssen. Ich wollte es so. Ich wollte nie Gerechtigkeit. Ich wollte Zerstörung.“

      Es folgte betretenes, ja, schockiertes Schweigen. Dann setzte leises Murmeln ein, das allmählich zu einem wütenden Summen anschwoll.

      „Warum?“, fragte der Sänger mit heiserer Stimme.

      In diesem Moment wurde die Tür zum Zellenblock geöffnet, und die Insassen verstummten recht plötzlich. Zwei Männer betraten den Gang. Schlieren schmutzig schwarzen Regens verunzierten ihre Haut. Beide trugen einen Mundschutz. Einer von ihnen schob einen riesigen Kessel auf Rädern vor sich her, der andere einen Wagen, auf dem sich Holzschalen stapelten. Daran befestigt war eine Leuchte, die mattes warmes Licht in den Zellengang goss. Wortlos passierten die Männer die Zellen und füllten die Holzschalen mit der grauen Masse, die in dem Kessel dampfte. Die Insassen warteten schweigend.

      Reglos.

      Die Männer hielten kurz inne und warfen einander besorgte Blicke zu. Sie spürten die Anspannung, die in der Luft lag. Niemand hatte sie darüber informiert, dass Godric End in diesem Zellenblock einsaß. Was also, fragten sie sich, war der Grund für das angespannte Schweigen? Führten die Gefangenen etwas im Schilde?

      Schneller setzten sie ihre Arbeit fort. Bei Ends Zelle angelangt, füllten sie eine der Holzschalen und stellten sie in Griffweite vor die Tür. Einer der Männer hob den Blick und sah End geradewegs in die Augen. Augen, die das Licht der Leuchte zu reflektieren schienen. Der Mann zuckte zusammen. Die Reflektion in Ends Augen verlosch. Hastig wendeten die Männer Kessel und Wagen und verließen den Zellenblock.

      „Warum?“, wiederholte der Sänger die Frage, kaum dass die Tür hinter den Männern ins Schloss gefallen war.

      Wieder ließ End sich Zeit mit der Antwort. Er stand auf, zog die Schale herein und kehrte an seinen angestammten Platz zurück. „Kein Besteck?“

      „Lass den Unsinn, End“, knurrte jemand mit bedrohlich dunkler Stimme. „Du schuldest uns eine Erklärung.“

      „Ich schulde niemandem irgendwas“, sagte End mit kalter Stimme. „Auf diese Weise kommst du bei mir nicht weit, Mann.“ Er tauchte zwei Finger in den Brei und steckte sie sich in den Mund. Andere Insassen folgten seinem Beispiel. Schweigend lauschten sie dem Rauschen und Surren und dem gelegentlichen Donnergrollen, während sie aßen.

      „Wirst du uns erklären, was du vorhin gemeint hast?“, fragte der Sänger vorsichtig, sobald End sein karges Mahl beendet und die Schale beiseite gestellt hatte.

      End schwieg.

      „Ich könnte dir noch eine Zigarette anbieten“, schlug der Sänger vor. End hob den Blick. Der Sänger wickelte etwas Tabak in eines der schmutzigen Papiere ein, hielt den Stängel hoch und hob fragend die Brauen. End nickte knapp. Der Sänger entzündete die Zigarette und warf sie wie schon zuvor vor Ends Zellentür. Wieder rauchte End sie in aller Ruhe auf, ehe er ein weiteres Wort sprach.

      „Es war nie mein Ziel, mich für den Arbeiter einzusetzen.“ Leises Flüstern hob an, während die Insassen die Worte an jene weitergaben, die außer Hörweite waren. „Ich habe immer nur die Industrialisierung aufhalten wollen. Ich wollte einen Krieg, der Zerstörung mit sich bringt, keine Aufstände, die Gerechtigkeit fordern.“

      „Aber warum?“, fragte der Sänger und hob in fassungsloser Geste die Hände.

      „Weil

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