Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild. Carl Wilckens

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Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild - Carl Wilckens Dreizehn -13-

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ihre Haut eiskalt. Durfte ich sie allein lassen? Alles in mir sträubte sich dagegen. Als fürchtete ich, der Tod warte nur auf die Gelegenheit, mit ihr allein zu sein. Mir graute vor der Vorstellung, hierher zurückzukehren und sie tot vorzufinden. Doch es gab nichts mehr, das ich für sie tun konnte. Wenn keine Hilfe kam, würde sie sterben.

      Da ertönten hastige Schritte im Treppenhaus. Ich rannte zur Tür und riss sie auf.

      „Hierher“, rief ich. Zwei Männer mit Koffern erschienen am Treppenabsatz. Einer von ihnen, ein kleiner Mann mit dichtem Bart und Glatze, atmete pfeifend.

      „Sie liegt dort. Beeilung.“ Die Ärzte hasteten wortlos an mir vorbei in Emilys Wohnung, legten ihre Koffer auf den Tisch und klappten sie auf. Sie warfen weiße Kittel über und fingen an, Emily zu untersuchen. Minutenlang herrschte Schweigen, während die Ärzte arbeiteten und Atem schöpften. Kritisch musterten sie meine provisorischen Verbände.

      Der Kleinere hielt mit fragendem Blick eine Schere hoch.

      Der andere schüttelte den Kopf und hob Einhalt gebietend die Hand.

      „Puls schwach“, meinte der Kleinere daraufhin. „Wir müssen sie ins Hospital bringen.“ Sie erhoben sich, traten vor ihre Koffer und fingen an, eine Trage aufzubauen.

      Erneut ertönten Schritte im Treppenhaus. Die Tür schwang auf, und zwei Männer betraten die Wohnung: Konstabler Lovelace und der Detektiv, den man auf Dianes Fall angesetzt hatte. Lovelace Augen fixierten kurz mich, sprangen zu Emily, dann wieder zu mir.

      „Habe ich Ihnen zu viel versprochen, Harper?“, fragte er, ohne mich aus den Augen zu lassen. „Ich sagte doch, das dürfte interessant werden.“ Harper antwortete nicht, sondern musterte die Wohnung mit professioneller Miene.

      „Was wollen Sie hier?“, fragte ich.

      „Wir wurden informiert, dass hier ein Mord geschehen sei“, sagte Lovelace. „Es überrascht mich nicht, Sie hier zu treffen, Mr. Walker.“

      Ich sah abwechselnd von Lovelace zu Harper. „Was meinen Sie?“

      „Sie sind jetzt zum zweiten Mal in einen Mord verwickelt“, sagte Lovelace mit gefühlskalter Miene. „Das macht Sie zum Hauptverdächtigen in beiden Fällen. Harper, legen Sie ihm Handschellen an.“

      „Verzeihen Sie“, mischte sich einer der Ärzte ein. Sie hatten die Trage aufgebaut und Emily darauf verlagert. „Aber hätte dieser junge Mann nicht eingegriffen, wäre sie jetzt tot.“

      „Das mildert nicht die Tat.“

      „Wie dem auch sei“, sagte der Arzt. „Wir müssen sie ins Hospital bringen. Sie braucht eine Bluttransfusion oder sie stirbt.“

      „Eine Transfusion?“, wiederholte ich. Nur jeder zweite überlebt das.

      „Wir haben keine Wahl. Bedauerlich, aber so ist es nun mal.“ Die Ärzte gingen in die Hocke und hoben die Trage hoch.

      „Ich bin zu alt für sowas“, hörte ich den kleinen Mann keuchen, als er und sein Kollege Emily hinaus trugen. Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss.

      „Worauf warten Sie, Harper?“, sagte Lovelace schneidend. „Legen Sie ihm Handschellen an.“

      „Mr. Lovelace …“

      „Ich habe nichts getan“, rief ich. „Ich habe sie hier so vorgefunden.“

      „Du musst zum Zeitpunkt der Tat hier gewesen sein“, sagte Lovelace. „Sie wäre verblutet, wenn du später gekommen wärst.“

      „Ich …“ Ich stockte. Er hatte Recht. Der Täter musste ganz in der Nähe gewesen sein, als ich Emily gefunden hatte. Womöglich war er hinter meinem Rücken zur Tür hinausgeschlichen, während ich Emily versorgt hatte. Oder …

      „Sie hat es sich selbst angetan“, murmelte ich.

      „Mr. Lovelace …“

      Der Konstabler hob Schweigen gebietend die Hand. „Was sagst du da? Sie soll es sich selbst angetan haben?“ Ich erwiderte seinen Blick. Seine Miene war glatt wie ein Spiegel – eine Augenbraue ausgenommen, eine gehisste Flagge des Spotts, die unter der Krempe seiner Melone zu verschwinden drohte. Sollte ich ihm erzählen, was ich gesehen hatte, als ich Emily zum Friedhof gefolgt war? Lovelace war drauf und dran, mich in Haft zu nehmen.

      „Ich habe sie bei etwas beobachtet“, sagte ich leise und begann zu erzählen. Als ich endete, hatte sich Lovelaces zweite Augenbraue zu der ersten gesellt.

      „Wollen Sie mir weismachen, dieses Mädchen habe den Verstand verloren, Mr. Walker?“

      „Mr. Lovelace“, sagte Harper, dieses Mal mit unterschwelliger Schärfe in der Stimme.

      „Bei Gott, was wollen Sie, Harper?“

      „Das sollten Sie sich ansehen.“

      Lovelace folgte dem Fingerzeig des Detektivs und stutzte. Erst jetzt bemerkte er den Kreis aus Runen auf Emilys Tür. Seine sonst beherrschte Miene verrutschte. „Was zum …“

      „Die Schriftzeichen befinden sich auch auf der Fensterbank“, sagte Harper. „Und sehen Sie dort.“ Er deutete auf die Knoblauchzöpfe, die von der Decke hingen. „Wozu braucht eine einzelne Person so viel Knoblauch? Noch dazu hier, in einem Wohnzimmer. Wieso verwahrt sie es nicht in der Küche? Mr. Walkers Geschichte klingt in der Tat unglaubwürdig, aber mir scheint, dass Miss End irgendeine heidnische Religion mit an Wahnsinn grenzendem Fanatismus praktiziert.“

      Lovelace knirschte mit den Zähnen. „Also dann“, sagte er mühsam beherrscht, „wissen Sie ja, was zu tun ist.“

      Harper nickte knapp.

      „Was soll das heißen?“, fragte ich. Lovelace sah mich an, seine Miene nun so beherrscht wie eh und je.

      „Was denken Sie, Mr. Walker? Wir lassen überprüfen, ob sie tatsächlich verrückt ist. Wir bringen sie nach Sankt Laplace.“

      W. D. Walker

       18. ÄHRENGOLD 1713, LOHNTAG

      Erst heute erlaubte man mir, Emily in Sankt Laplace zu besuchen. Sie hat die Bluttransfusion überstanden. Ihre Schnittwunden verheilen gut, doch es geht ihr sichtlich schlecht in der Nervenheilanstalt. Es ist ein schrecklicher Ort. Ein Schrotthaufen für verlorene Seelen. Die Menschen dort existieren, aber sie funktionieren nicht mehr. Sie tragen weiße Hemden, weiße Hosen, weiße Schuhe. Nur wenige wirken normal. Viele sind kahl rasiert, damit sie sich nicht die Haare ausreißen. Manche blicken stumpf, manche brabbeln wild. Andere wiederum tragen eine Jacke, die sie mit ihren eigenen Armen fesselt.

      Ich sah Emily mitten unter ihnen in der Kantine der Nervenheilanstalt. Sie trug dieselbe weiße Kleidung, zudem Verbandsstulpen an den Unterarmen. Sie saß an einem Tisch zwischen einer schielenden Frau mit schwarzem, zerzaustem Haar und einem kahlköpfigen Riesen. Auf einem Tablett vor ihr stand eine kaum angerührte Mahlzeit. Erbsen und Brei. Das Sicherheitspersonal wies mich an, zu warten. Die beiden Männer gingen zu ihr. Einer berührte sie sanft am Oberarm, während der andere sich zu ihr herabbeugte und etwas murmelte.

      Emily hob den Kopf.

      Sie

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